Essen. Fünf Schulklassen studieren eine vereinfachte „Tanzhommage an Queen“ ein, darunter die 3a der Großenbruchschule. Ihr Ziel ist der große Auftritt im Aalto
Bässe wummern aus den Boxen, Kinder der Klasse 3a stellen sich in zwei Reihen vor ihrem Trainer Nour Eldesouki auf. Eigentlich sind es 20 von der Großenbruchschule, die bei dem Tanzprojekt „Queeny“ wöchentlich mitmachen.
Heute reißen ein paar weniger zu „We Will Rock You“ von Queen im Wiegeschritt mal die Arme nach links, mal nach rechts hoch und klatschen. Gar nicht so einfach, den Rücken dabei gerade zu halten und gemeinsam im Takt zu bleiben.
"Chance mit Kindern zu arbeiten"
Fast alle der Acht- und Neunjährigen sind eifrig bei der Sache. Nur einer wirkt etwas lustlos, wird aber von Ballettintendant Ben Van Cauwenbergh schnell wieder angespornt. „Das Tanzprojekt tut den Kindern gut. Sie brauchen klare Regeln und müssen sich einordnen“, flüstert Klassenlehrerin Stephanie Stiffel, die in den letzten 17 Jahren schon so einige Drittklässler begleitete. „Diese Klasse ist lebhaft mit sehr vielen durchsetzungsstarken Schülern“, erklärt sie. 80 Prozent von ihnen haben einen Migrationshintergrund mit Wurzeln in Libyen, Afghanistan oder der Türkei, mehr als die Hälfte sind Jungs. Umso erstaunlicher, dass keiner sich verweigert und das Tanzen als Mädchenkram abtut.
Die Aufführungen
Beteiligt sind an dem Bildungsprojekt „Queeny“ Schüler der Erich-Kästner-Gesamtschule in Steele, der Bertha-Krupp-Realschule in Frohnhausen, der Großenbruchschule in Altenessen, der Georgschule in Heisingen und der Stadthafenschule in Vogelheim.
Premiere hat „Queeny“ am 24. Mai, 18 Uhr, im Aalto-Theater. Weitere Aufführungen des Abends sind am 2. und 12. Juni geplant.
Karten sind erhältlich unter: 8122 200 oder www.theater-essen.de
Das liegt an Nour Eldesouki. „Dass er Tänzer ist und aus einem islamisch geprägten Land kommt, hat sehr zu seiner Akzeptanz beigetragen“, so Stephanie Stiffel. Der Ägypter, der seit 2010 zur Aalto-Ballettcompagnie gehört und derzeit unter anderem als Lord Capulet in „Romeo und Julia“ zu sehen ist, überzeugt zudem mit pädagogischen Fähigkeiten. Er versteht es, die Bewegungsabläufe mit freundlicher Autorität zu vermitteln. Das ist nicht nur für das Bildungsprojekt ein Gewinn, sondern auch für den Mittdreißiger selbst: „Ich werde nicht für immer tanzen. Es ist eine Chance für mich, mit Kindern zu arbeiten.“
Einer von ihnen wird vorne stehen
Seit Beginn des Projektes im November ist keiner abgesprungen. Noch ziehen alle im Rhythmus der Rockmusik abwechselnd die Schultern hoch, die Arme eng am Körper anliegend. Celine, Niklas, Maissam oder Hayssam sind sich einig: „Ich finde den Unterricht gut, weil man so viel lernt“, sagen sie. Manje hat sich die Lieder im Internet herausgesucht und übt auch zu Hause. Cyril meint: „Es ist gar nicht so schwer.“ Schekeba hat vor allem die große Bühne im Kopf, auf der sie im Mai tanzen sollen.
Dass einer von ihnen ganz vorne stehen wird, nehmen sie ohne Murren hin. Es ist Mahmoud. Seine Lehrerin nennt ihn einen „verträumten Schüler“ und betont:: „Dass er ausgewählt wurde, ist toll für ihn.“ Ballettintendant Ben Van Cauwenbergh, der immer wieder Stippvisiten in den Schulen macht, entdeckte den Jungen: „Er ist eine kleine Persönlichkeit voll von Energie.“ Nun steht er da und übt, wie man eine Show startet. Mit ausgestrecktem Arm sagt er noch etwas zu leise: „Hello everybody. Are you ready to rock? Are you ready to roll? - Let’s go.“ Und wieder wummern die Bässe aus den Boxen.
Ballettchef Ben Van Cauwenbergh über das Projekt „Queeny“
Herr Van Cauwenbergh, Sie haben aus „Tanzhommage an Queen“ mit „Queeny“ ein Bildungsprojekt gemacht. Wie funktioniert das?
Ben Van Cauwenbergh: Ich muss den Abend choreografisch anpassen. Er wird mit 18 Songs kürzer, die Bewegungsabläufe werden vereinfacht. Die Kinder werden sogar springen, aber nicht mit gestreckten Füßen. Ich will aus ihnen keine Tänzer machen.
Wie viele Schulen beteiligen sich?
Van Cauwenbergh: 25 Schulen haben sich beworben. Fünf davon mit Kindern von 8 bis 16 Jahren wurden ausgewählt. Sie werden verstärkt von Schülern aus dem Tanzbereich des Gymnasiums Essen-Werden und Tänzern des Aalto-Balletts für anspruchsvolle Passagen. Am Ende sollen 100 Kinder auf der Aalto-Bühne tanzen.
Was können die Kinder mit den vertanzten Queen-Songs anfangen, die bis zu 40 Jahre alt sind?
Van Cauwenbergh: Die Musik von Queen erreicht inzwischen vier Generationen. Die Kinder kennen alle „We Will Rock You“ oder „We Are The Champions“. Die Songs motivieren sie, sich zu bewegen.
Was sollen die Kinder beim Einstudieren der Choreografie lernen? Was fällt ihnen schwer?
Van Cauwenbergh: Disziplin ist ein großes Problem. Konzentration und die richtige Körperhaltung fällt ihnen schwer. Das üben sie mit Profis, aber auch Koordination und Rhythmusgefühl. Und am Ende lernen sie die Bühne mit Kostümen, Maske und Bühnenbild kennen. Das Projekt öffnet ihnen die Tür zum Theater, was ihre Eltern so nicht können.
Worauf sind Sie bis jetzt besonders stolz?
Van Cauwenbergh: Es gibt Kinder, die sagen: „Das ist nichts für mich.“ „Das ist was für Mädchen.“ „Das ist zu schwer.“ Diese Kinder zu gewinnen, macht uns großen Spaß.