Essen. . Wenn ein Mensch ins Heim muss oder stirbt, bleiben mitunter Katzen oder Hunde zurück. Bei der Rettung gehen Essener Tierschützer an ihre Grenzen.
„Sie tun mir leid“, ruft der Nachbar den Mitarbeitern des Tierheims noch im Flur zu, bevor diese das Siegel der Kriminalpolizei an der Wohnungstür lösen. Ein beißender Geruch dringt ins Treppenhaus, wo sich die drei Tierpfleger erst die Schutzoveralls überstreifen, samt Folien für die Schuhe, Gummihandschuhe und Mundschutz. Mit dem Schlüssel, den sie von den Beamten erhalten haben, öffnen sie dann die Tür. Ihr Auftrag: eine Katze retten.
Für den Menschen, der in dem Ein-Raum-Appartement lebte, kam die Hilfe zu spät. An diesem Morgen geht es zwar um das Schicksal von Tieren, aber beim ersten Blick in die vermüllte Wohnung offenbart sich die menschliche Tragödie.
Irgendwann hat der Bewohner hier sein Zuhause eingerichtet und dekoriert mit Fotos, Postern und einem Trikot von Borussia Mönchengladbach, das ebenfalls an der Wand hängt. Ein Gummibaum trägt grüne Blätter, ein Fernseher steht auf dem kleinen Unterschrank. Auf einer Kommode liegt noch die Einladung des Jobcenters. Der Rest versinkt im Chaos, schmutzige Decken liegen auf der Schlafcouch, volle Aschenbecher stehen auf dem Tisch, überall liegen Weinflaschen.
Tierpfleger wurden von der Polizei informiert
„Der Bewohner hat zwei Wochen tot hier gelegen, bevor er gefunden worden ist“, sagt Tierpfleger Thomas Schroeder. So viel hat er von der Polizei erfahren, die sie kurz darauf vorbereitet habe, dass es hinter dieser Tür besonders schlimm sein werde. „Wir wussten, dass es extrem wird.“ Das Schlimmste sei die Ungewissheit, bis man das erste Mal eintritt, sagt er. Mit seinem Kollegen Karl-Heinz Pozdrowicz hat er am Tag zuvor eine Katzenfalle mit Futter aufgestellt. Das Tier hat aufgefressen, doch die Falle hat nicht zugeschnappt.
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Daher waten die drei durch die Berge von Glasflaschen, heben die klebrigen Decken auf der Schlafcouch vorsichtig hoch, blicken in jede Ecke, bevor sie die Matratzen zur Seite ziehen und noch mehr Fliegen aufscheuchen. Schlimmer sei der Gestank. Die Tierschützer ertragen die Situation und die tragische Geschichte des Menschen in dem Augenblick nur, weil sie sich darauf konzentrieren, das Tier zu finden. „Seit gestern denke ich nur noch an die Katze“, sagt Martina Jügel, während sie ein Kissen zur Seite legt. „Sie wird nach so langer Zeit einen Tierarzt brauchen, daher gehe ich nicht hier raus, bevor ich sie gefunden habe“, sagt die 52-Jährige, als alles ganz schnell geht.
Tierschützer fangen Katze in Wohnung
„Wer soll’s denn sonst machen?“
Plötzlich huscht eine schwarz-weiße Katze ins Bad. Flink folgt Martina Jügel mit einem Kescher um die Ecke. Das Tier springt verängstigt auf die Spiegellampe, geht aber ins Netz und dann in die Transportbox.
„Da ist noch eine“, ruft Thomas Schroeder, als ihn zwei Augen hinter dem Sofa anfunkeln. Das Tier rast aufgeschreckt in die Küche und verschwindet zwischen Unmengen leerer Katzenfutterdosen. Geduldig hockt sich Martina Jügel hinunter. Als der rot-weiße Kater ihren Finger beschnuppert, packt die erfahrene Tierpflegerin zu und atmet gleichzeitig auf. Inzwischen wissen sie, dass die Katzen überleben werden. Ihr Einsatz hat sich wieder einmal gelohnt, Thomas Schroeder gesteht jedoch, dass er sie hart an ihre Grenzen brachte. Martina Jügel fügt hinzu: „Wer soll’s denn sonst machen?“