Essen. Sechs Anklagen wurden nach Ausschreitungen im Sommer in der Essener Innenstadt erhoben. Videoaufnahmen statt Einsatzstöcke lautete die Polizeitaktik.
Im Juli verhinderte die Polizei nur mit einem Großaufgebot auf dem Willy-Brandt-Platz, dass sich der aufflammende Gaza-Konflikt auch in Essen gewalttätig entlud. Nach den unschönen Szenen in der Innenstadt hatten sich Beobachter eine rigorose Strafverfolgung gewünscht. Doch die meisten Verfahren sind inzwischen längst eingestellt. Lediglich gegen sechs der mutmaßlichen Täter wurde jetzt Anklage erhoben. Ein Vorwurf lautet gefährliche Körperverletzung, sagt Staatsanwalt Rainer Kock.
In der Innenstadt standen im Sommer plötzlich Demonstranten der Pro-Israel-Kundgebung den zahlenmäßig deutlich überlegenen und aggressiven Teilnehmern gegenüber, die zuvor an der Pro-Palästina-Demo in der Nordcity teilgenommen hatten. Eine Polizeikette schützte die verängstigten Israel-Unterstützer, selbst Polizisten wurden mit Gegenständen beworfen.
Innenminister verteidigte Polizei-Taktik
Innenminister Ralf Jäger verteidigte im Nachgang die Taktik: den Verzicht auf Einsatzstock sowie Reizgas, „weil dann mit erheblicher Gegenwehr und Eskalation der emotional aufgeheizten Situation zu rechnen gewesen wäre“, lautete die Erkenntnis.
Stattdessen wurde damals entschieden, „durch eine intensive videografische Beweissicherung der Vorfälle eine umfassende Strafverfolgung zu gewährleisten“. Doch die lief nun meist ins Leere: 45 von 49 Verfahren gegen Unbekannt wurden eingestellt. Zwei sind abgeschlossen, zwei offen. Trotz der Videobilder war es unmöglich, mehr der Unbekannten zu identifizieren. Erschwert habe die Ermittlungen unter anderem, dass die Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet angereist seien, so Kock.
Polizisten mit Feuerzeug beschmissen
Von den Verfahren gegen 22 Beschuldigte, die namentlich bekannt sind, sind einige noch offen. Sieben wurden bereits eingestellt, darunter vier wegen geringer Schuld oder unbekanntem Aufenthaltsort. Zwei Strafanzeigen sind gestellt worden, wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung. Ein Teilnehmer etwa soll einen Polizeibeamten mit einem Feuerzeug beschmissen haben. Eine Geldstrafe sei verhängt worden.
Bei den sechs Anklagen stehe der Hauptverhandlungstermin jetzt aus, sagt Kock. Neben gefährlicher Körperverletzung, weil Demo-Teilnehmer Polizisten angegriffen haben sollen, geht es um Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Darunter fallen Demonstranten, die gegen das Vermummungsverbot verstießen. Weitere Vorwürfe: Verstoß gegen das Waffengesetz sowie Volksverhetzung, da Demonstranten den Hitler-Gruß zeigten, auf Plakaten den Holocaust leugneten oder antisemitische Parolen brüllen. Die hässlichen Bilder gingen durch die Republik.