Essen. Falscher Enkel, Paketbote oder Wasserwerker: Beim Trickbetrug wachsen die Fallzahlen und Schadenssummen erheblich. Beim zweiten WAZ-Polizeiforum klärten Kommissare im Essener Präsidium auf und beantworteten die Fragen aus dem Publikum.

Bis auf den letzten Stuhl besetzt war das zweite WAZ-Polizeiforum zum Thema Trickbetrug. Opfer der Straftaten sind meist ältere Menschen ab 60, so die Erfahrung der drei Experten Alfons Lammerding (stellvertretender Leiter Raubkommissariat), Annchen Brendle (Leiterin Kommissariat Prävention und Opferschutz) und Kriminalhauptkommissar Carsten Bäcker. Sie schilderten eindrucksvoll, wie perfide die Betrüger vorgehen. Der Schaden immerhin belief sich in NRW im Vorjahr auf mehr als elf Millionen Euro, 2014 werden es mindestens zwei Millionen mehr sein, schätzen die Kommissare. Und: Von rund 2500 Taten wurden nur 324 Fälle aufgeklärt.

Denn hinter den Verbrechen stecken perfekt organisierte Banden, die oft von Osteuropa aus agieren; so beim Enkeltrick. „Der Kontakt entsteht am Telefon“, sagt Lammerding, „die Anrufer sind rhetorisch und psychologisch geschult, haben Überzeugungskraft.“ Sie verwickeln Opfer ins Gespräch, erhalten dadurch Informationen und wirken glaubwürdig. „Der Anrufer gibt vor, ein Verwandter zu sein oder im Namen eines Verwandten anzurufen, schildert eine finanzielle Notlage und bittet um Geld.“ Die Täter schmeicheln und drängeln, rufen manchmal mehrfach an, bis sie Erfolg haben.

Täter durchforsten Telefonbücher

„Eine niederträchtige Methode“, sagt Lammerding. Um schnell an die Beute zu gelangen, rufen Täter auch mal ein Taxi, das das Opfer zur Bank bringt. Die Übergabe erfolgt meist an einen Boten – wird der gefasst, „ist das oft eine Person ohne Vorstrafen, die wir nicht lange festhalten können“. Der eigentliche Haupttäter im Ausland bleibt unerkannt und unbestraft, „ein gemeinsames Europa ist aus polizeilicher Sicht noch weit weg“.

Wie kommen die Täter aber an Telefonnummern? „Sie durchforsten einfach Telefonbücher nach Vornamen, die darauf schließen lassen, dass der Teilnehmer älter als 60 ist.“ Natürlich fällt nicht jeder auf die Betrüger herein. Der Takt der Telefonate, die die Täter führen ist entsprechend hoch: Von 100 Anrufen täglich sind sie in ein bis zwei Prozent erfolgreich. Es lohnt sich trotzdem.

Ebenso wie die Tricks an der Haustür: Dort steht die vermeintlich Schwangere, die um ein Glas Wasser bittet, der Bekannte der Nachbarin, der einen Zettel braucht, der falsche Dachdecker, Paketbote, Polizist oder Wasserwerker. Der Täter erscheint persönlich. Sein Ziel: Zutritt zur Wohnung seines Opfers zu bekommen. „Seien Sie sicher – diese Täter agieren niemals allein.“ Während einer das Opfer ablenkt, schlüpft ein zweiter in die Wohnung, wühlt nach Schmuck und Bargeld. „Diese Menschen nutzen schamlos die Höflichkeit und Hilfsbereitschaft der älteren Menschen aus.“ Sobald sie das Haus verlassen, geben sie die Beute weiter und verändern mit ein paar Handgriffen ihr Aussehen.

„Schämen Sie sich nicht“

„Jeder kann Opfer einer solchen Tat werden“, sagt Annchen Brendle, „die Geschichte muss nur gut genug eingefädelt sein.“ Das bestätigten auch zahlreiche Besucher des Forums, die von ihren Erfahrungen berichteten.

„Täter bombardieren die Menschen mit Anrufen, aufregenden Geschichten und versetzten sie in einen Ausnahmezustand, damit sie nicht mehr klar denken können.“ Die Kommissarin rät dringend: „Lassen Sie keine Fremden in die Wohnung. Die Tür bleibt zu – auch wenn es unhöflich scheint. Seien Sie misstrauisch, wenn Anrufer Geld verlangen.“ Wer bereits angerufen wurde, solle die Nummer wechseln. „Lassen Sie in Telefonbücher nur den ersten Buchstaben des Vornamen drucken.“ Was ihr sehr am Herzen liegt: „Falls Sie Opfer geworden sind, schämen Sie sich nicht. Sprechen Sie mit uns.“

Bundesweite Ermitllungen zum Telefon-Betrug

Als Carsten Bäcker im Oktober erstmals von einer grausamen Telefon-Masche sprach, bei der Opfer massiv eingeschüchtert und mit laufenden Verfahrenen bedroht werden, da bezifferte der Kriminalhauptkommissar die Zahl der Fälle auf 40. Schaden: 200 000 Euro. Jetzt ermittelt er bundesweit, kennt 120 Fälle. Aktueller Schaden: eine halbe Million Euro. Die traurigste Nachricht aber ist die, dass sich ein Mensch das Leben nahm, schildert Bäcker die dramatischen Folgen.

Die Masche: Es ruft ein falscher Polizist oder Staatsanwalt an: „Es läuft ein Verfahren gegen Sie, aber Sie können sich freikaufen“, sagt der etwa, hinterlässt eine Nummer und warnt vor Verbrechern, die anrufen könnten. Was passiert: Wenig später ruft der angekündigte Täter an, droht dem Opfer, ihm den Kopf abzuschlagen. In Panik und völlig eingeschüchtert ruft das Opfer den Polizisten an, der nennt einen Summe, die oft per Western Union überwiesen wird.

Die Essener Polizei ermittelt wegen Bedrohung, Erpressung und Nötigung. Was sie weiß: Das Geld geht in die Türkei, von dort kommen die Anrufe aus einem Call-Center. Allein die Täter sind nicht zu fassen, da türkische Behörden nicht kooperieren. Was bleibt, ist die Menschen hier aufzuklären.