Essen.. Vor genau 130 Jahren wurde der Vorgänger der GSE ins Leben gerufen. Für die Honoratioren und Gründer des „Lokal-Vereins“ stand die Bekämpfung der „Vagabundennoth“ an oberster Stelle. Heute bereitet sich die Stadttochter GSE auf eine wachsende Gruppe vor: Menschen mit psychischer Behinderung.

Der 18. November 1884 gehört nicht gerade zu den bekanntesten Daten im dicken Buch der Essener Stadtgeschichte. Vielleicht zu Unrecht. Denn an jenem Herbsttag fanden sich 40 Honoratioren zusammen, um unter Vorsitz von Oberbürgermeister Gustav Hache den „Lokal-Verein wider die Vagabundennoth“ zu gründen. Genau 130 Jahre später nennt sich dieser Verein „Gesellschaft für Soziale Dienstleistungen Essen mbH“, abgekürzt GSE – der Sozialkonzern der Ruhrmetropole.

Verschiedene Namen – ein Auftrag



GSE-Vorgänger haben oft den Namen gewechselt. 1905: Verein zur Fürsorge für Durchreisende und ortsansässige Ar-beitslose; 1920: Arbeitsstätte für Erwerbsbeschränkte; 1948: Erwerbshinderten-Arbeitsstätte (EA).


1966: Gründung der Christophorus-Werkstätten, die EA ist mit 20 Prozent beteiligt. 2000: Fusion zur GSE.

Obwohl die GSE und ihre Vorläuferinnen seit 130 Jahren eine feste Größe im Essener Wohlfahrtssystem sind, sei sie für etliche Menschen in dieser Stadt immer noch ein Buch mit sieben Siegeln, findet der Geschäftsführer. Deshalb wolle man sich künftig mehr öffnen. „6000 Hände können einiges bewegen“ lautet denn auch die selbstbewusste Botschaft zum 130-jährigen Bestehen. Die Stadt Essen hält 90 Prozent Anteile an der Gesellschaft, die fünf Wohlfahrtsverbände Diakonie, Caritas, Awo, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband und DRK je zwei. „Mit der kommunalen Trägerschaft zählen wir zu den Exoten in der Branche“, betont Piel. Erfreulich aus Sicht des Rathauses: Die GSE ist so gesund, dass sie mühelos Rücklagen bilden kann und deshalb nicht auf Zuschüsse des klammen Kämmerers angewiesen ist.

Menschen mit Behinderung im Mittelpunkt

Rolf Banner, zuständig fürs Personal und GSE-Chronist, umreißt den Wandel des Selbstverständnisses so: „Zuerst ging es nur darum, Müßiggänger, Bettler und Obdachlose von der Straße zu holen. Seit der Weimarer Republik stehen Menschen mit Behinderung im Mittelpunkt.“

Zurzeit sind die GSE-Verantwortlichen dabei, sich auf eine noch recht neue und zugleich stark wachsende Klientel einzustellen: die Gruppe der Psychisch-Behinderten: Menschen, die durch einen Burnout, Drogenmissbrauch oder exzessives Leben aus der Bahn geworfen wurden. Zurzeit beschäftigt die GSE in ihren Werkstätten (Schreinerei, Elektromontage, Zweirad, Garten- und Landschaftspflege, Schlossmontage, Druckerei, Näherei, Lettershop) schon 350 Psychisch-Kranke – Tendenz steigend.

In den nächsten fünf Jahren, so die alarmierende Prognose, würden allein in Essen unterm Strich 125 weitere Schicksale hinzukommen. „Umgerechnet macht das den Bau einer neuen Werkstatt erforderlich“, rechnet Piel vor. Für Menschen mit Behinderung, die übrigens immer jünger werden. „Die Jüngste ist erst 25“, fügt Pflegedienstleiterin Katja Seel hinzu.