Essen. Eltern, Kinder und Erzieher sind vom Aufruf an die Awo-Beschäftigten am Mittwoch betroffen. Birgit Rünker, Mutter und Elternrats-Mitglied, schildert Folgen und Anstrengungen, den Nachwuchs wieder bei Oma oder Bekannten unterbringen zu müssen – die Awo-Leitung indes nehme diesen Tag nur zur Kenntnis.
Rund 1200 Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt (Awo) sind am Mittwoch (19.November) erneut zum Streik aufgerufen. Während sie auf die laufende Tarifrunde aufmerksam machen, werden neben den sozialen Diensten und der Verwaltung auch sechs Seniorenheime und 19 Kindertagesstätten betroffen sein.
Die Folgen nennt Gereon Falck, Verdi Essen: Eltern müssen damit rechnen, dass die Kindertagesstätten geschlossen bleiben. „Für die Seniorenheime ist eine schriftliche Notdienstregelung getroffen worden.“ Während die Streikenden sich auf den Weg nach Köln zum Sitz des Vorsitzenden des Awo-Arbeitgeberverbandes Deutschland machen, werden Mütter und Väter wieder improvisieren müssen.
Abwanderung guter Kräfte und zu Demotivierung
Im Oktober sprach Gereon Falck „von einer relativ hohen Solidarität auch bei den Eltern.“ Die besteht, versichert Birgit Rünker als Mutter, aber auch als Mitglied des Elternrats der Awo-Kita am Ruhrkolleg. Gern unterstützen sie die Erzieher, denn diese „leisten hervorragende Arbeit, verdienen aber wesentlich weniger als ihre städtischen Kollegen und erhalten am Anfang oft nur Zeitverträge.“ Zudem fürchteten Eltern angesichts der guten Arbeitsmarkt-Situation für Erzieher, dass diese Ungleichbehandlung mittel- und langfristig zu Abwanderung guter Kräfte und zu Demotivierung führt – also in Summe zur Verschlechterung der Betreuungsqualität in Awo-Kitas.
Der Streiktag bedeutet nun zunächst für „alle Seiten Stress - während die Awo-Leitung so einen Tag lediglich zur Kenntnis nehmen muss“, sagt Rünker. Kinder werden schon wieder aus ihrem „Alltag“ gerissen und von anderen Personen als gewohnt betreut: Oma, Nachbarin oder Vater der Kindergartenfreundin springen ein. Das könne belasten, vor allem Kinder in der Eingewöhnungsphase. Streikbedingte Unterbrechungen seien eine massive Einschränkung für jedes pädagogische Konzept.
Verhandlungen mit dem Arbeitgeber
Stress bedeute der Streik auch für Eltern. Wer nicht auf Großeltern zurückgreifen könne, wer keine Freunde, Nachbarn oder Bekannte greifbar hat, die Zeit haben, der verhandelt nun mitunter selbst mit dem Arbeitgeber wegen eines außerordentlichen freien Tages. „Das wird angesichts des fünften Streiktags zunehmend schwierig“, sagt die Mutter und gibt vor allem an die Adresse der Arbeitgeber zu bedenken: „Beim Streik fällt nicht einfach mal ein Kita-Tag aus. Da hängen jede Menge Anstrengungen, Sorgen, Geschichten dran“, sagt Birgit Rünker und schließt die Erzieher ein, die derzeit bei strapazierter Personaldecke wegen der Krankheitsfälle zusätzlich Nikolaus- und Weihnachtsfeier organisieren, den Kita-Anbau einweihen, dazu den OB empfangen und außerdem neue Kinder an den Kita-Alltag gewöhnen. „Jetzt müssen sich unsere Erzieher auch noch darum kümmern gerecht bezahlt zu werden.“
Verdi fordert unter anderem eine Erhöhung der monatlichen Einkommen um 100 Euro zuzüglich 3,5 Prozent. Verdi-Verhandlungsführer Wolfgang Cremer rechnet vor: „In dem bisher vorgelegten Angebot soll etwa eine Erzieherin in den nächsten zwei Jahren mehr als 3000 Euro brutto weniger erhalten, als eine Erzieherin bei der Stadt. Gereon Falck indes beschreibt die Stimmung, die sich mit Blick auf die Haltung der Awo breit macht: „Die Beschäftigten der Arbeiterwohlfahrt sind erzürnt.“