Essen. . Während des Streiks macht die Deutsche Bahn von ihrem Hausrecht Gebrauch – so hieß es für die streikenden Lokführer auch am Donnerstag: „Wir müssen leider draußen bleiben.“ Beschäftigt waren sie dennoch – etwa mit der Organisation von Demos oder dem Kleben von Transparenten

Wie ausgestorben wirkt der Melderaum der Deutschen Bahn, wo normalerweise die Lokführer ihre Pausenbrote essen und sich auf eine Zigarette treffen. An anderen Tagen herrscht hier ein reges Kommen und Gehen. In einem verglasten Info-Kasten klebt an prominenter Stelle ein Aushang der GDL mit dem Appell an die Mitglieder, sich in diesen Tagen kollegial zu verhalten und sich am Streik zu beteiligen.

Das Gros ihrer Zunft leistet dem Aufruf offenbar Folge, denn auch im Bahnhofsgebäude selbst sind die Lokführer nicht anzutreffen – während des Streiks hat ihr Arbeitgeber ohnehin Hausverbot verhängt. Das gesamte Gelände ist für die Streikenden tabu. Spricht man Service-Mitarbeiter der Deutschen Bahn an, erntet man größtenteils ein freundliches Lächeln und ein Achselzucken, von der Radikalität dieses Arbeitskampfes ist nicht jeder überzeugt, auch nicht in den eigenen Reihen. Das ist bei weiteren Nachfragen durchaus zu spüren.

Zugbegleiter sind Mutti für alles

„Ich kenne Lokführer, die GDL-Mitglied sind und trotzdem aus persönlicher Überzeugung nicht streiken. Auch ich finde es grenzwertig, was den Pendlern hier zugemutet wird“, gibt ein Zugbegleiter zu, der nicht namentlich genannt werden möchte. Sein Kollege schlüpft nach Dienstschluss sofort in zivile Kleidung, denn er hat keine Lust mehr, unbequeme Fragen zu beantworten, das musste er heute zur Genüge. „Wir als Zugbegleiter sind hier die Mutti für alles. Wenn es am Info-Point Theater wegen des Streiks gibt, müssen wir unseren Kopf dafür hinhalten.“ Doch seien die meisten Fahrgäste schon auf Anschlussprobleme eingestellt und gingen relativ gelassen mit der Situation um.

Die Taxifahrer schwanken derweil zwischen Solidarität mit den Lokführern in ihrem Bemühen um einen Tarifvertrag und dem frommen Wunsch, dass der Streik endlich enden möge. Denn wer glaubt, dass sie nun das Geschäft ihres Lebens machen würden, irrt gewaltig, setzen doch viele Bahnkunden für gewöhnlich ihre Zugfahrt mit dem Taxi fort. Fallen massenweise Züge aus, schauen auch die Taxifahrer in die Röhre, wie Wahid Wazeh klarstellt: „Ich hatte heute den ganzen Tag über nur drei Fahrgäste. Uns trifft der Streik hart, wir hoffen dass es bald vorbei ist.“ Auch, wenn er das Anliegen der Lokführer grundsätzlich nachvollziehen könne.

Spott bei den Bahnkunden

Vielen Bahnkunden reißt indes allmählich Geduldsfaden, einige üben sich in Zynismus: „Ich bin schon über Gelsenkirchen gefahren, um nach Bochum zu kommen – da sieht man richtig was von der Landschaft!“ spöttelt Andreas Wichmann. „Mit dem Weselsky würde ich mich gerne mal persönlich unterhalten. Erst recht, nachdem die GDL das Schlichtungsangebot der Bahn einfach ausgeschlagen hat.“ Wie er jetzt nach Bochum kommen soll, ist ihm schleierhaft. So steht der 50-Jährige in einer Traube von Menschen, von denen die meisten verkniffenen Blickes auf die Anzeigentafeln starren, stets die abweichenden Abfahrtzeiten im Visier.

Anja Lorenz lässt alternativ ihr Handy-Display nicht aus den Augen. Sie ist nur mit ein paar Freunden verabredet und hat sich dem Stress, nicht pünktlich am Arbeitsplatz erscheinen zu können, bewusst nicht ausgesetzt: „Ich habe mir heute und morgen freigenommen, denn es ja nützt ja alles nichts“, sagt die Pendlerin, „wobei ich mich frage, was los wäre, wenn das alle Berufsgruppen machen würden.“

Professionelle Organisation des Arbeitskampfes

Das fragen sich in diesen Tagen viele – Sven Schmitte, Bezirksvorsitzender der GDL auf Landesebene ist um eine Antwort nicht verlegen: „Viele Branchen nehmen respektvoll zur Kenntnis, wie groß der kollegiale Zusammenhalt in der GDL ist“, so der Lokführer – auch was die professionelle Organisation des Arbeitskampfes auf allen Ebenen betrifft: „Die Lokführer sitzen nicht einfach nur zu Hause rum und drehen Däumchen, sondern konzentrieren sich auf den Arbeitskampf.“ Und auch der spannt die Streikenden mächtig ein: So gibt es in den meisten Städten lokale Streikleiter, die im Schichtbetrieb aktiv sind und als kommunikative Schnittstelle zwischen Arbeitnehmern und ihrem Dienstherren fungieren. Sie organisieren die Demos und legen fest, wann und wo Transparente geklebt werden. Das Hausverbot berücksichtigten die Lokführer dabei – Schmitte: “Wir sind nicht auf Provokationen aus.“