Duisburg-Rheinhausen. Die Pandemie hat auch den Gnadenhof in Rheinhausen finanziell getroffen. Es wird weniger gespendet. Und: Ein Brand vernichtete den Heuvorrat.

Wenn ihr vor 30 Jahren jemand erzählt hätte, dass sie mal einen Hof mit 60 Pferden und Eseln, Ziegen, Schafen, Gänsen, Hunden und Katzen haben würde, dann hätte sich Renate Zolopa vermutlich mit dem Zeigefinger an die Stirn getippt. Damals hat sie noch für die Post gearbeitet, ihr Mann war Kfz-Schlosser. Und eigentlich wollten die beiden ihrer Tochter Anna nur das Reiten ermöglichen. Doch dann passierte das, was das Leben so spannend macht: Es tat sich eine neue Welt auf.

Aus der Reitbeteiligung fürs Töchterchen wurde ein eigenes Pony. Pinscher hieß das Tier, das den Stein ins Rollen brachte. Denn der Stall, in dem Pinscher sein Zuhause hatte, stand plötzlich zum Verkauf. Da für Hans Zolopa die Pensionierung nahte und er für diesen Lebensabschnitt eine neue Beschäftigung suchte, übernahm das Ehepaar spontan den Hof am Bernhard-Röcken-Weg in Rheinhausen. „Wir sind da irgendwie so reingerutscht“, blickt Renate Zolopa zurück.

Der Tiergnadenhof am Rheinufer hält für Notfälle immer zwei Boxen im Stall frei.
Der Tiergnadenhof am Rheinufer hält für Notfälle immer zwei Boxen im Stall frei. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Kaum hatten sie den Hof gekauft, ergab sich eine weitere Möglichkeit. Der Besitzer des damaligen Ponyverleihs an der Fährstraße starb. Der Standort am Fuße der Brücke der Solidarität mit dem riesigen Weideland bis zum Rhein ging den Tierfreunden nicht mehr aus dem Kopf. „Das hat uns total gereizt.“ Zack, da hatte Familie Zolopa plötzlich zwei Höfe und jede Menge Ponys, die vom Vorbesitzer schlecht gehalten wurden und denen sie ein besseres Leben bescheren wollten.

Das Abenteuer Gnadenhof begann. Renate Zolopa wuschelt Joschi durch die dicke Mähne. Das Fjordpferd reibt seinen Kopf an ihrer Schulter. „Tja, Joschi, auch du wärst nicht hier, wenn wir den Schritt damals nicht gewagt hätten.“ Mit dem Norweger, der bei unserem Besuch so zufrieden schnaubt, verbindet Renate und Hans Zolopa eine besondere Geschichte.

Für ihn haben sie vor knapp zwanzig Jahren ihr Erspartes zusammengekratzt, weil sie das Tier aus dem Stall eines Pferdehändlers retten wollten. „Wir haben ihn in einer dunklen Ecke entdeckt, mit einer Kette um den Hals war er an einen Balken angebunden.“ Für 800 Mark haben sie das Pferd mit auf den Hof am Rhein genommen, wo der sanftmütige Joschi heute der Liebling der Kinder ist.

Ein Ort für Kinder und Jugendliche

Hans Zolopa hat keine Zeit mehr fürs Gespräch. Er muss Heu holen fahren. Zwei riesige Ballen werden hier auf dem Gnadenhof jeden Tag komplett verputzt. Da das Grünfutter einen dicken Batzen vom Budget verschlingt, hatten die Zolopas den Wintervorrat an Heu einem Bauern schon im Sommer zu einem guten Preis direkt vom Feld abgekauft – und mussten dann mit ansehen, wie nach einer Brandstiftung im Juni nur noch verkohlte Reste übrig blieben. Unbekannte hatten die Ballen angezündet, die Täter wurden nicht gefasst. „Damit haben wir 8000 Euro verloren“, beschreibt Renate Zolopa das Ausmaß des Schadens.

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Mit Rückschlägen wie diesen hat der Gnadenhof immer wieder zu kämpfen. Aus dem spontanen Wagnis von damals ist für das Ehepaar eine Lebensaufgabe geworden, die nur mit Hilfe anderer gestemmt werden kann. Am Anfang war der Gnadenhof Partner des Tierschutzvereins Arche 2000, der vernachlässigte Pferde in Rheinhausen unterbrachte und das Projekt finanzierte. Leider nicht mit legalen Mitteln. Der Verein flog mit seiner Betrugsmasche auf, der Geschäftsführer musste ins Gefängnis und der Gnadenhof stand von jetzt auf gleich mit vielen Tieren und ohne Geld da.

Kinder, deren Eltern kein Geld für Reitunterricht haben, kommen zum Gnadenhof

Die langfristige Lösung war der eigene Verein „Tiergnadenhof und Jugendfarm Duisburg“, den Renate und Hans Zolopa im Jahr 2006 gegründet haben und der mittlerweile etwas mehr als 200 Mitglieder hat. „Jugendfarm“ deshalb, weil der Pferdehof mit den Jahren auch zu einem Ort für Kinder und Jugendliche geworden ist. „Wir geben ihnen hier einen Platz, an dem sie sein können.“ Vor allem junge Mädchen, deren Familien keinen Reitunterricht finanzieren können, kommen hierhin, um sich um die Pferde zu kümmern. So hat der Gnadenhof Unterstützung und die Jugendlichen haben eine Aufgabe.

Wichtige Aktionen fielen aus

Bisher hat das Konzept des Vereins gut funktioniert. Die Kombination aus Mitgliedsbeiträgen, großzügigen Spenden von Sponsoren, den vom Arbeitsamt vermittelten „Zwei-Euro-Jobbern“, die vormittags auf dem Hof mit anpacken und den Jugendlichen, die sich am Nachmittag um die Tiere kümmern, hat den Gnadenhof am Laufen gehalten.

Ein Tierpfleger macht eine Pause am Gatter des Esels.
Ein Tierpfleger macht eine Pause am Gatter des Esels. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Aber aktuell macht sich Renate Zolopa doch Sorgen, ob das Geld im nächsten Jahr reichen wird. Die Pandemie hat auch den Gnadenhof getroffen. Das Sommerfest und die offenen Wochenenden mit Hofbesichtigung und Ponyführen sind gestrichen, Schulen und Kindergärten dürfen nicht kommen, Besuche von Interessenten, die Pferdepaten werden möchten, sind verboten. „Das sind wichtige Aktionen für uns, die uns immer viele Spenden bringen.“ Dazu kommt, dass das Geld in Coronazeiten bei Sponsoren, die von der Krise betroffen sind, nicht mehr so locker sitzt. Und: Jetzt beginnt schon bald der für Spenden so wichtige Monat Dezember und niemand weiß, ob sich die Lage bis dahin entspannt.

Der Tierarzt ist Stammgast

„Ich hoffe sehr, dass uns die Wohltäter in der Weihnachtszeit nicht vergessen“, sagt Renate Zolopa und führt Joschi auf seinen Auslauf. „Ich bin nicht gerne Bittstellerin, aber es muss so viel bezahlt werden.“ Auf einem Gnadenhof ist der Tierarzt Stammgast. Auch Joschi muss heute noch seine teuren Pillen bekommen. Und für seinen Kumpel Savantes, der kaum noch Zähne hat, muss Spezialfutter angeschafft werden. Die Chefin wischt die Sorgen weg und schließt das Gatter.

Später, am Abend, wenn sie die letzte Runde durch den Stall dreht, dann wird sie auch wieder ganz tief im Herzen fühlen, warum all das trotzdem genau die richtige Entscheidung war. „Wenn ich hier abends das Licht ausmache, alle Pferde ihren Platz haben und so friedvoll ihr Heu mümmeln, dann bin ich einfach glücklich, dass ich den Tieren ein gutes Leben schenken kann.“

>>> KONTAKT ZUM GNADENHOF, DER DRINGEND SPENDEN BENÖTIGT

Der Verein „Gnadenhof und Jugendfarm Duisburg“ hat zwei Standorte in Rheinhausen, am Bernhard-Röcken-Weg und an der Fährstraße. Auf beiden Höfen zusammen leben etwa 100 Tiere (Pferde, Esel, Hunde, Katzen, Gänse). Der Gnadenhof arbeitet mit dem Duisburger Ordnungsamt und Veterinäramt zusammen und hat immer zwei Boxen für Notfälle frei.

Um die Tiere zu versorgen, ist der Verein neben den Mitgliedsbeiträgen auf Spenden angewiesen . Das hat bisher gut funktioniert, aber jetzt, in Corona-Zeiten, wird es eng. Wer die Arbeit der Tierfreunde Renate und Hans Zolopa unterstützen möchte, kann so Kontakt aufnehmen unter 0177 - 845 222 4 oder 0157 - 752 225 24. E-Mail: info@tiergnadenhof-jugendfarm.de.