Duisburg-Homberg. Die denkmalgeschützten Produktions- und Lagerhallen werden zu hochwertigen Mietwohnungen und Büros umgebaut. Auch Gastronomie ist geplant.

Die Industriekulisse der alten Getreidemühle am Rheinufer ist eine Landmarke. Acht Geschosse hoch ragt das denkmalgeschützte, 1904 errichtete Fabrikschloss derPlange Mühle in die Höhe. Ähnlich hoch ist das benachbarte Lager von 1936, das ebenfalls unter Denkmalschutz steht. Noch höher sind die sechs, in den 80er Jahren gebauten Beton-Silos. Am Leinpfad reckt der Lastkran wie eine Giraffe seinen Hals in Richtung Strom.

Prägend wird diese Silhouette auch weiterhin sein, aber in den nächsten Jahren auch wesentliche Änderungen erfahren. Das bedeutete auch ein intensives Ringen mit dem Denkmalschutz. Schon seit zwei Jahren laufen die Planungen, um aus diesen Industriegebäuden peu à peu Wohnungen, Büros und Restaurants zu machen. An einigen Stellen bedeutet das auch Abriss und Neubau. Für den Stadtteil ist das ein Lichtblick. Für die Königstraße, deren Charakter nicht durchgehend das einlöst, was der Name verspricht, gibt das einen Impuls für eine große Aufwertung. Für die städtische Trajekt-Promenade, mit der der Stadtteil näher an den Fluss rücken soll, ist das ein vielversprechender Anfang.

Die Beton-Silos aus den frühen 80er Jahren werden abgerissen. Der Kran am Kai, der kürzlich saniert wurde, bleibt erhalten.
Die Beton-Silos aus den frühen 80er Jahren werden abgerissen. Der Kran am Kai, der kürzlich saniert wurde, bleibt erhalten. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Der Neusser Architekt Peter Kling ist hier mit einem fünfköpfigen Team vor Ort. Er rechnet für die Umsetzung des Gesamtprojektes noch mit weiteren acht Jahren. Im Baubüro sind bereits Modelle, Skizzen und Zeichnungen des Rahmenplans zu sehen. Sein Büro PKP hat sich auf Bauen im Bestand spezialisiert und bereits über 250 Projekte realisiert. Auch international ist es aktiv, in Polen, Atlanta, Saudi Arabien, Usbekistan und insbesondere im Irak. Auf die Frage, wie viel der Investor hier in die Hand nimmt, antwortet er einsilbig: „Viel“.

Erste Gespräche mit Gastronomen

Anfang November werden die ersten Gespräche mit Gastronomen geführt, die hier ein Lokal eröffnen sollen. „Namen nenne ich nicht“, fügt Kling ungefragt hinzu. Für solche Verhandlungen gibt es wohl keinen unpassenderen Zeitpunkt als den Lockdown. Aber vor 2023 ist hier ohnehin nicht mit einer Eröffnung zu rechnen. Ein kleines Lokal ist in der ehemaligen Kraftzentrale, dem zweigeschossigen Comptoir, mit 150 Plätzen vorgesehen. Direkt am Wasser neben dem Kran ist mit einer großer Glasfront ein noch größeres Restaurant vorgesehen.

Sozialwohnungen sind hier nicht vorgesehen. Kling spricht von einer sozialer Mischung, die hier aber in der Schaffung hochwertiger Wohnungen besteht. „Ein Quartier für schnöselige Neureiche soll es aber auch nicht werden“, kündigt er an. Ein erstes Wohnhaus mit sieben Wohnungen neben dem Baubüro steht bereits. Kö 14 wurde vor zwei Wochen fertig. Vor dem Eingang steht ein türkisfarbener Porsche. Das Interesse sei groß gewesen.

Demnächst wird mit der Vermarktung begonnen

Kling rechnet mit Mieten von 10 bis 12 Euro pro Quadratmeter, zuzüglich Nebenkosten. In Köln oder Düsseldorf würden Lage und Ausstattung deutlich höhere Mieten bedeuten. Demnächst soll mit der Vermarktung begonnen werden. Alleine 30 Lofts mit Größen von 60 bis 180 Quadratmetern sind in dem Fabrikschloss vorgesehen. Der Name Schloss kommt nicht von ungefähr. Das Backsteingebäude ist im repräsentativen Stil der Tudorgotik gebaut, verfügt über einen Zinnenkranz und einen verschnörkelten Turm, der im Produktionsprozess als Wasserturm diente. Die Raumhöhen betragen mit Galerie-Geschoss bis zu 5,60 Meter. Alle Wohnungen sollen große Fenster und Balkon erhalten, verspricht Kling. Von der Tiefgarage erreichen die Mieter trockenen Fußes und dann über einen Aufzug ihre Wohnung.

Das markante Lagerhaus erhält Fenster. Daneben ist rechts ein Restaurant geplant und links Kranhäuser für Büros.
Das markante Lagerhaus erhält Fenster. Daneben ist rechts ein Restaurant geplant und links Kranhäuser für Büros. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Eine Tiefgarage so nahe am Fluss ist eine Herausforderung. Benötigt sie einen Schutz vor Auftrieb. „Alles ist möglich, wenn man rechtzeitig alle Vorkehrungen trifft“, sagt der Architekt, der mit einem Beispiel dann gleich in die Top-Liga des Bauens greift. „Man muss sich das hier so vorstellen wie in der Hamburger Elbphilharmonie. Das Gebäude wird komplett entkernt“, erklärt er. Im Sommer werde das Dach geöffnet und Segment für Segment frei geräumt und durch ein Stahlgerüst ersetzt, das dann wie ein Regal gefüllt wird.

Damit das Schloss in seiner ganzen Würde wirken kann, werden die benachbarten Betonsilos abgerissen. Kurzzeitig hatten die Planer überlegt, dort ein Hotel einzubauen, diese Idee dann aber doch wieder verworfen. Schon jetzt werden die ersten Hallen zurückgebaut. Das funktioniert nicht mit der Brechstange. So wird eine Stahlkonstruktion mit einer Grundfläche von 600 Quadratmetern sorgfältig demontiert und in Österreich wieder aufgebaut. Für Betongebäude gab es auch schon Interessierte. Da ist es aber schwieriger. Dafür kann der Beton aber auch direkt vor Ort wiederverwertet werden.

Holzhäuser mit Dachbegrünung

Für die zweite Reihe hat Kling noch etwas besonderes vor, wovon er allerdings noch den Investor überzeugen muss: Holzhäuser mit Dachbegrünung und Gemeinschaftsflächen in Modulbauweise.

Das zweigeschossige Gebäude ist die Kraftzentrale, das Comptoir. Hier soll ein Bistro mit 150 Plätzen eingerichtet werden.
Das zweigeschossige Gebäude ist die Kraftzentrale, das Comptoir. Hier soll ein Bistro mit 150 Plätzen eingerichtet werden. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Inzwischen ist die Mühle Geschichte. Auch als Speicher und Umschlagplatz wird das Areal kaum noch gebraucht. Im Frühjahr ist die Industriegeschichte endgültig passé. 2017 war mit der Weizenvermahlung Schluss, Mitte 2018 wurde auch die Roggenmühle stillgelegt, die seit der Jahrtausendwende im Mittelpunkt der Produktion stand.

2001 war noch eine Löschanlage mit einer Leistung von 100 Tonnen pro Stunden in Betrieb genommen worden, die von einem Mitarbeiter bedient werden konnte. Ursprünglich sollte die Mühle bereits 2017 stillgelegt und die Produktion aus wirtschaftlichen Gründen ins größere Schwesterwerk in Neuss verlagert werden. Beide Werke waren nicht ausgelastet. Dort beträgt die Tageskapazität 1000 Tonnen, in Homberg sind es lediglich 630.

Zuletzt hatte sich ein Mitarbeiter um die Annahme von zwei bis drei Lkw am Tag gekümmert. Die Marke Diamantmehl ist aus dem Handel vertraut. Ein Sack mit dieser Aufschrift hängt hinter Glas noch im Flur des Verwaltungsgebäudes. Daneben hängen zwei Zertifikate für die Internationale Mehlsack-Sammlung Hall of Fame. Einige Büros wirken, als wären die Mitarbeiter gerade in der Pause. Die Schränke sind noch voller Akten. Ein wehmütig stimmender Anblick.