Duisburg/Moers/Antakya. Erol Gülsen betreibt Apotheken in Moers und Duisburg. Er war im türkischen Erdbebengebiet im Einsatz. Dort hat er ein Nachbeben miterlebt.

Erol Gülsen weint. Immer wieder muss er Pausen machen, innehalten, während er von der Lage im Erdbebengebiet in der Türkei berichtet: Kinder, die Elternteile verloren haben, ganze Familien, die ausgelöscht wurden. „Ich werde Zeit brauchen, um das zu verarbeiten“, sagt er. Eine Woche war der Apotheker, der unter anderem Geschäfte in Moers und Duisburg betreibt, in der Türkei, um den Menschen vor Ort zu helfen (wir berichteten). Mittlerweile ist Gülsen wieder sicher in Deutschland angekommen. Während des Telefonats mit dieser Redaktion steht er jedoch noch mitten in den Trümmern der türkischen Stadt Antakya. Der Geruch von Verwesung liege in der Luft, Antakya wirke „wie eine Geisterstadt“, beschreibt der Apotheker am Telefon die Lage vor Ort. Die Stadt sei „zu 80 Prozent zerstört.“ Menschen frieren, für Kinder gebe es nicht einmal Socken zum Anziehen. Der Blick vieler sei „leer“.

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    Mitten in Antakya hat er mit einem Ärzteteam aus Orthopäden, Allgemeinmedizinern, Frauenärzten sowie Psychologen zwei Zelte aufgebaut, in denen sie Verwundete mit Schmerzmitteln, Salben und Antibiotika behandelt haben. Über 500 Menschen, auch aus den umliegenden Dörfern, wurden durch den Apotheker und die Mediziner betreut. „Das Team hat jeden Tag geweint“, berichtet Gülsen und ergänzt: „Ich habe mich oft gefragt, wie ein Mensch das hier überhaupt durchstehen kann.“

    Apotheker hat in der Türkei ein Nachbeben miterlebt

    „Kunden aus der Apotheke haben mir Süßigkeiten für die Kinder mitgegeben. Wenn ich die verteilen und den Kindern kurzzeitig ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte, das hat mich glücklich gemacht“, sagt Erol Gülsen.
    „Kunden aus der Apotheke haben mir Süßigkeiten für die Kinder mitgegeben. Wenn ich die verteilen und den Kindern kurzzeitig ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte, das hat mich glücklich gemacht“, sagt Erol Gülsen. © Erol Gülsen

    Seit Tagen schlafen die Menschen in den Erdbebengebieten draußen, bei minus zehn Grad. Zu gefährlich sei es in die Häuser zurückzukehren, die noch stehen. Die Einsturzgefahr ist weiterhin hoch. Auch Gülsen und das Medizinerteam haben in Zelten übernachtet. Es sei undicht gewesen. Vor Kälte habe er in der vergangenen Woche kaum Schlaf gefunden. Doch das seien „alles nur Luxusprobleme“, sagt er selbst. Schließlich könne er nun zu Hause „endlich duschen und in ein warmes Bett“, sagt er nachdem er nach Deutschland zurückgekehrt ist. Am vergangenen Dienstag, 21. Februar, habe er bereits die Rückreise antreten wollen. Doch durch ein Nachbeben der Stärke 6,4 sei noch mehr Infrastruktur zerstört worden, Straßen sind blockiert. Nur über Umwege sei das Durchkommen zum Flughafen nach Istanbul einen Tag später möglich gewesen.

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      Der Schock, ein solches Beben miterlebt zu haben, sitzt bei ihm tief. Aufgeregt beschreibt er auch zwei Tage danach noch die Situation. „Wir saßen am Lagerfeuer und auf einmal hat sich der Boden so bewegt, dass ich dachte er bricht auf. Alle sind in Panik ausgebrochen, haben geschrien, sind weggerannt“, beschreibt Gülsen die Situation. Es habe Stunden gedauert, bis sich bei ihm die Anspannung danach wieder gelegt habe.

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      Er sei einerseits froh die Rückreise angetreten zu haben, andererseits sagt er auch: „Man denkt immer, man muss doch noch mehr helfen können.“ Er wisse aber auch, dass Unterstützung nur bedingt möglich sei: „Wir haben hier nur erste Hilfe geleistet. Der Aufbau der Stadt, die eigentliche Arbeit, kommt erst jetzt.“ Neben der medizinischen Betreuung wollte er den Menschen auch Geld geben.

      Vor der Abfahrt: Der Apotheker Erol Gülsen hat Spenden gesammelt, die er und das Medizinerteam mit ins Erdbebengebiet in die Türkei genommen haben.
      Vor der Abfahrt: Der Apotheker Erol Gülsen hat Spenden gesammelt, die er und das Medizinerteam mit ins Erdbebengebiet in die Türkei genommen haben. © Erol Gülsen

      Doch darum ginge es ihnen vorrangig gar nicht. „Sie sagten immer, sie seien froh, dass wir da sind und zuhören. Ich glaube die psychologische Hilfe brauchen die Menschen gerade mehr“, meint der Apotheker. Momente der Freude habe es nur selten gegeben. An eine Situation erinnere er sich jedoch: „Kunden aus der Apotheke haben mir Süßigkeiten für die Kinder mitgegeben. Wenn ich die verteilen und den Kindern kurzzeitig ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte, das hat mich glücklich gemacht.“