Duisburg-West. Marten Dalimot und Mark Roberz porträtieren den Klassiker in den Beethovenstraßen auf ganz unterschiedliche Weise, aber auf hohem Niveau.
Musik ist Interpretation. So klingt eine Klaviersonate von Beethoven ganz anders, je nachdem, wer an den Tasten sitzt. Für die Kunst gilt das umso mehr. Marten Dalimot und Mark Roberz haben sich für ihre Ode an Ludwig beide am gleichen Porträt des Meisters orientiert. Es zeigt Beethoven mit wallender grauen Mähne, ein rotes Tuch locker um den weißen Kragen geschlungen. Ernst, ja finster blickt er, die Noten der Missa Solemnis in den Händen. Als Joseph Karl Stieler ihn 1819 porträtierte, war Beethoven nahezu taub und hatte noch acht Jahre zu leben.
Expressionismus trifft auf Popart
Auf dem einst schäbigen Pumpenhäuschen in Rumeln strahlt der Meister nun um einige Jahre verjüngt in makellosem Fotorealismus. Auf der Rheinhauser Kioskwand scheinen Andy Warhol und Franz Marc für Inspiration gesorgt haben, denn Popart, Expressionismus und Kubismus gehen hier eine fruchtbare Allianz ein. Welche Arbeit besser ist, bleibt Geschmackssache. Die Ausführung ist jeweils beeindruckend und begeistert. Beides sind echte Hingucker - also eine Ode der Freude.
Roberz und Dalimot sind beide renommierte Graffiti-Künstler, die schon seit Jahren bunte Akzente im
öffentlichen Raum setzen, zum Schmunzeln und Staunen einladen und damit ein Stück Lebensfreude in den trostlosen Corona-Alltag bringen. Inzwischen ist kein Trafo-, kein Pumpenhäuschen oder Stromkasten mehr vor ihren Spraydosen sicher - und das ganz legal und gegen Bezahlung. Schon vor ein paar Jahren hat Dalimot einen Vertrag mit den Stadtwerken geschlossen, der die Gestaltung von 50 Stromkästen im Jahr vorsieht. Noch bekannter wurde er mit seinen großen Arbeiten am Bienenhaus in Rumeln-Kaldenhausen und im Bahnhof in Friemersheim. „Neue Ideen braucht die Wand“, lautet die Devise von Roberz, der besser unter dem Namen Mr. Graffiti bekannt ist.
Das Straßenfest platzte
Eigentlich wollte man den 250. Geburtstag Beethovens, dessen Namen in der Stadt zwei Straßen tragen, im Mai mit einem großen Fest feiern. Für Rheinhausen hatte Ute Schramke, die die Kulturarbeit im Bezirk koordiniert, in kurzer Zeit ein Konzept entwickelt und auch die Finanzierung gesichert. Ein tolles Programm, von dem Bezirksbürgermeisterin Astrid Hanske noch heute schwärmt. Ferdi Seidelt mahnte dann, Rumeln-Kaldenhausen nicht zu vergessen und unter der Federführung des Runden Tisches wäre dort ein zweites Fest gefeiert worden, mit Rockmusik, die Beethoven inspiriert hat, von „Roll over Beethoven“ bis „Song of Joy“. Dann kam der Lockdown. Vielleicht lässt sich, wie in vielen anderen Städten, das Jubiläum nachholen, hoffen Schramke und Hanske.
Die Aufmerksamkeit ist groß - im Netz geht das viral
Die beiden Graffiti-Aufträge waren zwar aus der Not geboren, irgendetwas im Jubiläumsjahr zu tun, aber die Resultate sind so überzeugend, dass sie keinesfalls wie ein Ersatz wirken. „Sie sind dauerhaft“, freut sich Hanske. Schon während der Arbeit sorgten die Spray-Artisten für jede Menge Aufmerksamkeit und Gesprächsstoff.
„Wann hat man schon mal auf Facebook Likes im vierstelligen Bereich und einen dutzendfach geteilten
Post?“, wundert sich Seidelt und freut sich über die virale Verbreitung seines Posts. Die Arbeit in Rumeln hat Roberz schon vor einiger Zeit fertig gestellt und sie ist inzwischen ein beliebtes Fotomotiv.
Die markanten Augen
Dalimot erzählt von den markanten Augen Beethovens. Sie waren das erste, was er nach einer Grundreinigung und einer Grundierung auf das Mauerwerk malte. Er hatte den Kopf längst noch nicht fertig. Da kamen die Schüler und erkannten den klassischen Komponisten. Einer sagte, „das ist doch Mozart van Beethoven“, erinnert sich der 39-jährige Sprayer, der Kommunikationsdesign studierte und sich schon 2007 selbstständig gemacht hat. Eine Passantin sprach ihn auf den finsteren Blick an und seine expressionistische Farbwahl an. In einer Ecke hat er Hinweise auf Werke gegeben: zwei seiner bekanntesten Sinfonien, eine Klaviersonate und einen Ohrwurm. Er möchte, genauso wie auch Roberz, nicht so tun, als wäre er ein Kenner, hören sie doch beide eher Hip-Hop. „Aber seine Melodien kennt man, ohne den Titel nennen zu können. Er hat moderne Musik inspiriert“, erzählt er. Um die Ecke hat er ein Cello gemalt und nimmt auch bei der Darstellung des Bonner Geburtshauses die Cello-Form wieder auf.
Eine Entdeckung
„Typisch Dalimot“, kommentiert Bezirksmanager Jürgen Konkol und zeigt auf die geometrischen Formen. Der Künstler nickt. „Damit möchte ich für Dynamik sorgen, damit das Bild nicht statisch wirkt.“
Während Dalimot schon fünf Arbeiten in Rheinhausen angefertigt hat, ist Roberz noch eine Entdeckung. In der Branche ist er längst bekannt unter dem Künstlernamen Mr. Graffiti und kann seit Jahren von seiner Kunst leben. „Akquise habe ich nie betreiben müssen. Am Anfang habe ich Wände für Freunde gestaltet, das hat sich rumgesprochen“, erzählt er. Da hat er noch in der Versicherungsbranche gearbeitet. Der Vater wollte, dass er etwas Sicheres macht, aber auch Freunde hatten ihm davon abgeraten, es als freier Künstler zu versuchen.
Viele Tipps aus der Szene und vor allem Erfahrung macht klug
Viel, gern und gut gezeichnet hat er schon immer und in der Heinrich-Heine-Gesamtschule in Kunst meist die beste Note auf dem Zeugnis gehabt. Eine Kunstakademie hat er nie besucht. Er spielte mit dem Gedanken an ein Studium, bewarb sich in Krefeld, erhielt aber eine Absage und entschied sich dann, sich selbst das nötige Wissen anzueignen. „Gerade in der Szene kann man von anderen oder auf Youtube viele Tipps bekommen“, erzählt er.
„Neue Ideen braucht die Wand“
Vor allem macht auch Erfahrung klug. Inzwischen realisiert er je nach Größe vier Arbeiten in der Woche, übers Jahr kommen nach seiner Schätzung 220 Arbeiten zusammen. Corona habe ihm im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern nicht geschadet. Viele wollen sich ihre Wohnung schön machen und engagieren ihn.
Der Zufall will es, dass er mit seiner jungen Familie demnächst in die Straße zieht, die den Namen eines weiteren Komponisten der Wiener Klassik trägt. Ehrensache für ihn, dass er sich auch für Mozart eine Wandgestaltung einfallen lässt. Ein kleiner, noch unscheinbarer Kasten steht auch in der Nähe der Baugrube. Für Roberz ist das Werbung, aber auch ein Willkommensgeschenk für die Nachbarn.
>>>>>> Infos und Kontakt <<<<<<<<<<<<<
Beide Künstler haben an ihrer Beethoven-Darstellung drei Tage lang gearbeitet und dabei keinen Beamer zu Hilfe genommen. Marten Dalimot hat am Computer seinen Kopf entworfen und in Formen aufgelöst. Mark Roberz hat wie die alten Meister ein Netz von Rasterpunkten als Orientierungshilfe gesetzt.
Dalimot und Roberz machen nicht nur Kunst im öffentlichen Raum, sie geben auch Workshops – auch für Erwachsene in Unternehmen. Beide finden es wichtig, dass Jugendliche ausreichend viele Flächen haben, um legal zu sprayen. Kontakt und Info: www.mrgraffiti.de (Roberz) und www.graffiti-kuenstler-auftrag.de (Dalimot, Mindstates-Kreativagentur)