Duisburg-Homberg. Im Kolumbarium Rheinkirche in Duisburg-Homberg hat Peter Scheeren ein Familiengrab gekauft. Der 84-Jährige erzählt, wie sich das anfühlt.

Hier wird er also liegen. Wobei – kann man das eigentlich „liegen“ nennen, wenn einer seinen Platz nach dem Tod in einem Urnengrab haben wird, das 27 Zentimeter breit und 37 Zentimeter hoch ist? Peter Scheeren schiebt den Rollator zur Seite und legt seine Hand auf eine der dunklen Grabplatten. „Reserviert“ steht hier. „Das ist meins“, sagt er. Gleich daneben wird seine Frau Rosemarie sein, die beiden Kammern darunter sind für Tochter Monika und den Schwiegersohn vorgesehen. Das ist sie, die Familiengruft der Scheerens in der Homberger Rheinkirche, die seit April 2022 ein Kolumbarium ist.

Wie fühlt sich das an, wenn man sich sein eigenes Grab aussucht? Das ist ja schon etwas anderes, als ein Sofa oder Bett zu kaufen. Peter Scheeren zuckt mit den Schultern. Für ihn, der in diesem Jahr 85 wird, ist das eine ganz natürliche Sache, über die er auch ganz natürlich spricht. „Ich habe keine Angst vor dem Tod“, sagt er. „Warum auch? Der gehört doch zum Leben dazu.“ Angst hat er nur davor, dass er vor dem Sterben vielleicht leiden muss. Aber daran möchte er jetzt nicht denken.

Der Blick vom ehemaligen Altarraum des Kolumbariums Rheinkirche in Duisburg-Homberg auf die Urnenplätze, die neun Meter hoch in den Raum ragen.
Der Blick vom ehemaligen Altarraum des Kolumbariums Rheinkirche in Duisburg-Homberg auf die Urnenplätze, die neun Meter hoch in den Raum ragen. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Wir setzen uns auf das mit Filz ausgelegte Rondell in der Bestattungsnische, die er für sich und seine Liebsten ausgesucht hat. „Raum 7“, fast ganz vorne. Insgesamt acht solcher Rückzugsorte gibt es im ehemaligen Kirchenraum mit den neun Meter hohen Regalen aus Eichenholz, in denen die Urnenkammern platziert werden. Warum ausgerechnet hier? Bauchgefühl: „Ich fand das einfach schön.“

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Peter Scheeren schaut zwischen den Holzstäben hindurch zum ehemaligen Altarraum. Hier hat er in seinem Leben schon oft gestanden. Als Teenager mit zittrigen Knien, weil die Konfirmation für ihn wie eine schwierige Prüfung war. Als junger Mann mit klopfendem Herzen, weil er vor dem Altar im Mai 1961 seiner Frau Rosemarie den Ring an den Finger stecken durfte. Nur kurze Zeit später waren sie wieder hier, als Töchterchen Monika getauft wurde. An die Rheinkirche hat Peter Scheeren vor allem schöne Erinnerungen. „Ich war sehr traurig, als damals verkündet wurde, dass die Kirche verkauft wird.“

Kolumbarium in Duisburg-Homberg: „Ein würdevoller Ort“

Jetzt sitzt er wieder hier. Als Gast am eigenen Grab. Das kommt häufiger vor, denn Peter Scheeren wohnt direkt nebenan. Als die Kirche zum Kolumbarium umgebaut wurde, hat er die Bauarbeiten täglich verfolgt. „Ich war sehr skeptisch.“ Die Innenausstattung hat ihm anfangs überhaupt nicht gefallen. „Das sah aus, als ob die hier Schuhregale aufstellen.“ Aber dann formte sich mit dem Fortschritt der Sanierung Stück für Stück diese besondere Atmosphäre, die es ihm angetan hat. „Das ist ein wirklich würdevoller Ort.“

Seit April 2022 ist die ehemalige Rheinkirche in Duisburg Homberg ein Freies Kolumbarium. 3,5 Millionen Euro hat der Umbau gekostet.
Seit April 2022 ist die ehemalige Rheinkirche in Duisburg Homberg ein Freies Kolumbarium. 3,5 Millionen Euro hat der Umbau gekostet. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Kurz nach der Eröffnung des Kolumbariums im April 2022 hat der Homberger den Kaufvertrag unterschrieben – für vier Urnenplätze. „Meine Tochter möchte gerne bei uns liegen.“ Es fällt ihm nicht schwer, mit Blick auf sein Grab darüber zu sprechen, wie er sich die eigene Beerdigung vorstellt. „Ich bin einer, der gerne alles plant“, sagt er. Auch die Musik hat er schon ausgesucht, die zum Abschied für ihn gespielt werden soll. Dietrich Bonhoeffers „Von guten Mächten wunderbar geborgen.“

Als die Tante in Duisburg-Homberg nach Kriegsende eine Gans auftischte

Nein, lebensmüde ist er nicht. Der 84-Jährige lacht. Den Tod zu planen und das Leben so gut es geht zu genießen, das geht bei ihm Hand in Hand. Allerdings sind mit dem Alter die Momente häufiger geworden, in denen er auf seine Geschichte zurückblickt. Das tun wir auch jetzt. Der Homberger erzählt vom Vater, der Seemann war. Und von der Zeit in Österreich, wo er mit seinen Eltern während des Krieges war. Als Peter Scheeren sechs Jahre alt war, kamen sie zurück ins Haus der Großeltern an der Wilhelmstraße. Noch heute sieht er die Gans vor sich, die die Tante damals zur Feier der Ankunft organisiert hatte. Eine unglaubliche Kostbarkeit in Zeiten wie diesen. „Sowas vergisst man nicht!“

Die Sache mit dem Süßwarenladen auf der Wilhelmstraße in Duisburg-Homberg

Das Licht bahnt sich seinen Weg durch die bunten Kirchenfenster, während es im Urnenraum 7 um ein Leben mit Höhen und Tiefen geht. Wir sprechen an diesem sonnigen Morgen lieber über die guten Momente. Über das Bauingenieurs-Studium auf dem zweiten Bildungsweg zum Beispiel. Über die Arbeit im Tiefbauamt der Stadt Moers und über das tolle Verhältnis zu den beiden Enkelsöhnen. Aber vor allem reden wir über Rosemarie, das Mädchen, das in den 50er Jahren aus Danzig in den Süßwarenladen ihres Onkels auf der Wilhelmstraße kam und vermutlich damals nicht ahnte, dass sie Homberg nicht mehr verlassen würde.

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62 Jahre ist sie mit dem Nachbarsjungen Peter jetzt verheiratet. „Die beste Entscheidung meines Lebens“, sagt dieser heute. Und man spürt, dass er das auch genauso meint. Diese Liebe, so scheint es, steht auf einem starken Fundament. So fest verwurzelt, dass sie auch jetzt nicht wackelt, wo das Alter es nicht gut mit seiner Frau meint. Peter Scheeren pflegt die Liebe seines Lebens zuhause. Gleich nach unserem Gespräch wird er wieder zu ihr gehen. „Sie wartet doch auf mich.“ Trotz des kurzen Weges schafft Rosemarie es nicht mehr bis in die Rheinkirche. Aber irgendwann, da werden sie beide wieder hier sein. In Reihe 12 und 13, auf Augenhöhe, ganz dicht beieinander.

>>> DAS FREIE KOLUMBARIUM RHEINKIRCHE IN DUISBURG:

  • Für einen symbolischen Euro hat der Architekt Andreas Knapp die marode Rheinkirche im Jahr 2018 gekauft. Mit seiner Düsseldorfer „Häuserwachküssgesellschaft Küss den Frosch“ hat er die Kirche für 3,5 Millionen Euro zum „Kolumbarium Rheinkirche“ umgebaut.
  • Eröffnung war im April 2022. Unter dem sanierten Dach der denkmalgeschützten Kirche ist Platz für insgesamt 6000 Urnen.
  • Wer sich zu Lebzeiten für einen Urnenplatz entscheidet, kann ihn kostenlos bis zum Tod reservieren. Das Freie Kolumbarium Rheinkirche kann unkompliziert besichtigt werden – auch ohne Anmeldung.
  • Das Haus an der Rheinstraße 16 in 47198 Duisburg-Homberg ist täglich (außer montags) von 11 bis 16 Uhr geöffnet. Mehr Information unter www.kolumbarium-rheinkirche.de, Tel. 02066/46 90 179.