Duisburg. Rolf Karling vom Verein „Bürger für Bürger“ hat die Integrationsarbeit am Bergheimer „Problemhaus“ in Eigenregie angepackt und sieht erste Erfolge. Jetzt fordert er, dass auch die Stadt Duisburg ihren Teil beiträgt. Er befürchtet, dies könnte die letzte Chance sein, die Probleme zu beseitigen.

Wirklich angenehm ist es immer noch nicht, die Keller des Hochhauses „In den Peschen 3-5“ zu betreten, ein stechender Uringeruch zieht durch Eingänge und Treppenhaus. Man kann sich gut vorstellen, dass Polizisten mit der Begründung „Da holt man sich ja die Krätze“ die Bitte, herein zu kommen, erst einmal abgelehnt hatten. Gerufen hatte sie Rolf Karling, der süffisant anmerkt: „Wenigstens liegen hier keine Kothaufen mehr.“ Der Sozial-Aktivist vom Verein „Bürger für Bürger“ ist zur Zeit mit Bewohnern des „Problemhauses“, mehrheitlich rumänische Roma, dabei, die Keller zu entrümpeln.

Und dabei findet man dann auch einmal mehrere Keller, inklusive Flur, voll mit teildemontierten Motorrollern. Immerhin: Als die Beamten vom Diebstahldezernat, gesichert von ein paar „Hundertschaft-Kleiderschränken“, sich dann doch in den vermüllten Keller getraut hatten, stellten sie fest, dass keiner der Roller, die sie vorfanden, als gestohlen gemeldet war. Übrigens ist Rolf Karling überzeugt, dass der meiste Müll nicht von den jetzigen Bewohnern stammt, sondern „aus zehn Jahren Sozialamts-Belegung mit ungeordneten Hausmeister-Verhältnissen“.

Sprachbarriere macht Kommunikation schwierig

Hintergrund der Räumungsaktion ist ein Kellerbrand im März. Nicht durch Brandstiftung, so die offizielle Version, die Karling nicht ganz glauben mag: „Gegen vier Uhr nachts brennt da also von alleine ein durch ein Außenfenster zugänglicher Keller, nicht weit von den Gasleitungen. Wenn das schief gelaufen wäre, hätte es mit Sicherheit Tote gegeben!“

Das Duisburger Haus von außen. Foto: Emig
Das Duisburger Haus von außen. Foto: Emig

Und weil die mit Sperrmüll zugestellten Keller Löschversuche zum Scheitern verurteilt hätten, versucht Karling jetzt, die Bewohner zum Räumen zu bewegen. Was nicht leicht ist, wenn man nur mit den wenigsten in ein paar Brocken Deutsch oder Englisch überhaupt kommunizieren kann, und eine vom Zwangsprostituierten-Hilfsverein Solwodi vermittelte Dolmetscherin ehrenamtlich aushilft, „wenn sie gerade mal Zeit hat“, was eher selten der Fall ist.

Erste Erfolge zu verzeichnen

Die Folge: Ein ziemliches Chaos, wenn Karling den Hausbewohnern zum Beispiel klar machen muss, dass der Sperrmüllcontainer, den die Wirtschaftsbetriebe Anfang der Woche vors Haus gestellt haben, nicht mit dem Inhalt der überfüllten Hausmüll-Container zugekippt werden soll. Ein kräftiger Mittdreißiger, laut Karling „so etwas wie der Hausmeister“, der seinen Namen nicht nennen will und auch sonst nicht sonderlich gesprächig ist, lässt sich schließlich auf Englisch bewegen, seine Landsleute am Müllcontainer zurück zu halten.

Der Keller des Problemhauses in den Peschen. Foto: Emig
Der Keller des Problemhauses in den Peschen. Foto: Emig

Seit sechs Wochen ist Karling mit ein paar Helfern aus dem „Bürger für Bürger“-Umfeld regelmäßig am Hochhaus zu finden, organisiert, packt an, versucht Dinge anzustoßen. Und hat mit seiner hemdsärmeligen Art offenbar trotz Sprachbarriere einen Zugang zu den Hausbewohnern gefunden. Dass der Hof - inklusive Feuerwehrzufahrt - nicht mehr mit abgemeldeten Autos zugeparkt ist, dass der Müll auf dem Grundstück langsam weniger wird, sind erste kleine Erfolge. Einen offiziellen Auftrag hat er nicht, „ein Freund“ im Rathaus, sagt er, habe ihn darum gebeten: „Der hat mitgekriegt, dass ich einen Draht zum Hausbesitzer (Rotlichtgröße Branko B., d.Red.) habe, und hat gesagt: Vielleicht kannst Du da ja was machen.“

Karling will Deutsch-Kurse für Ältere anbieten 

Und er machte was - nicht ohne erst einmal zu provozieren, wie man es vom als „Ketchup-Attentäter“ auf den damaligen OB Adolf Sauerland überregional bekannt bis berüchtigt gewordenen Karling gewohnt ist: „Mit meiner Ankündigung, die Kinder hier in behelfsmäßig eingerichteten Klassenräumen selber zu beschulen, (wir berichteten) wollte ich ein paar Leute aus der Reserve locken“, räumt er ein. „Und das hat ja auch geklappt. Die Stadt hat sofort und ganz offiziell klar gestellt, dass das ihre hoheitliche Aufgabe ist. Dann sollen sie mal los legen - wir haben hier über 100 schulpflichtige Kinder und Jugendliche im Haus.“

An den Eltern, ist er sicher, würde eine Beschulung nicht scheitern: „Die hatten selber schon keine Chance, etwas aus ihrem Leben zu machen - in Rumänien noch weniger als hier. Die wollen nichts mehr, als dass wenigstens ihre Kinder hier eine Schule besuchen, die Sprache lernen und eine Chance auf ein bürgerliches Leben haben.“

Unterstützung vom Integrationsverein ZOF

Statt Schulunterricht würde Karling in den ehemaligen Hausverwaltungsbüros, die er mit Helfern zurecht gemacht und eingerichtet hat, gern Deutschkurse für Ältere anbieten. „Aber mir fehlen die Lehrer.“ Oder Werkprojekte für die 15- bis 20-Jährigen. „Die hängen den ganzen Tag rum, schnüffeln Klebstoff - die einzige Droge, die sie sich leisten können - und kriegen früher oder später Angebote, auf eine Art an Geld zu kommen, für die man keine Sprachkenntnisse oder behördliche Erlaubnis braucht.“

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Dass Kriminalität unter den Bewohnern des Hauses ein Thema ist, bestreitet Karling nicht, immerhin spricht die Polizeistatistik eine eindeutige Sprache. „Und so lange die Leute, die gewisse ,Geschäfte’ machen, die einzigen mit Geld sind, hat das einen ganz üblen Vorbildcharakter für diese Gemeinschaft.“

Ganz allein steht Karling nicht. Auch der Hochfelder Integrationsverein „ZOF“ ist mit Beratern vor Ort, die Tipps zu Alltags- und Behörden-Problemen geben. Der Verein hat mittlerweile auch das Bürogebäude offiziell angemietet, das der Hausbesitzer Karling zur Verfügung gestellt hatte und in dem jetzt zwei Räume mit altem Schulmobiliar zu Unterrichtsräumen, ein weiterer zu einem Andachtsraum für die teilweise tiefgläubigen, mehrheitlich katholischen Roma umgestaltet ist. „Da könnte man einiges machen, zum Beispiel eine Kinderbetreuung, wenn der Andachtsraum nicht gebraucht wird. Mit-Betreuerinnen gäbe es unter den Hausbewohnerinnen. Aber auch die Leute von ZOF haben bis jetzt keine Zusage, ob und wie da etwas finanziert wird.“

Nur diese eine Chance?

Denn „die Leute von ZOF machen zwar hervorragende Arbeit“, so Karling, „das sind Profis. Aber das heißt auch, dass die davon leben. Die brauchen Geld, sonst läuft hier nichts.“ Und ihm selber als ehrenamtlichem Einzelkämpfer „geht so langsam die Luft aus. Und wenn ich hier aufgeben würde, nachdem ich gerade Vertrauen zu den Leuten im Haus aufgebaut habe - ich weiß nicht, ob das noch mal klappen würde, oder ob die sich dann an ganz andere ,Helfer’ halten.“

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Zum Schluss des Rundgangs klinkt sich ein Nachbar ins Gespräch, hat einiges an den Zuständen zu kritisieren, räumt aber ein: „Ich bin nicht mehr ganz so geladen wie noch vor ein paar Monaten.“ Und wenn die Zustände sich wieder in eine andere Richtung entwickeln würden? Er schweigt.