Duisburg-Rheinhausen. . Der frühere Redaktionsleiter Rainer Zimmermann erinnert sich an die Highlights im Kampf um das Krupp-Werk und eine aufregende journalistische Arbeit.
„Wir haben ein halbes Jahr voll Stoff gegeben.“ Auf diesen Punkt bringt Rainer Zimmermann die Arbeit der Rheinhauser NRZ/WAZ-Redaktion während der heißen Phase des Arbeitskampfes um den Erhalt des Krupp-Werkes vor 25 Jahren. Der heute 64-Jährige sieht sich Bilder aus dem Fotoarchiv an, zieht immer wieder besondere Aufnahmen heraus: die Stahlkocher um wärmende Feuerstellen stehend; der Betriebsratsvorsitzende Manfred Bruckschen inmitten von Menschentrauben, hochrangige Politiker, Spitzenfunktionäre der Gewerkschaften, die Frauen und die Einzelhändler von Rheinhausen. „Letztendlich hat es alles nichts gebracht, für das Werk nicht und auch für Rheinhausen nicht“, stellt der frühere Leiter der Gemeinschaftsredaktion mit Bedauern fest. Journalistisch sei der Arbeitskampf jedoch für ihn und die Kollegen Martin Ziecke, Martin Plüm und den Fotografen Klaus Vogel ein „großes Erlebnis“ gewesen, „wenngleich wir zeitweise auf den Zahnfleisch angekommen waren. Denn Urlaub haben wir in der Zeit nicht genommen.“
Dass sich nichts Gutes anbahnt, zeichnete sich schon im Sommer 1987 ab. „Damals wurde ein Sanierungskonzept beschlossen und unterzeichnet, nach dem in den kommenden sechs Jahren 3000 Stellen abgebaut werden sollten. Die Chefs sagten noch ,Die Rheinhauser Hütte ist gerettet’“, erinnert sich Rainer Zimmermann und fügt hinzu: „Es wurde betont, dass niemand seinen Arbeitsplatz verlieren sollte. Die Belegschaft sollte aufgeteilt werden auf die Standorte Bochum, Duisburg-Hamborn und die Hütte Krupp Mannesmann im Duisburger Süden. Die meisten Beschäftigten sollten zu HKM. Ein schlechtes Gefühl verursachte die Tatsache, dass die Kokerei in einem ganz schlimmen Zustand war, nicht saniert wurde und Krupp deshalb schon einen Bußgeldbescheid bekommen hatte.“
Krupp-ArbeitskampfAllmählich brodelte es unter dem Deckel. Erste Gerüchte kamen ab Oktober auf. Der frühere Redaktionsleiter: „Wir hatten einen super Kontakt zum Betriebsrat. Am Abend vor der Tagung des Wirtschaftsausschusses wurden wir informiert, dass der Laden dicht gemacht wird und Arbeitsniederlegungen beabsichtigt sind. Wir überlegten in der Redaktion, sollen wir einsteigen oder nicht, entschieden uns aber, bis zum nächsten Tag zu warten. Um 9 Uhr begann am 26. November die Sitzung, um 9.15 Uhr wusste die Redaktion endgültig Bescheid.“
Die Ereignisse überschlugen sich in Rheinhausen und auch in der Redaktion. „Martin Plüm und ich waren ständig vor Ort. Martin Ziecke hielt die Fäden in der Redaktion zusammen, beantwortete täglich nicht selten bis zu 16 Anfragen der nationalen und internationalen Presse.“ Die Nachrichtenlage änderte sich ständig, das Layout stand abends selten so wie es im Laufe des Tages geplant war. Auch Texte waren mitunter noch nicht fertig, als der Kurier in der Redaktion stand, um Berichte und Spiegel, seinerzeit noch auf Papier produziert, zum Druckhaus nach Essen zu bringen. Rainer Zimmermann: „Uns wurde damals gestattet, bei Bedarf ein Taxi hinterher zu schicken. Auch wurden uns zwei Volontäre als Verstärkung zur Seite gestellt.“
Im Betriebsratsbüro gepennt
Für den Redaktionsschluss galt: Ende offen. „Oft genug kam es vor, dass ich um 21 Uhr zu Hause war und um 23 Uhr kam ein Anruf, dass vor Ort eine Aktion lief“, erzählt der frühere Redaktionsleiter und verrät: „Zwei Nächte habe ich sogar im Betriebsratsbüro gepennt. Damals war ganz deutlich zu spüren, dass der Betriebsrat und auch die Belegschaft unsicher waren, wie es mit dem Arbeitskampf weitergehen soll.“ Noch zu gut erinnert sich Rainer Zimmermann an jene Situation, die die Stahlkocher schließlich mobilisierte: „Es war die sehr emotionale Rede von Helmut Laakmann, als Stahlwerksmeister eigentlich der Arbeitgeberseite zugehörig. Allein das Zitat ,Auge um Auge, Zahn um Zahn’. Damals lief es allen, auch mir, eiskalt den Rücken hoch und runter.“ Wie überhaupt mancher über sich selbst hinaus wuchs. Rainer Zimmermann denkt da speziell an Klaus Nölgen: „Er hat die technische Seite betreut, damit das Werk hoch- oder runtergefahren werden konnte. Denn von den Führungskräften wurde niemand mehr ins Werk gelassen.“
Noch heute sind bei Rainer Zimmermann besondere Highlights des Arbeitskampfes präsent, als würden sie gerade passieren: die Fackelzüge, die 60 Kilometer lange Menschenkette von Dortmund nach Rheinhausen und eine lustige Begebenheit: „Eines Tages hielten zwei Lkw, beladen mit Brot und Zucker, vor dem Werk. Sie kamen aus Bayern. Die Menschen dachten, dass Rheinhausen hungert.“
Rainer Zimmermann und Martin Ziecke wurden für ihren journalistischen Einsatz mit dem Karl-Brunner-Preis, später Dietrich-Oppenberg-Preis, ausgezeichnet.