Duisburg. Uwe Seyler sah kein Tempo-30-Schild. Konnte er auch nicht, weil da, wo er fuhr, keins stand. Geblitzt wurde er trotzdem – und ein Gericht meint, dass er, wie möglicherweise viele andere auch, zahlen muss.
Die Düsseldorfer Straße in Rumeln-Kaldenhausen, viele Autofahrer aus dem Duisburger Westen werden sie kennen. Steht hier doch häufig die Polizei mit der Radaranlage. Und blitzt sämtliche Kraftfahrer, die mehr als 30 Stundenkilometer auf dem Tacho haben. Sie blitzte dort offenbar zu Unrecht, wie die Geschichte von Uwe Seyler zeigt.
„Am 19. Mai 2011 bin ich dort von der Polizei mit 44 Stundenkilometern geblitzt worden“, sagt der in Moers lebende Rentner. Er sei aus der Einmündung Böschhof auf die Düsseldorfer Straße gefahren, wenig später sei dann das teure Foto entstanden. Ein Schild, dass dort Tempo 30 gilt, war nirgendwo zu sehen. Was auch unmöglich ist, es gab nämlich gar kein Schild. Ergo: Es gilt dann Tempo 50, denn nicht nur nach dem Rechtsverständnis von Herrn Seyler muss nach jeder Einmündung ein neues Tempo-Hinweisschild stehen. Das war nicht der Fall, sämtliche Bußgelder wurden demnach zu Unrecht verhängt.
Bußgeldbescheid unwirksam?
Seyler wehrte sich, ging vor Gericht und schrieb auch der Stadt. Ergebnis 1: Sein Fall wurde nach Aktenlage abgewiesen. Die bis zu dem Zeitpunkt angefallenen Kosten von 80 Euro hat Uwe Seyler zu übernehmen. Ergebnis 2: Die Stadt hat ihren Fehler eingesehen und hinter der Einmündung ein weiteres 30-Schild aufgestellt. Das hat sie dem 71-Jährigen am 13. Juli 2012, also mehr als ein Jahr später, auch mitgeteilt.
Die Sache klingt eindeutig, was sagen Juristen dazu? Für den Rheinhauser Rechtsanwalt Jürgen Malberg ist der Fall klar: „Dieser Bußgeldbescheid ist unwirksam. Ein Verkehrsschild ist, rechtlich gesehen, ein Verwaltungsakt, als Allgemeinverfügung, und wie jeder andere Verwaltungsakt muss er für diejenigen, die sich daran halten sollen, klar erkennbar sein.“ Da sei die Rechtsprechung eindeutig. „Meistens geht es bei Streitfällen um Schilder, die im Sommer unter Gestrüpp nicht sichtbar sind. Selbst da wird grundsätzlich zugunsten des Autofahrers entschieden – bei einem Schild, das nachgewiesenermaßen auf seiner Fahrstrecke gar nicht da war, gilt das um so mehr.“
Allerdings hat Malberg auch eine Vorstellung, wie das Urteil zustande gekommen sein könnte: „Viele Bürger, die sich vor Gericht selbst vertreten, gehen da sehr naiv ran. Sie erscheinen zum Termin, sagen aus, wie es sich aus ihrer Sicht zugetragen hat, und sind dann perplex, dass der Richter trotzdem nach Aktenlage entscheidet. Das Problem ist, dass in so einem Fall erst mal ein ordnungsgemäßer Beweisantrag gestellt werden muss, damit die nach Ansicht des Angeklagten von der Anklage abweichenden Tatsachen überhaupt berücksichtigt werden.“
Stadt verweigert Presseauskunft
Die Akten zu dem Fall sind laut Amtsgericht Duisburg inzwischen wieder bei der Staatsanwaltschaft und bei der Stadt Duisburg, der zuständigen Bußgeldbehörde, gelandet. Wie geht es jetzt weiter? Klar ist: Uwe Seyler will sein Geld zurück. Und er möchte andere fotografierte Autofahrer auf die Situation rund um den Böschhof und die Düsseldorfer Straße hinweisen. „Die Polizei stand an dieser Stelle sehr oft, sie hat mit Sicherheit weitere Bürger zu Unrecht geblitzt.“
Die Stadt Duisburg hat sich übrigens nicht zu der Sache äußern wollen. Einzige Aussage: Seyler habe den Prozess verloren, Auskunft könne er bekommen, wenn er sich mit einem Anwalt beim zuständigen Amt melden würde. Vielleicht tun das ja jetzt auch etliche andere, die via falschem Foto als Verkehrsrowdys abgestempelt wurden?