Duisburg-Hochheide. Beim Freiwilligen Sozialen Jahr und beim Bundesfreiwilligendienst will der Staat Millionen Euro einsparen. So scharf ist die Kritik aus Duisburg.
Sie bringen Senioren im Rollstuhl zur Fußpflege oder zum Friseur, helfen dementen alten Menschen, die richtige Kleidung aus dem Schrank zu holen oder fahren immobile Männer und Frauen mit einer Rickscha durchs Quartier und geben ihnen so Lebensqualität. „Die jungen Leute, die ihr freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei uns machen oder sich im Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) engagieren, entlasten die Hauptamtlichen Mitarbeitenden enorm“, sagt der Leiter des multikulturellen DRK-Seniorenzentrums „Haus am Sandberg“ in Hochheide, Ralf Krause.
Aber genau in diesem Bereich will der Staat jetzt 113 Millionen Euro einsparen. „Das kann niemand mehr verstehen.“ Die Arbeit im sozialen Bereich helfe nicht nur den Einrichtungen, sondern sie diene ihnen selbst auch als Orientierung bei der beruflichen Zukunft. „Viele bekommen Spaß an der Arbeit und ergreifen tatsächlich einen sozialen Beruf.“ Denn sie entlasten die hauptamtlichen Kräfte, die dann zum Beispiel mehr Zeit für die geforderten und zeitaufwendigen Dokumentationen haben.
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Von den 1000 Stellen, die das „DRK Nordrhein – die Agentur für gute Taten“ – hat, sind zurzeit ohnehin nur 800 besetzt. „Es kommen schon jetzt in der Pflege und sozialen Betreuung weniger Helfer an“, sagt Krause. Wenn der Bund die Gelder in den nächsten Jahren tatsächlich so drastisch zusammenstreichen würde, sei das für alle Seiten eine Katastrophe. Zwei Bufdis und vier FSJler hat das DRK-Haus am Sandberg eigentlich immer, erklärt der Leiter. Es sei eine Riesenchance für die Männer und Frauen, in die soziale Arbeitswelt hineinzuschnuppern.
FSJ und Bundesfreiwilligendienst in Duisburg: Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund
Gerade in die multikulturelle Einrichtung zieht es auch viele junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. „Mit ganz unterschiedlichem Hintergrund kommen sie zu uns. Manche haben einen Realschulabschluss, andere das Abitur oder auch gar keinen Schulabschluss. Andere werden uns von Gerichten zugewiesen, weil sie irgendwelche Verfehlungen begangen haben und Arbeitsstunden ableisten müssen. In jedem Fall ist es immer eine wichtige Erfahrung, hier mit Menschen umzugehen.“
Das stärke ihre soziale Kompetenz und bringe in dem immer bedeutenderen Bereich auch sehr oft neue Arbeitskräfte. „Wir werden auf jeden Fall „alle Hebel in Bewegung setzen, damit die Zahl der FSJler und Bufdis in unserem Haus so bleibt.“
Dass die Bundesregierung tatsächlich in dem Bereich den Rotstift ansetzen will, bedauern auch die Johanniter. „Die Freiwilligendienste sind für viele junge Menschen eine Chance. Die Erfahrungen während eines Freiwilligendienstes ebnen oftmals den Weg in einen sozialen Beruf oder für ein ehrenamtliches Engagement“, betont Pressesprecherin Regina Doerr. In den Johanniter-Kliniken und Seniorenhäusern sind bundesweit rund 70 junge Menschen in dem Bereich tätig, auch in Duisburg. Auch hier hofft man, dass die geplanten Kürzungen nicht durchgesetzt werden.
Weniger Geld für den Freiwilligendienst: Auch stellen im Naturschutz betroffen
Dabei sah die Situation zunächst anders aus. Als die Ampel neu in Berlin startete, war vom Ausbau der Plätze in den Freiwilligendiensten die Rede. Jetzt sollen die Mittel drastisch gekürzt werden. Das bedeute einen Rückgang um rund ein Drittel, hat die Diakonie Deutschland ausgerechnet. Es betrifft natürlich nicht nur den sozialen Bereich, sondern auch Stellen im Naturschutz und auf anderen Gebieten.
In diesem Jahr sollen die Mittel im Bundesfreiwilligendienst von 207 Millionen Euro im kommenden Jahr auf 154 Millionen Euro gekürzt werden und 2025 weiter auf gut 134 Millionen Euro. Beim Jugendfreiwilligendienst soll es von zurzeit 120 Millionen Euro auf 80 Euro runtergehen. Das soll das freiwillige soziale und ökologische Jahr für junge Männer und Frauen in In- und Ausland betreffen.
>>> FREIWILLIGENDIENST IN NORDRHEIN WESTFALEN
- Die Freiwilligendienste kann man in Nordrhein-Westfalen in verschiedenen Bereichen leisten. Je nachdem, für welches Gebiet man sich interessiert. Es gilt für Erwachsene bis zum Alter von 27 Jahren. Schwerpunkte sind Soziales, Gesundheit, Kinder- und Jugendhilfe, Denkmalpflege, Kultur, Sport oder Politik.
- Das ökologische Jahr kann man im Natur- und Umweltschutz ableisten, auch im Klimaschutz kann man sich engagieren.
- Das Freiwilligenprogramm „weltwärts“, das es seit 2007 gibt, vermittelt jedes Jahr tausende Jugendliche an soziale Projekte in Entwicklungsländern. Das Angebot reicht von Betreuungsaufgaben in Kinderheimen über die Teilnahme an Menschenrechtsprojekten bis hin zu Umweltschutzprojekten.