Duisburg-Rheinhausen. Die Alevitische Gemeinde in Rheinhausen ist vergangene Woche Opfer eines Angriffs geworden. Welche Konsequenzen die Aleviten nun ziehen.

Der Schock hielt nur kurz. Nach dem Angriff auf die Alevitische Gemeinde Duisburg an der Friedrich-Alfred-Straße in Rheinhausen, bei dem Unbekannte in der Nacht zu Donnerstag Tür und Briefkasten des Gemeindezentrums mit feindlichen Symbolen in roter Farbe beschmiert haben (wir berichteten), ist die Stimmung wenige Tage später „sehr gut“, wie Zeki Cakir, einer von zwei Gemeindevorsitzenden, im Gespräch mit der Redaktion erklärt. Nicht nur die Nachricht über den Angriff hat hohe Wellen geschlagen. In den Tagen danach schwappte auch eine Welle der Solidarität über die Gemeinde.

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„Wir haben unfassbar viel Besuch bekommen“ sagt Cakir. Noch am selben Abend waren unter anderem Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link und der Duisburger Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär Mahmut Özdemir vor Ort. „Und es wurden immer mehr“, sagt Cakir. Andere Politiker, Vereine, weitere Alevitische Gemeinden aus ganz Deutschland, der Dachverband mit mehr als 100 Gemeinden unter sich: Sie alle kamen, um ihre Solidarität zu bekunden.

Rheinhausens Bezirksbürgermeisterin: „Erschüttert, empört und unsagbar wütend“

Rheinhausens Bezirksbürgermeisterin Elisabeth Liß lag im Krankenhaus, als es zu dem Vorfall kam. „Ich habe das erst an Heiligabend mitbekommen.“ Sie findet klare Worte für die Tat: „Ich war erschüttert, empört und unsagbar wütend, dass so etwas passieren kann.“ Die Bezirksbürgermeisterin sei fassungslos, dass es Menschen gebe, die keinen Respekt vor anderen Religionen und den Gefühlen anderer Menschen haben. „Dafür muss ich mich bei der Gemeinde entschuldigen“, betont sie.

Sie hofft, dass die Polizei die Täter erwischt und dass diese „ordentlich bestraft“ werden. „Rheinhausen ist ein Stadtteil, in dem es viele verschiedene Religionen gibt und wo gepflegt miteinander umgegangen wird.“

Angriff auf Aleviten in Duisburg: Große Solidarität

Zeichen der Hoffnung für die Aleviten. „Die Solidarität steht an erster Stelle“, betont der Vorsitzende. „Wir müssen ja weiter zusammenleben, das soll hier nicht wie in Frankreich enden.“ Dort ist es vergangene Woche zu gewaltsamen Auseinandersetzungen auf einer Demonstration gekommen, nachdem drei Menschen bei einem Anschlag auf ein kurdisches Gemeindezentrum getötet wurden. Die rote Farbe in Rheinhausen erinnert an den Pogrom von Maraş in der Türkei gegen die alevitische Glaubensgemeinschaft in der Provinz Maras im Dezember 1978. Damals sind mehr als 100 Menschen Opfer der Angreifer geworden.

Auch die Türkische Gemeinde Rheinhausen hat nach dem Vorfall den Weg ins Rheinhauser Gemeindezentrum gefunden, um ihr Mitgefühl auszudrücken. „Das türkische Konsulat in Düsseldorf war mittlerweile auch vor Ort.“

Mit roter Farbe haben unbekannte ein rotes Kreuz an die Tür der Alevitischen Gemeinde in Rheinhausen geschmiert. Mittlerweile ermittelt der Staatsschutz der Polizei Duisburg. Hat die Tat einen politischen Hintergrund?
Mit roter Farbe haben unbekannte ein rotes Kreuz an die Tür der Alevitischen Gemeinde in Rheinhausen geschmiert. Mittlerweile ermittelt der Staatsschutz der Polizei Duisburg. Hat die Tat einen politischen Hintergrund? © d.tenore

Warum es zu dem Angriff kam, darüber kann die Gemeinde nur mutmaßen. Noch am selben Tag hat sie Anzeige erstattet, kurz danach übernahm auch der Staatsschutz der Polizei Duisburg die Ermittlungen. Cakir vermutete einen Zusammenhang mit den in wenigen Monaten stattfindenden Wahlen in der Türkei. „Dieser politische Stress zieht sich bis nach Deutschland“, erklärt er. „Und er wird jeden Tag größer.“

Wahlen in der Türkei: Alevitische Gemeinde in Duisburg besorgt

Die Werte, welche die Aleviten vertreten, passen nicht zur Ideologie des türkischen Regierungschefs Erdogan. „Das ist kein Geheimnis“, sagt der Vorsitzende. „Wir glauben an Freiheit, Demokratie, Gleichberechtigung und Menschenrechte. Der Glaube steht an zweiter Stelle.“ Und weiter: „Die Nationalität oder Glaubensrichtung ist da egal, wir sehen immer den Menschen.“ Diese Einstellung mache die Aleviten zu Erdogans Zielscheibe. Die Gemeinde mache sich deshalb „große Sorgen“.

Das rote Kreuz, das die Unbekannten an die Eingangstüre geschmiert haben, sei vergleichbar mit einem Hitler-Zeichen. „Deswegen haben wir auch unsere Anwälte eingeschaltet“, sagt Cakir. „Wir werden verlangen, dass wir mindestens bis zur Wahl unter Schutz gestellt werden.“ Auch für die Installation von Kameras am Gebäude hat sich der Vorstand auf einer kurzfristig angesetzten Sitzung ausgesprochen, Firmen wurden bereits für erste Angebote kontaktiert. Lobende Worte finde Cakir auch für die Polizei. „Die haben an dem Abend alles gemacht, um uns zu helfen“, sagt er. „Wahrscheinlich sind wir deswegen auch so ruhig geblieben und haben keine Angst.“

>>> ZEUGEN KÖNNEN SICH BEI DER POLIZEI DUISBURG MELDEN

  • Die Alevitische Gemeinde Duisburg hat den Vorfall in Rheinhausen zur Anzeige gebracht. Da ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann, ermittelt mittlerweile der Staatsschutz der Polizei Duisburg.
  • Wer etwas beobachtet hat und Hinweise geben kann, kann sich telefonisch unter 0203/2800 bei der Polizei Duisburg melden.