Duisburg-Baerl. CDU deckt Ungereimtheiten zur geplanten Deponie Lohmannsheide in Baerl auf. Sie fragt sich: Was will die SPD? Lenkt die Stadt Duisburg ab?
Die von der RAG-Tochter DAH1 beantragte Deponie auf der Halde Lohmannsheide beschäftigt die Lokalpolitiker auch nach dem Verstreichen der Einwendungsfrist für Deponiegegner zum Jahresende 2020 weiter. Während die Bezirksregierung Düsseldorf die Unterlagen sichtet, geht es politisch hoch her im kleinen Baerl. Dabei sind sich vor allem die örtliche SPD und die CDU bei diesem Thema alles andere als grün. Nachdem die Sozialdemokraten für den 14. April erneut eine digitale Bürgerversammlung angekündigt haben, bei der auch Fachleute der Unteren Landschaftsbehörde für Antworten zur Verfügung stehen sollen, stellen die Christdemokraten öffentlich eine ganz andere Frage - nämlich die nach der Haltung der SPD zur Deponie.
Einsicht in 13 Aktenordner zur Halde Lohmannsheide
Bei ihren Recherchen sind der Baerler CDU-Vorsitzende Gregor Weinand und der Fraktionsvorsitzende Klaus Radny auf Ungereimtheiten gestoßen. Auslöser war eine Aussage von Hans Gerd Bosch, SPD-Fraktionsvorsitzender, im Gespräch mit dieser Zeitung. „Wir haben uns schon immer gegen eine Deponie ausgesprochen und dagegen kämpfen wir auch jetzt“, hatte Bosch kurz vor der Sitzung der Bezirksvertretung am 11. März gesagt. „Das irritiert mich doch nun wirklich sehr“, sagt Gregor Weinand, der in der Niederschrift der Sitzung des Umweltausschusses vom 27.6.2012 etwas ganz anderes gefunden hat. Damals, so Weinand, hätten sich sowohl Hans Gerd Bosch als auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Mahmut Özdemir ganz klar für eine Deponie ausgesprochen.
Gregor Weinand und Klaus Radny ackern sich aktuell durch die Archive. Zuletzt hatten sie im ehemaligen Landesoberbergamt in Dortmund Einsicht in 13 Aktenordner, in denen neben dem Betriebsplan auch sämtlicher Schriftverkehr zur Halde Lohmannsheide archiviert ist. Nach der Sichtung des ganzen Materials sind nicht nur neue Erkenntnisse, sondern auch weitere Fragen aufgetaucht. Eine davon ist diese: „Warum hat die SPD ausgerechnet jetzt den bergrechtlichen Abschluss der Halde beantragt?“ Darüber wundert sich die CDU, die der Meinung ist, dass man damit dem Deponie-Antragsteller den Weg ebnet. „Ich habe mir den Betriebsplan der Halde aus dem Jahr 1981 angeschaut“, sagt Weinand. „Der sieht ganz klar vor, dass hier nur Bergematerial gelagert werden darf.“ So lange die Halde also weiter unter der Bergaufsicht stünde, so lange dürfte gar kein Deponiematerial dort aufgeschüttet werden. „Etwas Besseres kann uns doch aktuell gar nicht passieren.“
Und noch etwas verwundert die Christdemokraten. Am 29. Januar habe es eine Besprechung zwischen dem Regierungspräsidenten von Arnsberg, dem Umweltministerium NRW und der Stadt Duisburg gegeben. Dabei sei klargestellt worden, dass die Bearbeitung des Abschlussbetriebsplanes, den die RAG 1997 vorgelegt hatte, so lange ausgesetzt werden müsse, bis eine Folgenutzung der Halde feststeht. „Die SPD wusste, dass ein bergrechtlicher Abschluss momentan gar nicht möglich ist, und trotzdem beantragt sie diesen. Was ist denn das für ein Schaulaufen?“, kommentiert Weinand den SPD-Antrag aus der jüngsten BV-Sitzung.
Kritisch muss der Baerler CDU-Vorsitzende allerdings auch das Verhalten der eigenen Partei hinterfragen. Denn diese hatte 2012 selber den bergrechtlichen Abschluss der Halde gefordert. Kurioserweise wurde das damals von der SPD abgelehnt. Hans Gerd Bosch hatte das Veto der SPD vor fast einem Jahrzehnt laut Protokoll damit begründet, dass eine Entlassung aus dem Bergrecht doch sowieso erst dann möglich sei, wenn eine Folgenutzung feststehe.
Klaus Radny: „Tickende Zeitbombe“ im Untergrund der Halde Lohmannsheide
Die politischen Entscheidungen rund um die Halde Lohmannsheide sind nicht nur wegen der bergrechtlichen Hintergründe eine hochkomplizierte Angelegenheit. Eine gewichtige Rolle spielt hier vor allem der Untergrund, die ehemalige Kiesgrube, die für den CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus Radny eine „tickende Zeitbombe“ ist. Radny wird nicht müde, vor den Gefahren zu warnen, die dort im Untergrund schlummern könnten.
Dass die im Zweiten Weltkrieg zerbombte riesige Kraftstoffgewinnungsanlage aus Moers-Meerbeck hier neben vielen anderen Giftstoffen entsorgt wurde, konnte zwar nie bewiesen werden, aber belegt ist, dass die regelmäßigen Proben der Entwässerungsgenossenschaft Lineg seit Jahren erhöhte Werte der als krebserregend eingestuften Polycyclischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) aufweisen. Die Lineg, so Radny, pumpe das Wasser rund um die Halde ab, um das Trinkwassergebiet Binsheimer Feld zu schützen. Mit Genehmigung der Bezirksregierung werde dieses Wasser ungefiltert und unverdünnt in den Rhein eingeleitet. „Was passiert denn, wenn der Druck von oben durch eine Deponie so groß wird, dass noch viel mehr Schadstoffe aus dem Untergrund der Halde freigesetzt werden?“, fragt Radny. „Wer übernimmt die politische Verantwortung, wenn in Zukunft massiv verseuchtes Wasser in den Rhein fließt?“
Die Baerler CDU fragt sich: Hat die Stadt ihre Stellungnahme zur Deponie an der Politik vorbei manövriert?
„In der Haut der Stadt Duisburg möchte ich da nicht stecken“, sagt der CDU-Mann. Denn verantwortlich für den belasteten Untergrund, aus dem auch schon jetzt die erhöhten PAK-Werte stammen, sei die Stadt als Grundstückseigentümerin und Genehmigungsbehörde für die damalige Verfüllung des Baggersees. Um unangenehme Fragen in den politischen Gremien zu dieser Situation zu vermeiden, das vermutet die CDU, habe die Stadt ihre Stellungnahme zum Antrag der DAH1 erst mit Verspätung abgegeben. „Während die Stadt Moers in der Lage war, ihre Stellungnahme bis zum 31. Dezember einzureichen, hat Duisburg Fristverlängerung bis zum 15. Januar beantragt“, berichtet Gregor Weinand.
Übermäßigen Aufwand sieht die CDU nicht als Ursache für diese Fristverlängerung. Die von der SPD und dem Naturschutzbund BUND jüngst hochgelobte Stellungnahme, in der sich die Stadt auf 21 Seiten gegen eine Deponie ausspricht, bezeichnet die CDU als enttäuschend. „Wir haben sehr viele Formulierungen und Textbausteine entdeckt, die uns aus den Akten in Dortmund bekannt vorkamen“, sagt der Baerler CDU-Vorsitzende. Er vermutet hinter der Fristverlängerung die Absicht, dass die Stadt unter dem Vorwand des Zeitdrucks ihre Stellungnahme an der Politik vorbei manövrieren wollte. Radny: „Das hätte eigentlich dem Rat und der BV vorgelegt werden müssen.“ Das sei die Stadt Duisburg auf diesem Wege umgangen, um sich nicht den Fragen zu ihrer eigenen Verantwortung für den belasteten Untergrund der Halde zu stellen.