Duisburg-Homberg. Das Schiffer-Berufskolleg Rhein freut sich über einen neuen Flachwasserfahrsimulator. Mahmut Özdemir hat die erste Testfahrt gemeistert.
„Und jetzt ganz langsam“, sagt Klaus Paulus zu Mahmut Özdemir. Der SPD-Bundestagsabgeordnete für den Duisburger Norden und Nordwesten guckt konzentriert nach vorne. Gleich erreicht er mit seinem Schiff die Schleuse in Meiderich. Präzision ist gefragt, um das Binnenschiff in die schmale Einfahrt zu steuern. Langsam fährt das Schleusentor hoch, Özdemir lenkt das Schiff wie ein Profi. Die Jungfernfahrt der „Sandra II“ am Freitagnachmittag ist ein voller Erfolg.
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Sandra II ist kein richtiges Schiff. Und trotzdem soll sie zukünftig dabei helfen, Schüler bei der Ausbildung zu unterstützen, für Abschlussprüfungen zur Verfügung zu stehen und als Trainingsobjekt für Reedereien zu dienen. Sandra steht für „Simulator for Advanced Navigation Duisburg - Research and Application“, also „Simulator für fortgeschrittene Navigation Duisburg – Forschung und Anwendung“.
Neuer Simulator in Duisburg: 1,6 Millionen Euro vom Bund
Im Schiffer-Berufskolleg Rhein in Homberg ersetzt der Simulator seinen Vorgänger „Sandra“. Die Gesamtkosten von 1,6 Millionen Euro zahlte der Bund. „Wir haben mit dem Schiffer-Berufskolleg in Duisburg ein Juwel und etwas europaweit Einzigartiges“, freut sich Özdemir, der aktiv im Haushalts- und Verkehrsausschuss des Bundes für das Projekt geworben hat. Ehrensache, dass er bei der ersten Testfahrt selber ans Steuer darf.
Wer den abgedunkelten Raum im Berufskolleg betritt, könnte im ersten Moment wirklich denken, auf einem Schiff zu stehen. Die abgerundete Wand des Raumes dient als Projektionsfläche, der Rhein in Duisburg – realistisch in 3D nachgebaut – präsentiert sich. Davor die Brücke, an dem zukünftig Schüler Platz nehmen können, um das Schiff durch die Gewässer zu steuern. Zahlreiche Anzeigen gibt es hier, Knöpfe, Hebel und Bildschirme reihen sich aneinander. Eine Maßanfertigung. „Es gibt keine Simulatoren, die man von der Stange kaufen kann“, erklärt Schulleiter Klaus Paulus. „Wir haben mit diesem Projekt einen sehr hohen Anforderungskatalog gestellt.“
Zusammen mit seinen Kollegen Dr. Ralf Häring (Bereichsleiter für Hafenlogistik) und Udo Joosten (Bereichsleiter Binnenschifffahrt) sowie mit Experten des Entwicklungszentrums für Schiffstechnik und Transportsysteme (DST) hat er zahlreiche Stunden in die Entwicklung von Sandra II investiert. Realisiert wurde der Simulator von der finnischen Firma Wärtsilä, die sich auf den Bau von Schiffsmotoren und Simulatoren spezialisiert hat. „Sie haben damit das erste Mal einen Simulator für Binnenschifffahrt gebaut“, erklärt Paulus.
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Und dieser Simulator kann einiges. Jede noch so kleine Wahrscheinlichkeit kann per Knopfdruck simuliert werden. Plötzlich einsetzender Regen oder Schnee, starker Wind, Tag und Nacht. „Die Binnenschifffahrt orientiert sich an der Umgebung“, sagt Paulus. Wichtig also, dass die Projektionen detailgetreu und realistisch sind. Das Sonnenlicht tänzelt auf dem Wasser, Regentropfen tropfen die imaginäre Fensterscheibe herunter.
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Und auch die Schiffarten und die Orte können je nach Bedarf ausgetauscht werden. Ob es nun der Rhein bei Duisburg ist, oder der Hamburger Hafen. „Auch Störungen am Schiff können einprogrammiert werden“, erklärt Udo Joosten. Eine Maschine kann also per Knopfdruck ausfallen, ein Ruder blockieren. Besonders für den Unterricht bietet die Vielfalt des Simulators Chancen: „Wir können das Programm nach den Bedürfnissen der Schüler einstellen“, erklärt Paulus. Unerfahrene können so eine simple Schifffahrt realitätsnah erleben, Fortgeschrittene lernen, mit besonderen Herausforderungen umzugehen.
Noch ist Sandra II nicht fertig, Corona hat den Baufortschritt verzögert. Voraussichtlich im Frühjahr 2021 kann der Simulator eingeweiht werden. „Bis dahin ist noch eine Menge zu tun“, so Paulus.
Prüfungen auf dem Schiff: Neue Richtlinie ab 2022
- Eine europäische Richtlinie schreibt ab 2022 zwingend praktische Prüfungen auf einem Schiff oder an einem Simulator auch für Schiffsführerinnen und Schiffsführer vor. Hierzu wird der Simulator dann in besonderer Weise geeignet sein und eine wichtige Rolle spielen.
- Gleich drei unabhängig und parallel arbeitenden Prüfungskommissionen soll die neue Anlage die zeitgleiche Prüfung von angehenden Schiffsführern ermöglichen.
- Weitere Informationen zum Schiffer-Berufskolleg Rhein in Duisburg gibt es hier.