Duisburg-Rheinhausen. Die BI „Lebenswertes Bergheim“ fordert die unmittelbare Umsetzung der Beschlüsse. Jägerstraße und Flutweg sollen für Lkw gesperrt werden.
Viele sind gekommen. Junge und Alte, Kinder, Familien, Paare, Einzelkämpfer und mitgebrachte Hunde. Und so wurde es an diesem Abend für das Foto richtig voll vor der Bergheimer Mühle. Sieht aus, als könnte der neue Vorstoß der ehemaligen Interessengemeinschaft Jägerstraße erfolgreich werden.
Kaum hatte Jan Hündorf alle Anwohner begrüßt, sprudelte der Ärger aus ihnen heraus: der Krach, der Gestank und die Gefahr durch die Lkw, die zwischen Logport und Autobahn über ihre Straßen brettern. „Ständig wird es dunkel in der Wohnung, immer wenn ein Lkw vorbeifährt“, schildert ein Paar. „Das macht einen nervlich fertig.“ „Auch nachts“, kommt es von weiter hinten. „Bilder wackeln an den Wänden.“ „Bei uns vibriert das Haus“, ruft ein kleiner Junge empört. Mit Gymnasiallehrer Hündorf als Sprecher hat man sich im Viertel frisch aufgestellt. Nun fordert die Initiative „Lebenswertes Bergheim“ ein sofortiges Fahrverbot für Lkw auf der Jägerstraße und dem Flutweg. So wie es die Bezirksvertretung längst beschlossen hat.
Der Lärm hat Industrieniveau
Seit 2010 drängen die Bergheimer auf ein Verbot. Die Situation sei unzumutbar. Zumal sich im Umkreis Schulen und das Jugendzentrum Tempel befinden. Hündorf spricht von Lärm von früh bis spät. Er kündigt rechtliche Schritte an, wenn die Forderungen nicht umgesetzt würden. Die Verkehrsbelastung habe „in unerträglichem Maße“ zugenommen.
Szenenwechsel. Eine Wohnküche an der Jägerstraße. Schön hier, eigentlich: Der Toeppersee ist nah, jede Menge Grün, eine gute Gegend. Viele Anwohner haben Besitz, einige seit Generationen. So erzählt auch Jan Hündorf, dass er sich gut erinnern kann, wie er als Kind von seinem Elternhaus aus immer zu Fuß zum See gelaufen ist.
Um 4.30 Uhr morgens geht’s los
Dies wäre heute kaum noch möglich. Keine 50 Zentimeter, und das zeigen Fotos, beträgt an manchen Stellen der Abstand zwischen den Häusern und dem vorbeidonnernden Schwerlastverkehr. Hündorf: „Um 4.30 Uhr geht es los. Und die Lärmbelastung beträgt 70, 80 Dezibel, also Industrieniveau. Aber hier ist Wohnbebauung.“ Wie zum Beweis kracht ein Laster mit rumänischem Kennzeichen vorbei, als Warnung hupt er ohrenbetäubend. 60 Stundenkilometer fährt er sicher, vielleicht mehr.
In jedem Fall zu schnell für die in jede Richtung einspurige Jägerstraße. Es verkehrt ein Linienbus. Am Rand befindet sich ein Radweg. Manchen Lkw-Fahrern dient er als Ausweichfläche, erleben Anwohner, ebenso der Bürgersteig, den einige deshalb nicht mehr nutzen möchten. Die Sicht ist schlecht, Überholen unmöglich. Schon das Verlassen der Parkplätze zwischen den Häusern gestaltet sich als Abenteuer.
Drei Generationen am Tisch
Den Bergheimern langt es. Drei Generationen sitzen am Tisch. Da ist Werner Bartels. Als Gründungsmitglied der IG Jägerstraße kämpft er seit 2010 gegen Lkw, die ihre Routen über die Wohnstraßen abkürzen. Da sind Annette und Frank Behrmann, Anwohner seit 2000. An offene Fenster ist nicht zu denken, im Sommer sind sie froh, dass sie zumindest den hinteren Teil ihrer Wohnung benutzen können. Annette Behrmann erzählt vom Gestank der Abgase. Und von Schlafstörungen, die der Lärm bei ihr verursacht hat.
Risse in den Mauern
Und da ist Hündorf, der heute wieder im eigenen Haus lebt. Er deutet auf Risse in den Mauern, immer wieder schrammten Lkw gegen das Dach. „Wir in Bergheim sind geduldig“, sagt er. „Aber jetzt ist es genug.“ Bis zu 150 Anwohner weiß er auf seiner Seite. Tendenz steigend.
Handyfotos und -videos zeigen gefährliche Situationen. Ein Lkw auf dem Radweg. Dicke Laster, die in voller Fahrt an geparkten Wagen vorbei auf die andere Fahrspur ziehen. Vor allem Senioren und Kinder könnten die Jägerstraße nicht gefahrlos überqueren. Hündorf nennt sie „Risikogruppen“. Er macht aber auch deutlich: „Es geht nicht um die Gewerbetreibenden vor Ort. Es geht um den internationalen Schwerlastverkehr.“
24 Lkw pro Stunde
410 Lkw am Tag, in Stoßzeiten 24 pro Stunde, alle 2,5 Minuten einer, dokumentierte eine Verkehrszählung 2014. Da dauerte der Kampf der IG Jägerstraße bereits Jahre. Bartels hat alles schriftlich. Schon 2010 sei die Jägerstraße im Rahmen der Lärmkartierung zur Umsetzung der EU-Richtlinien auffällig gewesen. Für die IG auch ein Resultat des Lkw-Verbots auf der eigentlich als Entlastung geplanten Friedrich-Ebert-Straße. Im selben Jahr forderte die Bezirksvertretung Maßnahmen wie eine Sperrung und Tempo 30. Vergeblich. 2012 sollten diese im Zuge des Lärmaktionsplans kommen. Seither habe man das Problem zwischen Politik und Verwaltung hin- und hergeschoben. Passiert sei dabei - nichts.
Nun soll es wieder eine Verkehrszählung geben. Bartels, Behrmann und Hündorf fragen sich, wieso. Im Januar 2020 hätte die Bezirksvertretung die Sperrung der Jägerstraße und des Flutwegs für Lkw endlich beschlossen. Und nun wieder Stillstand. Bartels: „Ich verstehe nicht, warum das Aufstellen von zwei Verbotsschildern so schwierig ist. Das kann nicht teuer sein.“
Appell an den Oberbürgermeister
Die Initiative macht Druck: Die Sperrung soll als politischer Beschluss sofort umgesetzt, der Lkw-Fernverkehr über den Autobahnzubringer in Krefeld-Gartenstadt umgeleitet werden. Und die Verlängerung der Osttangente muss kommen. Ein Appell geht an den Oberbürgermeister. 2017 habe er versprochen, sich um die Probleme in Bergheim zu kümmern. Hündorf: .„Wir fordern klare Zusagen. Sören Link soll sich positionieren. Zehn Jahre sind genug, um baurechtlich tätig zu werden.“
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Andere Städte wie Krefeld hätten ihre Innenstädte schon lang für Lkw gesperrt. Hündorf denkt an Protestaktionen. Er wirkt nicht so, als würde er locker lassen. „Wer kämpft, kann verlieren“, nennt er sein Credo. „Wer nicht kämpft, hat bereits verloren.“
Unterstützer sind willkommen. Kontakt zur Initiative: 0157 34470142, E-Mail: lebenswertesbergheim@gmail.com