Duisburg-Homberg. Jörg Löhning streitet seit Jahren mit der Stadt Duisburg über den Zustand des Fußgängertunnels an der Augustastraße. Jetzt soll er kaufen.
Jörg Löhning ist im Zusammenhang mit der Passage an der Augustastraße nur noch schwer aus der Fassung zu bringen. Seit Jahren dokumentiert er den Zustand des verschmutzten Durchgangs, in dem sich der Eingang seines Hauses befindet. Ewig bereits streitet er mit der Stadt als Eigentümerin über die Notwendigkeit einer Sanierung. Und jetzt das. Bei der letzten Sitzung der Bezirksvertretung Homberg/Ruhrort/Baerl stand sein Fall auf der Tagesordnung. Mit folgendem Ergebnis: Löhning wird vorgeschlagen, dass er der Stadt das verhasste Bauwerk abkauft, sei es für einen symbolischen Betrag - und sich selbst darum kümmert. Löhning fehlten zunächst die Worte. „Wenn ich das richtig verstehe“, sagt er dann, „soll ich jetzt übernehmen, wozu die Stadt keine Lust hat. Das heißt doch nichts anderes, als: Gucken Sie, wie Sie klarkommen.“
Die Abwärtsspirale in einem ehemals schönen Viertel
Anfang des Jahres hatte sich Löhning mit seinem Problem an diese Zeitung gewandt. Seit den 90er Jahren befindet sich das Haus Augustastraße 11 im Besitz seiner Familie. Die Mutter ist heute 87 und lebt immer noch dort. Löhning ist inzwischen weggezogen und beobachtet mit Beklemmung das, was er als „Abwärtsspirale“ eines ehemals schönen Viertels bezeichnet.
Im Mittelpunkt seiner Besorgnis liegt die Passage zwischen Augusta- und Parallelstraße. Der 25-Meter-Tunnel ist alt, kaum beleuchtet und Graffiti beschmiert. Ein idealer Ort für alle, die unbeobachtet bleiben wollen. Die Tür zu seinem Haus liegt in der Mitte. Immer wenn Löhning in Homberg ist, fotografiert er Urinpfützen, Kot, Erbrochenes, Müll und andere Dinge, um den Zustand zu dokumentieren. Dazu kommt ein zumindest fragwürdiges Publikum. Neujahr haben Unbekannte mit einem Böller den Briefkasten seines Hauses gesprengt.
Wohnungen sind nicht zu vermieten
Mittlerweile ist es schwer, die Wohnungen zu vermieten, berichtete er. Anlass für zig Appelle an die Stadt und Oberbürgermeister. Löhning bittet um eine gründliche Reinigung. Er bittet um helle Farbe an der Decke und den Wänden des Tunnels und um eine „vernünftige Beleuchtung“, fünf bis sechs LED-Lampen a 20 Watt, insgesamt 120 Watt, die am besten 24 Stunden brennen. Seit 2017 fordert er eine Videoüberwachung, um unliebsame Gäste fernzuhalten. Seine Mieter haben hier schon Drogengeschäfte beobachtet. Diese Forderung hatte er zuletzt in einem Bürgerantrag formuliert.
Nun also stand seine Angelegenheit corona-bedingt verzögert auf der politischen Tagesordnung. Und Löhning wird Folgendes mitgeteilt: Natürlich sei die Zerstörung der Briefkästen „verwerflich und gefährlich“. Solche Fälle gebe es aber immer wieder. Eine Kameraüberwachung sei aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich, hierfür seien die gesetzliche Vorgaben nicht erfüllt. In puncto Sauberkeit würden Straße und Tunnel werktäglich morgens gereinigt, auch gegen die Geruchsbelästigung sei man vorgegangen. Aber all dies würde schnell durch neue Verschmutzungen wirkungslos. Weitergehende Maßnahmen seien „städtischerseits jedoch nicht leistbar“.
Wie wäre es denn mit einem Tor?
So habe man folgenden Lösungsvorschlag erarbeitet. Die Passage sei aus verkehrsrechtlichen Gründen nicht von „essenzieller Bedeutung“. Eine Schließung sei jedoch nicht möglich - wegen Löhnings Wohnhaus. Aus diesem Grund will die Stadt die städtische Fläche der Passage nun an ihn veräußern. Denn: „So wäre es Ihnen möglich, über die Flächen zu verfügen und durch Anpassungen die Passierbarkeit beispielsweise über ein Tor einzuschränken.“ Die Politik hielt das für eine gute Idee. „Super-clever“, nannte es etwa CDU-Fraktionschef Klaus Radny. So könne ein Schiedsmann modellhaft einen Streitfall lösen. Er forderte aber, einen äußerst geringen, mit anderen Worten symbolischen Preis festzusetzen, um das Ergebnis nicht zu gefährden. Bezirksmanager Markus Dorok dämpfte aber schon den Optimismus. „Ein Preis von nur einem Euro wird es mit Sicherheit nicht, obwohl die Stadt ein Interesse hat, dieses Problem zu regeln.“
Kein Interesse an einem Kauf
Löhning will die Passage nicht, natürlich nicht: „Was soll ich auch damit anfangen?“ Wenn er den Tunnel instand setzen und von beiden Seiten durch Tore oder Türen verschließen ließe, bewegten sich die Kosten hierfür locker im hohen fünfstelligen Bereich - auch die Briefkastenanlage müsste in den Außenbereich. Dazu käme eine Grundreinigung des nach Urin stinkenden Pflasters, das sich ja dann im Innern befände. „Da hängt“, mutmaßt Löhning, „ein Rattenschwanz Maßnahmen dran.“
Bis auf Besuche von ein, zwei Fachbereichen sei außer diesem Beschluss nichts passiert, schildert Löhning. Zwar habe jemand vor einem halben Jahr die Leitungen für die Tunnel-Beleuchtung überprüft und sich einiges aufgeschrieben, sei dann aber unverrichteter Dinge verschwunden und nie wieder aufgetaucht.
Keine Möglichkeit, sich zu äußern
Dass seine Angelegenheit beraten wird, habe man ihm mitgeteilt - eine Einladung zur Sitzung habe er jedoch nicht erhalten. „Ich hätte mich gern dazu geäußert.“
Hier gibt es mehr Artikel aus dem Duisburger Westen„Mehrere hundert Stunden Zeitaufwand, hunderte E-Mails und ich bin keinen Schritt weiter“, fasst er zusammen. „Man reibt sich auf für nichts. Das ist mehr als frustrierend.“ Eigentlich sollte das Wohnhaus die Altersversorgung seiner Mutter sein. „Im Prinzip ruiniert die Stadt Duisburg meine Eltern.“