Homberg. Grafschafter Diakonie holt das Thema aus der Tabuzone und schult Mitarbeiter. Holger Feige und Thomas Winnig sind Fachberater für Deeskalation.
Gerade im Umgang mit alten und psychisch kranken Menschen stehen Pflegekräfte täglich vor großen Herausforderungen: Konflikte sind da vorprogrammiert. Damit diese nicht eskalieren, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Die Grafschafter Diakonie hat mit Holger Feige und Thomas Winnig nun zwei Experten in ihren Reihen, die sich zu Fachberatern für Deeskalation haben weiterbilden lassen. Sie können ihre Kollegen nun in dem sensiblen Thema schulen.
Gewalt mit Worten
Thomas Winnig arbeitet als examinierter Altenpfleger im Diakoniezentrum Homberg, Holger Feige ist Abteilungsleiter in einer Wohneinrichtung für psychisch kranke Menschen. Sie erklären, warum Deeskalation in ihrem Arbeitsalltag wichtig ist: „Prekäre Situationen geschehen immer wieder, aber Gewalt in der Pflege ist immer noch ein Tabuthema“, stellt Winnig fest. „Es kommt vor, dass Kollegen Gewalt ausgesetzt sind oder unbewusst selbst welche ausüben, verbaler Art beispielsweise. Man muss ihnen aber klarmachen, dass das nicht normal ist und ihnen Lösungen aufzeigen.“
Qualifizierung in 100 Seminarstunden
Reizpunkte für Konflikte gebe es viele. Wichtig sei jedoch, vorher zu reagieren, damit diese erst gar nicht auftreten. In rund 100 Seminarstunden haben Winnig und Feige im vergangenen Jahr gelernt, Konflikte zu erkennen und sie zu vermeiden. Dieses Wissen können sie nun an nach dem Schneeballprinzip ihre Kollegen weitergeben.
„Wir wollen verschiedene Handlungsoptionen aufzeigen und auch Gewalt durch Mitarbeiter vorbeugen“, sagt Winnig. „Gewalt kann es bereits sein, wenn man jemanden falsch anfasst oder nicht das Richtige sagt. Ein ‘Aber’ an der falschen Stelle kann viel bewirken“, warnt er.
„Nein heißt nein, auch in solchen Fällen“
„Wir müssen mehr auf der Gefühlsebene kommunizieren um eine gegenseitige Wertschätzung zu erreichen. Und die Person vor uns als Menschen sehen, nicht als Patienten. Wir müssen seine Bedürfnisse erkennen, dann ist es auch egal, wenn er dement ist“, sagt Winnig. „Wenn jemand mal einen Tag nicht gewaschen werden möchte, müssen wir das akzeptieren und dürfen ihn nicht zwingen. Nein heißt nein, auch in solchen Fällen“, so der Altenpfleger. „Es kommt auch auf die Haltung an, wie man einem Menschen begegnet. Nehme ich ihn und seine Bedürfnisse ernst, nimmt er mich auch ernst“, fügt Feige hinzu.
Konflikte werden nicht ganz zu vermeiden sein.
In den kommenden Monaten werden er und Winnig ihre Kollegen zum Thema Deeskalation schulen. Feige hat bereits so eine Einheit hinter sich. „Da gab es viele theoretische Inputs und konkrete Fallbeispiele, wie man das Risiko von Konflikten minimieren kann. Es ist jedoch ein Trugschluss zu glauben, dass man sie ganz vermeiden kann. Das machen wir den Teilnehmern bewusst“, sagt er.
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Immer wieder wollen die beiden Experten ansprechbar sein, auch ganz flexibel an eine Einsatzstelle zurückkehren, wenn Probleme auftreten. Auch ihre Arbeitgeber wollen zu einer besseren Atmosphäre beitragen, etwa, indem sie räumliche Abgrenzungen schaffen oder Pflegekräfte und Patienten, die sich weniger gut vertragen, nicht mehr aufeinander treffen zu lassen.