Duisburg-West. Eigentlich sollte es eine harmlose Graffiti-Aktion mit Sprühkreide werden. Dann fand sich ein Umweltaktivist aus Homberg vor Gericht wieder.

Damit hatten die Umweltschützer im Duisburger Westen nicht gerechnet: Eigentlich sollte es eine harmlose Graffiti-Aktion werden, mit der sie auf das Braunkohlekraftwerk des Chemiekonzerns Venator aufmerksam machen wollten, umsichtig ausgeführt mit Sprühkreide.

Am Montag jedoch fand sich der Homberger Jürgen Hagenguth, 67, Mitglied in Friedensforum, Attac, Intakt, dem Bündnis Aufstehen und der Bürgerinitiative Hornitexter, vor dem Ruhrorter Amtsgericht wieder. Sachbeschädigung lautete der Vorwurf, der unter – sagen wir: nicht ganz alltäglichen Umständen verhandelt wurde.

Transparente und Demonstranten vor Gerichtsgebäude in Duisburg

Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich derart viele Sympathisanten versammelt, dass einige draußen bleiben mussten, weil sie nicht mehr in den proppevollen Gerichtssaal hinein passten. Am Ende stand ein Freispruch, die mitgebrachten Transparente wurden unter großem Applaus wieder zusammengerollt. „Was für ein Riesenaufruhr“, konstatierte Hagenguths Anwalt Marvin Hegermann nach der Verhandlung.

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Es ging um einen Sonntag im August vergangenen Jahres. An diesem Sommertag sprühten Rheinhauser und Homberger Klimaaktivisten an insgesamt neun Stellen die knappen Worte „Braunkohle bei Venator zukunftsfähig? Seit langem zu wenig getan für Umwelt- und Arbeitsplatzsicherheit“ auf den Asphalt rund um das Homberger Chemieunternehmen.

Das Firmengelände von Venator wurde bewusst gemieden

Man habe bewusst nicht auf dem Firmengelände gesprüht, betont Norbert Bömer von der Bürgerinitiative Saubere Luft, „sondern im öffentlichen Raum. Die Einfahrt wurde gemieden, ebenso Zufahrten und die Hauptverwaltung.“

Um Ärger zu vermeiden, habe man sich außerdem für abwaschbare Sprühkreide entschieden. „Wir haben großen Wert darauf gelegt, nichts zu beschädigen“, versicherte Jürgen Hagenguth bereits vor der Verhandlung.

Und trotzdem: Sachbeschädigung lautete der Vorwurf – 1200 Euro hatte die Staatsanwaltschaft gefordert. Laut Umweltschutzgruppen ein Unding. Kurze Zeit nach dem Auftragen seien die Sprüche vom Werkschutz bereits wieder vollständig entfernt worden. „Wieso dann diese Reaktion in Form einer Strafanzeige?“, fragen Bömer und Hagenguth. Und: „Welche Möglichkeit hat man als Bürger dann überhaupt noch, öffentlich Protest zu äußern?“

Graffiti am Bordstein ausprobiert

Der Hochfelder Rechtsanwalt Marvin Hegermann gibt ihnen in der Sache recht. Wasserfarbe und Sprühkreide klammere das Gesetz aus, eben weil dadurch kein dauerhafter Schaden entstehe. „Und Herr Hagenguth hat sich ja vorher Gedanken gemacht. Er hat sogar an einem Bordstein ausprobiert, ob die Farbe wieder abgeht. Aber wenn man Graffiti hört und ‘politisches Verfahren’, denkt man ja ohnehin eher an jugendliche Fußballfans, die einen Zug beschmieren.“

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Ob es tatsächlich auch am reiferen Alter des Angeklagten und vieler seiner Sympathisanten lag – am Montag war alles ruckzuck vorbei. Auf einen zweiten Termin mit Feuerwehr und Werkschutz wurde verzichtet, das Gericht glaubte Hagenguth und sprach ihn frei. „Für die Entfernung von neun Graffiti wurden gerade mal anderthalb Stunden benötigt“, führte Anwalt Hegermann aus. „Das geht nur mit Sprühkreide!“ Und überhaupt habe sich der Angeklagte vor Gericht „vorbildlich“ geschlagen, sich sogar für das faire Verfahren bedankt. Wobei letzten Endes auch „ein bisschen Glück“ dabei gewesen sei; theoretisch hätte man auch eine Ordnungswidrigkeit prüfen lassen können.

Und während die geballte bürgerliche Linke vor der Gerichtstür in Ruhrort den Sieg der politischen Meinungsfreiheit feierte, freute sich ein hörbar erleichterter Jürgen Hagenguth über die „tolle Unterstützung“. Bereits im Vorfeld war der Prozess in den sozialen Netzwerken diskutiert worden. Viele hatten vor der Tür auf den Ausgang der Verhandlung gewartet. Hagenguth: „Das Gericht war auf einen solchen Ansturm nicht vorbereitet.“