Duisburg-Homberg. Stadtplaner Martin Offergeld äußerst sich zur Zukunft des Sanierungsgebiets. Das erste Hochhaus ist gesprengt. Ab Sommer sind die Bürger am Zug.
Der erste Weiße Riese ist Geschichte, zwei weitere Hochhäuser sollen in absehbarer Zukunft gesprengt werden. So sieht es der Plan der Stadt vor. Ergebnis wird ein 24 Hektar großes Gebiet sein, eine Riesenfläche mit dem Umfang von 44 Fußballfeldern. Das neue Stück Duisburg trägt bisher den Projektnamen Park Central Hochheide - ansonsten muss es sich mit Ideen füllen. Für Stadtplaner Martin Offergeld, Leiter des Sachgebietes Stadterneuerung, der Beginn einer besseren Zukunft. Seit 15 Jahren ist er mit dem Hochhausquartier befasst und weiß: Von der topmodernen 70er-Jahre-Siedlung bis zur Spekulationsfläche und letztlich zum Problemviertel sind es oft nur Jahrzehnte.
NRZ: Es hieß, drei Monate nach der Sprengung sollen die rund 45 000 Tonnen Bauschutt beseitigt sein. Demnach gibt es im Juli im Herzen von Hochheide eine neue Freifläche im Besitz der Stadt. Wie groß ist das erste Teilstück des neuen Planungsgebiets? Was wird dort geschehen?
Martin Offergeld: „Bisher handelt es sich um das Haus- und Tiefgaragengrundstück an der Friedrich-Ebert-Straße 10 bis 16, das die Stadt erworben hat. Insgesamt 20.200 Quadratmeter. Erst folgt das übliche Herrichten einer Fläche: Sie wird aufgeräumt, sauber gemacht und begrünt, zunächst durch eine einfache Raseneinsaat. Aber das wird kein Dauerzustand. Wir hoffen, dass wir bald zwei weitere Häuser an der Ottostraße sprengen können. Wenn die Ottostraße 24 bis 30 weg ist, sind wir schon mal jede Menge städtebaulichen Missstand los.“
NRZ: Wann rechnen Sie damit?
Martin Offergeld: Das könnte 2020 soweit sein. Der Abriss des dritten Hauses, Ottostraße 54 bis 56, könnte ab 2021 erfolgen; aber das Gebäude ist derzeit teilweise noch bewohnt. Darüber hinaus sind wir abhängig von Fördermitteln.
NRZ: Bisher fürchten die meisten Hochheider, dass sich auf dem Gelände typische Personengruppen mit Tagesfreizeit ausbreiten. Trinkercliquen etwa, Dealer, arbeitslose Jugendliche. Wird es eine Bewachung geben?
Offergeld: Die Probleme, die Sie beschreiben, haben Sie in jedem öffentlichen Park. Wir können das Gelände schließlich nicht einzäunen, weil es öffentlich ist, und es wird auch keine Bewachung geben. Wenn wir die städtebaulichen und sozialen Probleme in Hochheide nicht hätten, hätten wir kein Sanierungsgebiet ausgewiesen. Wir werden das Gelände möglichst offen halten und die Zeit bis zur endgültigen Gestaltung überbrücken, etwa mit mobilen Spielgeräten. Aber insgesamt gilt: So eine Fläche wird nur akzeptiert, wenn sie alle Leute mitgestalten.
Landschaftsplaner werden beauftragt
NRZ: Welche Pläne verfolgt die Stadt? In Hochheide haben wir viele Ideen gehört, darunter ein Bürger- oder Skaterpark, ein Sport-Parcours für Jung und Alt. Wie soll der öffentliche Planungsprozess funktionieren?
Offergeld: Wir werden einen grünen Rahmenplan für das gesamte Sanierungsgebiet aufstellen und sukzessiv umsetzen, wie die Flächen frei werden. Ansonsten halten wir uns als Stadt bewusst zurück. Aber wir werden versuchen, alle Vorschläge unterzubringen. Die Kinder im Viertel etwa haben sich eine Menge überlegt, vom Spiel- und Sportplatz bis zur Grill-Ecke. Es ist ja so: Wir reißen für viel Geld ab, um den nachfolgenden Generationen etwas bieten zu können. Das wird also ein vernünftiger Park, der genutzt wird, den man vorzeigen kann und auf den man stolz ist. Nach den Sommerferien geht es los. Wir bilden einen offenen Bürger-Workshop, bei dem jeder Ideen einbringen und entwickeln kann.
NRZ: Wer hat die Leitung?
Offergeld: Die Federführung des Projektes wird beim Amt für Umwelt und Grün liegen, das wiederum wird ein Landschaftsplanungsbüro damit beauftragen, die besten Ideen zu Papier zu bringen. Außerdem wird es einen Moderator geben, der zwischen Verwaltung und Bürgern vermittelt. Diese beiden Leistungen werden jetzt ausgeschrieben.
NRZ: Wie viel Geld steht zur Verfügung?
Offergeld: Bis jetzt sind rund 15 Millionen Euro ausgegeben. Die Sprengung der beiden nächsten Hochhäuser kommt noch dazu. Aber die Nachnutzung wird nicht mehr so viel kosten. Das hängt von den Ideen ab, die in den Workshops entstehen. Und für diese beantragen wir neue Fördermittel.
NRZ: Anwohner rechnen wie bereits erwähnt eher mit einem Verfall des neuen Geländes. Schon jetzt gebe es in Hochheide so genannte „No-Go-Areas“, in denen man sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht sicher fühlt, etwa den „Roten Weg“. Sind Ihnen diese Befürchtungen schon zu Ohren gekommen?
Offergeld: Ja, der Rote Weg ist ein Problem. Er musste teilweise gesperrt werden. Das hing mit der Tiefgarage darunter zusammen, die einsturzgefährdet ist. Sie befindet sich in privater Hand und das heißt für uns aktuell: Wir können nur abwarten. Aber wir versuchen ständig, mit den Besitzern ins Gespräch zu kommen. Wir sind da dran!
Fördermittel decken 50 Prozent der Kosten
NRZ: Die Stadt unterstützt die Sanierung mit viel Geld, öffentlichen Mitteln, und Manpower. Allerdings kommt uns immer wieder zu Ohren, konkret würde im Rahmen bestehender Programme wie der Förderung zur Gestaltung von Haus- und Hofflächen nicht viel passieren, es fehle ein Miteinander aller Beteiligten wie etwa im Rahmen einer Stadtteilkonferenz. Wie ist Ihre Einschätzung?
Offergeld: Die Menschen in Hochheide haben uns immer vorgeworfen, dass wir als Stadt nichts tun. Diese Skepsis hat sich auf die Bereitschaft ausgewirkt, mitzumachen. Aber wenn die Hochhäuser gesprengt werden, ist die neue Fläche tatsächlich da. Dann ziehen die Bürger auch mit. Im Rahmen der Programme zur Gestaltung von Haus- und Hofflächen haben wir Fördermittel, die wir an private Eigentümern geben können. Das deckt bis zu 50 Prozent der Kosten. Aber diese Angebote wurden bisher nicht nachgefragt. Hochheide ist eben nicht ganz einfach.
NRZ: Wie meinen Sie das?
Offergeld: Hochheide hatte das Pech, viele spekulative Hauseigentümer zu haben. In den 70er, 80er Jahren war es hip, in einem Hochhaus zu leben. Dann änderte sich der Zeitgeist, die Gutbetuchten zogen weg, es kamen zunächst Flüchtlinge aus dem Jugoslawienkrieg. Als die wieder auszogen, standen viele Wohnungen leer. Spekulanten haben sie dann an Osteuropäer vermietet und an weitere Personengruppen, die bei den anderen Bürgern im Viertel nicht gut ankommen. Folge: Heute gibt es keine vernünftige Durchmischung in dem Gebiet. Wenn Hochheide in Düsseldorf am Rhein läge, hätten wir die Probleme nicht.
Das Förderprogramm ist kein soziales Arbeitsplatzbeschaffungsprogramm
NRZ: Bemerken Sie jetzt nach der ersten Sprengung einen Meinungsumschwung?
Offergeld: Ja, da scheint es eine Entwicklung zu geben. Die Bürger fragen nach. Jetzt kommen auch die Eigentümer. Und es gibt ja noch viel mehr Möglichkeiten. Unser Verfügungsfond sieht fünf Euro pro Jahr und Einwohner im Sanierungsgebiet vor. Das sind in der Summe etwa 20 000 Euro pro Jahr für kleinere bürgerschaftliche Projekte. Wir rechnen jetzt auch in diesem Bereich mit einem Aufschwung. Für 2020 werden wir zudem mehr Stunden für die Arbeit des Quartiersbüros beantragen.
NRZ: Gibt es Grenzen einer Gebietsanierung durch die öffentliche Hand?
Offergeld: Klar, gibt es Grenzen, schon räumlich. Es geht uns hier konkret um das Hochhausgebiet und die Ladenstadt auf dem Bürgermeister-Bongardts-Platz. Und es gibt natürlich auch inhaltliche Grenzen. Das Förderprogramm ist ein städtebauliches und soziales Programm, kein Arbeitsplatzbeschaffungsprogramm. Außerdem: Hochheide als Ganzes ist nicht schlecht.