Duisburg-Rheinhausen. . Eine 5,8 Kilometer lange Fernwärme-Verbindungsleitung verschwindet derzeit im Rheinhauser Boden. Eine durchaus aufwändige Prozedur.
Noch hängt das 1400 Kilogramm schwere Leitungsstück am Haken eines Krans, den sie auf der Baustelle „Igel“ nennen. Im zwei Meter tiefen Bauloch können Thomas Meiners und Norbert Schmitz gleich mit dem Schweißen beginnen. Der Kranführer, der oben neben dem Kran eine Fernbedienung vor dem Bauch trägt, verschränkt die Hände hinter dem Rücken. „Das ist Pflicht, so kommt er nicht versehentlich an die Schalter und die Kollegen können unten gefahrlos arbeiten“, erklärt Alexander Padberg (56) im Businesspark Niederrhein in Asterlagen. Besuch mit dem zuständigen Projektleiter auf der Baustelle der Fernwärmeverbindungsleitung Homberg-Rheinhausen.
5,8 Kilometer misst die Leitung insgesamt, die ab April 2018 quasi das bis dahin stillgelegte Heizkraftwerk I in Hochfeld ablösen soll (wir berichteten mehrfach). Die Leitung ist Teil der Fernwärmeschiene Niederrhein und transportiert industrielle Abwärme, unter anderem von Thyssen-Krupp Steel aus Bruckhausen und auch von Huntsman in Homberg, nach Rheinhausen. Der 120 Grad heiße Dampf bewegt sich durch 63 Zentimeter dicke Kunststoffmantelrohre, die der Bautrupp aktuell im Boden versenkt.
Unterquerung der A40
Was ein durchaus aufwendiger Prozess ist. „Unter anderem müssen wir die Autobahn 40, eine Güterbahnstrecke und auch Leitgräben unterqueren“, erklärt der diplomierte Versorgungstechniker Alexander Padberg. Ebenso würden neben städtischen Grundstücken auch private Felder von der neuen Leitung unterquert werden. „Wobei wir hier einen städtischen Anteil von 90 bis 95 Prozent haben. Ein Großteil der Felder sind Ausgleichsflächen, die Konzernen wie RWE oder E-On gehören. Nur ein ganz geringer Teil gehört tatsächlich privaten Landwirten.“ Die bekämen Entschädigungen für die Zeit der Arbeiten und auch über die Jahrzehnte, die die Leitung in deren Boden liegt.
Apropos Jahrzehnte, die modernen neuen Leitungen sind laut Padberg extrem langlebig und wartungsfrei: „Die Leitung soll um die 50 Jahre halten.“ Auf der Baustelle sind stets um die 300 bis 400 Meter Baugrube geöffnet , rund 20 Mitarbeiter sind in der Spitze zeitgleich vor Ort. Der Ablauf ist stets gleich: Der Boden wird aufgebrochen, mit den Erdschichten passiert zweierlei, dazu später mehr.
Der Graben ist zwei Meter tief und 2,45 Meter breit
In den Graben werden 2,45 Meter breite und zwei Meter hohe Gestelle gebracht. Dieser Vorbau besteht aus massiven Platten und ist mit Stahlstreben verbunden. In den Schacht kommen die je 16 Meter langen Leitungsstücke, die dann verschweißt werden.
Um für die Leitungen perfekte Erdumgebung zu schaffen, kommt nicht der gesamte Bodenaushub wieder zurück ins Bauloch. Die erste Schicht um die Röhre herum besteht aus Rheinsand, ein Sand von spezieller Körnung, der, der Name sagt es, früher stets aus dem Rhein gewonnen wurde. Die folgenden Schichten sind recycelter Aushub oder der originale Boden, der neben der Grube lagert. „Das geschieht aber nur mit Böden von Flächen, die landwirtschaftlich genutzt werden. So, wie wir ihn rausgeholt haben, kommt er auch wieder hinein“, erklärt Padberg.
Der übrige Boden kommt nahezu komplett in umliegende Recyclinganlagen. Viele der Böden stammten aus dem Umfeld der früheren Zeche Mevissen, diverse Stoffe müssten recycelt werden. Es findet sich sogar Müll im Boden, Padberg erklärt: „Auf Höhe der Deichstraße befindet sich eine alte Hausmülldeponie, alles, was wir dort ausgraben, müssen wir aufwendig entsorgen, was in der Berechnung der Kosten (zehn bis zwölf Millionen Euro, d.Red.) aber selbstverständlich berücksichtigt wurde.“
Weitere Überraschungen seien zwar nicht auszuschließen, aufgrund diverser Probebohrungen aber eher unwahrscheinlich. Padberg geht davon aus, dass die Fernwärme-Verbindungsleitung DN 400 Duisburg Rheinhausen-Homberg pünktlich in Betrieb geht. Der Probebetrieb ist für November 2017 geplant, der Regelbetrieb soll im April kommenden Jahres beginnen.
Anekdoten vom Bau
Dann sind auch die Baustellencontainer wieder von der Ecke Deichstraße/Homberger Straße verschwunden, die sind übrigens kameraüberwacht. „Bereits in der ersten Nacht hatten wir einen Einbruch und mussten reagieren.“ Baustellen seien beliebtes Ziel für Diebe: So wurden vor einigen Wochen 600 Liter Diesel aus einem Bagger abgepumpt. Die skurrilste Geschichte hat Padberg aber auf einer anderen Baustelle, vor inzwischen Jahrzehnten, erlebt. „Beim Bau des Dükers unterhalb des Rheins haben die Kollegen zum Schutz vor Einbrechern die Türen der Baustellencontainer nach Feierabend immer verschweißt.“
70.000 Duisburger Haushalte beziehen Fernwärme
Der Fernwärmeverbund Niederrhein Duisburg/Dinslaken GmbH&Co. KG (FVN) betreibt die Fernwärmeschiene Niederrhein und somit auch das Verbindungsstück zwischen Homberg und Rheinhausen. Gesellschafter des FVN sind die Stadtwerke Duisburg und die Stadtwerke Dinslaken mit einem Anteil von je 50 Prozent.
In Duisburg beziehen aktuell 70.000 Haushalte Fernwärme. Der Marktanteil der Fernwärme beträgt rund 35 Prozent. Haushalte, Schulen, Behörden- und Funktionsgebäude werden über insgesamt etwa 9500 Übergabestationen mit Fernwärme versorgt.