Duisburg/Rheinhausen/Homberg. . Während der beiden Weltkriege litt im heutigen Duisburger Westen vor allem die Zivilbevölkerung unter massiven Bombardements.
„Erinnerung ist das Schlüsselwort.“ Diese Mahnung des jüdischen Holocaust-Überlebenden und amerikanischen Friedens-Nobelpreisträgers Elie Wiesel gilt besonders für das jetzt zu Ende gehende Gedenkjahr 2014. Seit Januar erinnerten zahlreiche Artikel, Bücher und Filme an den Ausbruch des Ersten und Zweiten Weltkriegs 1914 und 1939, aber auch an den Fall der Berliner Mauer 1989, den Anfang vom Ende der deutschen Teilung.
Dabei war die Erinnerung an diese zentralen Ereignisse deutscher Geschichte kein Selbstzweck. Sie war eine stete Mahnung an die Nachgeborenen, eine Wiederholung von Kriegen, Holocaust und Teilung für alle Zukunft zu verhindern. Die Redaktion hat in der Serie „Gedenkjahr 2014“ ausführlich dokumentiert, wie sich das historische Geschehen auf lokaler Ebene, im heutigen Westen Duisburgs, niederschlug. Eine Zusammenfassung.
Kriegsbegeisterung 1914 noch groß
Wie im gesamten deutschen Kaiserreich war die Kriegsbegeisterung im Sommer 1914 auch im heutigen Duisburger Westen groß. Ende Juli steigerte sie sich in einen regelrechten Kriegstaumel, bevor das Deutsche Reich Russland am 1. August den Krieg erklärte und die Kämpfe - anfangs siegreich - begannen. Doch die Euphorie der ersten Wochen wich schon bald großer Ernüchterung. Tausende Männer, auch aus Baerl, Homberg, Rumeln-Kaldenhausen und Rheinhausen waren eingezogen. Zahlreiche wurden zwar als kriegswichtige Arbeiter vom Waffendienst freigestellt. Doch viele meldeten sich freiwillig.
Die Folgen zeigt ein Beispiel aus Rheinhausen: Im Juli 1916 arbeiteten im Krupp-Hüttenwerk 825 Frauen, 1917 waren es schon 1919, nach Kriegsende dagegen nur noch 199.Im Gegenzug wurden während der mehr als vier Kriegsjahre viele Soldaten, darunter auch höhere Mannschaftsgrade wie Offiziere, zeitweise in privaten Wohnungen und Hotels oder auf Bauernhöfen in Homberg und Rheinhausen untergebracht. Die Eigentümer der Quartiere konnten ihre Abrechnungen für Unterkunft und Verpflegung bei den Bürgermeistereien in Hochemerich und Friemersheim einreichen und wurden entsprechend entschädigt. Eine Reihe von Belegen dafür finden sich heute im Duisburger Stadtarchiv.
Sinnloser Stellungskrieg
Noch belastender war, dass die Westfront in Frankreich und Belgien schon im Oktober/November 1914 in einem sinnlosen Stellungskrieg steckenblieb - wie sich zeigen sollte bis zum Kriegsende 1918. Auch die Zivilbevölkerung in Duisburg, Baerl Homberg, Rumeln-Kaldenhausen und Rheinhausen litt, denn die Versorgungslage in der Heimat wurde zusehends schlechter. Einzelne Lebensmittel wurden knapp, die Preise stiegen rasant, während die so genannte staatliche Kriegsunterstützung für Frauen, Kinder und alte Menschen oft nicht reichte und nicht angepasst wurde. Ab Anfang 1915 wurden Brot, Fleisch, Butter, Margarine und Eier rationiert.
Besonders hart trifft der Kriegswinter 1916/17 die hungernde Bevölkerung. Brot wurde knapp, Obst und Gemüse war kaum noch zu bezahlen. So wurde die Ration Kartoffeln, dem wichtigsten Grundnahrungsmittel, Anfang 1917 auf ein halbes Kilo pro Kopf und Woche gesenkt. Für Bedürftige wurden damals Kriegsküchen eingerichtet, Suppen für 20 Pfennige an arme Bürger ausgeteilt.
Zahlreiche Kinder und Jugendliche mussten sich alleine versorgen, die Väter waren an der Front, die Mütter mussten arbeiten. Seit Ende 2014 gab es auch keinen geregelten Schulbetrieb mehr. Viele Lehrer waren einberufen, Klassen wurden zusammengelegt, erreichten so teils Stärken mehr als 100 Schülern, Unterricht wurde gekürzt, einige Fächer ganz gestrichen, das Alter für die Einschulung um ein Jahr angehoben. Am 11. November 1918 schwiegen endlich die Waffen, war der Krieg zu Ende.
Traurige Bilanz
Die traurige Bilanz: 3260 Kriegsopfer in der damaligen Stadt Duisburg, 594 in Homberg, 95 in Baerl. 544 der mehr als 3000 in den Krieg gezogenen Arbeiter und Angestellten der Rheinhauser Friedrich-Alfred-Hütte kamen nie zurück. Die Gefallenen und in den Lazaretten Verstorbenen wurden auf Ehrengrabfeldern wie in Homberg oder Friemersheim bestattet. Lazarette und Kliniken wie das Bertha-Krankenhaus in Rheinhausen waren mit schwer verwundeten und traumatisierten Soldaten belegt. Ende 1918 besetzten belgische und französische Truppen den Duisburger Westen. Sie kontrollierten die linksrheinischen Gebiete bis zu ihrem Abzug im Januar 1926.
Mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre bahnte sich die zweite deutsche Katastrophe an. In Rheinhausen wurde schon 1926 ein Ortsverband der NSDAP gegründet. Die Partei Hitlers erreichte bei den folgenden Wahlen nicht zuletzt durch massive Propaganda gerade in der Krupp-Stadt durchweg überdurchschnittlich hohe Prozentanteile. Vor allem nach der so genannten Machtergreifung ab 1933 bestimmten Aufmärsche, Umzüge und Uniformen wie In Hochemmerich oder auf dem Krupp-Werksgelände das Bild der im Sommer 1934 mit viel Pomp gegründeten Stadt Rheinhausen. Die Serie hat auch das bittere Schicksal der Verfolgten dokumentiert, der deutsch-jüdischen Bürger wie in Friemersheim oder Hochemmerich oder der Zwangsarbeiter meist aus Osteuropa. Allein in den Lagern um das Krupp-Werk und die Zeche Diergardt-Mevissen in Rheinhausen pferchten die Nazis rund 4430 Zwangsarbeiter unter katastrophalen Bedingungen zusammen.
Luftkrieg begann Pfingsten 1940
Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Belgien und den Niederlanden begann Pfingsten 1940 auch im Duisburger Westen der Luftkrieg. Mehrere Folgen der Serie, schilderten, wie alliierte Bomber den Westen nun zunehmend unter Feuer nahmen. Von Mitte 1940 bis Ende 1942 griffen englische Bomber meist nachts Homberg, Baerl und die „Bunkerstadt“ Rheinhausen an, zusätzlich warfen ab Anfang 1943 und bis Anfang 1945 US-Bomber auch tagsüber Luftminen, Brand- oder Sprengbomben auf die linksrheinischen Städte und Gemeinden ab. Während es bei den vergleichsweise wenigen Angriffen auf die Industrieanlagen von Krupp oder Sachtleben fast immer bei Sachschäden blieb, litt die Zivilbevölkerung stark unter den massiven Bombardements.
So waren in Rheinhausen mindestens 319 Tote, in Homberg 235 Tote allein durch Luftangriffe zu beklagen. Insgesamt verzeichnen die Quellen für Rheinhausen 873 kriegsbedingte Sterbefälle. Am 5. Mai 1945 befreiten US-Truppen die linksrheinischen Gebiete wie Rheinhausen, Rumeln-Kaldenhausen, Homberg und Baerl.