Duisburg. Spielleute machen Musik für Karneval und Schützenvereine. Aber ihnen fehlt Nachwuchs. Eine kreative Idee soll das Aus für Musikzüge verhindern.

Schützen- und Karnevalsvereine klagen über Nachwuchsmangel, das gilt auch für die mit ihnen eng verbundenen Spielmannszüge. Längst hat nicht mehr jeder Verein seinen eigenen Spielmannszug. Damit trotzdem ein Musikzug mit marschieren kann, hat sich in Duisburg die IG Spielleute gegründet. Sie sind quasi eine schnelle Eingreiftruppe für Vereine, denen bei ihren Zügen sonst der Musikzug fehlen würde – und trotzdem weit mehr als eine Ersatzmannschaft.

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Die Interessengemeinschaft Spielleute ist kein Verein, stellt Horst Baumgartner vom Spielmannszug Wanheimerort klar: „Wir bieten Musikern aus verschiedenen Gruppierungen die Möglichkeit, gemeinsam Musik zu machen und dann bei Bedarf in einem der beteiligten Musikzüge mitzuspielen und dort auszuhelfen.“

Spielmannsleute aus Duisburg: „Der Nachwuchs fehlt“

Denn dort klaffen große Lücken. Baumgartners musikalischer Vereinskollege Ralf Braß blickt wie viele seiner Mitstreiter sorgenvoll in die Zukunft: „Der Nachwuchs fehlt einfach.“ Ein Musikzug braucht viele Musiker: „Früher hatte ein Musikzug mindestens 25 Spielleute, 16 sollten es aber auf jeden Fall sein. Das ist nicht nur wegen eines vernünftigen Klangs wichtig, auch die Gruppe sollte bei den Umzügen optisch ein geschlossenes Bild abgeben“, sagt Ralf Quattelbaum, bei der IG der Mann mit der „Küs“. „Küs“ ist die Bezeichnung für den Kommandostab des Tambourmajors, auf den die Spielleute unbedingt zu achten haben.

Grund für die Nachwuchsprobleme können auch nicht mehr vorhandene familiäre Brauchtumstraditionen ein, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. So war es jedenfalls noch bei Trommelspieler Detlef Harnisch. Dessen Großvater gründete 1925 in Castrop-Rauxel den Spielmannszug „Westfalenklang“, sein Vater ließ den Verein nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufleben. Solche Traditionen verlieren sich heute oft. „Etliche Musikzüge kamen an ihre Grenzen“, sagt Baumgartner. Also wurde 2019 die IG Spielleute gegründet.

Die IG Spielleute wurde 2019 in Duisburg gegründet.
Die IG Spielleute wurde 2019 in Duisburg gegründet. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Wir sprechen Schüler an, nutzen da unsere Kontakte, werben auch in den Sozialen Medien“, erzählt Ralf Braß vom Spielmannszug Wanheimerort. Durchaus mit Erfolg, wie es aussieht: „Wir haben in letzter Zeit immerhin acht Jugendliche dazugewonnen, der Jüngste ist erst sieben Jahre alt. Aber die müssen natürlich noch kräftig üben.“

Musik machen bei der IG Spielleute: Noten lesen ist nicht nötig

Dabei muss man keine Angst davor haben, mit Noten nicht klarzukommen, wie Ralf Quattelbaum erklärt: „Die Noten werden oft in Zahlen umgeschrieben, das ist eine große Erleichterung.“ Geübt wird einmal wöchentlich im Vereinsheim der Großenbaumer St. Hubertus Schützenbruderschaft an der Saarner Straße. Neben Musikanten aus Wanheimerort gehören auch Spielleute des früheren Tambourkorps Großenbaum, vom TC Rheinklänge Buchholz und vom Spielmannszug Selbeck-Breitscheid der Interessengemeinschaft an.

Noten müssen die Musiker der IG Spielleute nicht unbedingt lesen können, viele Stücke werden in Zahlen umgeschrieben.
Noten müssen die Musiker der IG Spielleute nicht unbedingt lesen können, viele Stücke werden in Zahlen umgeschrieben. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Alle Instrumente wie Flöte, Trommel, Pauke, Becken und Lyra (Glockenspiel) sind besetzt, die IG wäre in ihrer Besetzung spielfähig. Als solche tritt sie aber nicht an. Horst Baumgartner erläutert, warum: „Wir machen bestehenden Formationen keine Konkurrenz.“ Beim Schützenfest in Großenbaum ist man allerdings beim großen Umzug mitmarschiert: „Da gibt es ja derzeit keinen eigenen Musikzug mehr, da haben wir gerne ausgeholfen.“ Er ergänzt schmunzelnd: „Ansonsten sind wir halt Lückenbüßer.“

Detlef Harnisch hat seine Passion für die Brauchtumsmusik übrigens weitergegeben: Sein Sohn hat schon als Schüler musiziert und ist der Marschmusik bis heute treu geblieben. Und der 25-jährigen Maria Schlimm, die dem ebenfalls Spielmannszug Selbeck-Breitscheid angehört, hat ihre vom Brauchtum geprägte Mutter „schon eine Querflöte in den Kinderwagen gelegt“. Offensichtlich mit Erfolg, denn das Musizieren im Spielmannszug erfüllt sie. Über die Möglichkeit, nun auch in der Großenbaumer Gruppe spielen zu können, freut sie sich: „Mir würde sonst was fehlen.“

>> WAS IST EIN SPIELMANNSZUG?

  • Ein Spielmannszug oder Tambourkorps bezeichnet im engeren Sinn eine Musikgruppe, bestehend aus Marschtrommeln, klappenlosen Querflöten, Lyren, Großer Trommel und Becken. Die Musikzüge wurden vorwiegend in der Marschmusik eingesetzt.
  • Zahlreiche Spielmannszüge sind im Bereich des Deutschen Schützenbundes organisiert, teils als reine Spielmannszüge mit Pfeifen und Trommeln, teils als Spielmanns- und Fanfarenzüge.