Duisburg-Großenbaum. Die Stadt Duisburg will einen 33 Jahre alten Haselnussstrauch fällen. Einer der Gründe: Eichhörnchen leben dort gefährlich. Die ganze Geschichte:
Noch steht er, der Baum. Oder richtig: der Strauch. Ein Haselnussstrauch, etliche Meter hoch. Aber eben ein Strauch und kein Baum, und deshalb soll er weg, hat die Stadt Duisburg angeordnet. Dagegen wehrt sich der Mann, der sich um ihn gekümmert hat, jahrzehntelang. Unterstützung bekommt er von einem Anwalt – und aus dem Tierreich.
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33 Jahre lang hat Wolfgang Halverkamps das selbst angepflanzte Grün auf der Baumscheibe vor seinem Grundstück an der Sanddornstraße gehegt und gepflegt; seit er 1983 in sein Haus einzog. 33 Jahre lang hat das niemanden gestört. Das hat sich in diesem Jahr geändert: Das Grün soll weg, stattdessen eine neue Baumscheibe angelegt werden – und ein Parkplatz gebaut werden. Anfang Oktober soll die Säge kreisen.
Am Mittwoch war es soweit: „Die Wirtschaftsbetriebe haben heute alles gefällt, bis auf den Strauch“, erzählt Halverkamps am Mittwoch. Als er sie ansprach, hätten die Mitarbeiter gesagt, dass sie dort noch nicht dran dürften. Auf dem Rest der Sanddornstraße herrscht Kahlschlag: „Alle Bäume auf der Straße sind weg.“
Haselnussstrauch in Duisburg soll weg – Eichhörnchen und Igel leben dort
Halverkamps hat bei der Stadt Duisburg vor Monaten Einspruch eingelegt gegen die Fällung seines Strauches. „Das Eichhörnchen kommt jeden Morgen und holt sich Nüsse“, sagt er, „auch ein Igelpärchen übernachtet dort.“ Im Antwortschreiben der Stadt Duisburg, das der Redaktion vorliegt, klingt das tierische Treiben eher nach illegaler Strauchbesetzung: „Baumscheiben stellen – nicht zuletzt aufgrund einer potenziellen Gefährdung durch den Straßenverkehr – kein geeignetes und dauerhaftes Habitat für Tiere dar“, heißt es dort.
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Außerdem: Die Bepflanzung – unter dem und um den Haselnussstrauch herum wachsen noch etliche weitere Pflanzen – sei „zu dicht“, demzufolge „kein natürlicher Habitus“, „der ökologische Wert als eher gering einzuschätzen“. Ob sich Eichhörnchen und Igel wohl über die geplante neue, nackte Baumscheibe, und über den Parkplatz als artgerechtes Habitat freuen werden? Wolfgang Halverkamps jedenfalls nicht.
Kein Spur von Grün: Neue Baumscheiben in Duisburg sind zugepflastert
Wie die neuen Baumscheiben aussehen sollen, lässt sich in unmittelbarer Nachbarschaft begutachten: Wo früher Bäume standen, sind die Baumscheiben zugepflastert. Damit die Spielstraße ohne die für tierische Bewohner nicht vorgesehenen grünen Domizile nicht ganz so trostlos aussieht, hat ein Nachbar einen Blumentopf auf die grauen Steine gestellt.
Halverkamps möge doch einfach eine Baumpatenschaft abschließen, schreibt die Stadt ihm als Antwort auf seinen Einspruch. Aber Wolfgang Halverkamps hat schon einen Patenbaum; seit 33 Jahren. Nur dass der dummerweise ein Strauch ist.
Duisburger will die Stadt verklagen, wenn sie den Haselnussstrauch fällt
Der muss weg, dabei bleibt die Stadt Duisburg. Er behindere die Sicht, auch „Straßenraumeinschränkungen“ seien möglich. Als die Redaktion sich die Situation vor Ort ansieht, ist die Bepflanzung auf der Baumscheibe akkurat gestutzt – Halverkamps’ Werk. Und die „Sichtbehinderung“? In der Siedlung sind sie froh, wenn auf der Spielstraße, wo nur Schrittgeschwindigkeit erlaubt ist, nicht gerast wird. Eben weil die Autofahrer dank des Haselnussstrauches nicht so gut um die Ecke gucken können.
Der Einspruch von Wolfgang Halverkamps hat nichts genützt. Im Oktober soll er seinen Strauch verlieren, die Eichhörnchen einen zuverlässigen Futterlieferanten, die Igel einen Unterschlupf. Die Duisburger Verwaltung sollte allerdings gewarnt sein: Halverkamps hat nach eigenen Angaben schon einmal gegen die Stadt geklagt, „bis vors Oberlandesgericht Düsseldorf“. Und gewonnen.
>> ZANKAPFEL: DER HASELNUSSSTRAUCH ALS SICHTBESCHRÄNKUNG
- Baumscheiben in Straßenkurven sind nach Angaben der Stadt Duisburg in einer Höhe von 80 Zentimeter bis 2,50 Meter „von sichtbeschränkenden Anlagen aller Art frei zu halten“.
- Die Anwohner freuen sich hingegen über die Sichtbeschränkung durch den Haselnussstrauch: „Hier fahren die Raser mit 30, 40 km/h durch“, erzählt Wolfgang Halverkamps. Der Bereich ist als Spielstraße ausgewiesen, dort ist also nur Schrittgeschwindigkeit erlaubt.
- „Ich habe Angst, dass mein dreieinhalbjähriger Sohn angefahren wird“, sagt Nachbar Marc Rohenroth. Er sorgt sich, dass die Raserei schlimmer wird, sobald der Haselnussstrauch gefällt ist.