Duisburg-Neudorf. Das Theatervolk bewegte die Zuschauer in der Kulturkneipe Steinbruch mit dem Stück „Der Kick“. Bilder der Gewalt entstanden dabei nur im Kopf.
Marinus Schöberl war 16 Jahre alt, als er von rechtsextremen Jugendlichen gefoltert und ermordet wurde. Sie zwangen ihn, in einer verlassenen Schweinemastanlage im uckermärkischen Potzlow in einen Futtertrog zu beißen und sprangen mit ihren Springerstiefeln auf seinen Kopf. Erst vier Monate später wurde die Leiche des jungen Mannes gefunden, in einer Jauchegrube.
Ein grausiges Bild, das sich zum Glück am Freitagabend nur in den Köpfen der Theaterzuschauer im Steinbruch an der Neudorfer Lotharstraße abspielte. Denn in der Theaterproduktion „Der Kick“ vom Ensemble des Theatervolks wurde keine einzige gewalttätige Szene gezeigt. Die fünf Schauspielerinnen Jana Balzert, Dinah Bräuer, Sarafina Djata, Nina Flügge und Riccarda Tomberg zitierten aus Protokollen, die der Autor Andreas Veiel über mehrere Monate nach Gesprächen mit den Bewohnern des Dorfes in Brandenburg zusammengestellt hatte. Dazu kamen Aufzeichnungen aus der Vernehmung der Täter und dem Gerichtsprozess.
Die Gewalt entsteht nur in den Köpfen der Zuschauer
Die Schauspieler schlüpften in 16 Rollen. Mal waren sie Staatsanwalt, mal Mutter, mal Täter. Die schnellen Wechsel gelangen. Das, was die Beteiligten damals sagten, reichte aus, um eine trostlose Welt zu zeichnen. So sagte der 17-jährige Marcel S. in seiner Vernehmung bei der Polizei: „Mit beiden Füßen sprang ich dann kräftig auf den Kopf von Marinus. Ich trug zu diesem Zeitpunkt meine schwarzen Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln, Größe 43.“
Erschreckend waren auch die Relativierungsversuche der Dorfbewohner. „Einfach nur so daher gesagt“ – das seien die rassistischen Sprüche der Skinheads im Dorf, dass Neger auf den Scheiterhaufen gehören zum Beispiel. Marinus sei nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Nur wenige sagten: „Warum haben wir uns den Tätern nicht mutig in den Weg gestellt?“ Das ist eine Frage, die heute genauso aktuell ist, wenn die Fremdenfeindlichkeit wieder verstärkt in die Mitte der Gesellschaft rückt. Das findet auch Martin Menzel-Bösing, der mit Svenja Hartmann Regie führte.“ Und genau so sah es auch das Publikum. Eine Frau sagte, dass die Szenerie auch gut für Schulen geeignet sei. Die Täter aus Potzlow brachen genau die zum Teil nach der 6. Klasse ab. Sie haben heute ihre Haftstrafen zwischen drei und 15 Jahren abgesessen.
Von Marinus gibt es nur noch einen Gedenkstein.
Noch zweimal ist das Stück „Der Kick“ in Duisburg zu sehen. Am Mittwoch, 29. Januar, im Kulturspielhaus Rumeln an der Dorfstraße 19a, und am Freitag, 31. Januar, in der Cubus Kunsthalle an der Friedrich-Wilhelm-Straße 64, jeweils um 19.30 Uhr.