Duisburg-Großenbaum. Dr. Helga Mattheß ist Physikerin und Psychotherapeutin. Sie kümmert sich um traumatisierte Menschen in Duisburg und in den Krisenherden weltweit.
Im ersten Berufsleben war Dr. Helga Mattheß Physikerin, war am Kernforschungsinstitut Jülich beschäftigt. „Es ist viel spannender, mit Menschen zu arbeiten“, begründet sie ihre Entscheidung, noch einmal ein Medizinstudium anzuschließen. Längst ist sie Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie und kümmert sich in erster Linie um schwer traumatisierte Patienten, die über lange Zeit eine umfassende Betreuung brauchen. Neben ihrer Praxis an der Großenbaumer Allee hat sie Trauma Aid aufgebaut.
Diese Hilfsorganisation, die in Katastrophen- und Kriegsgebieten traumatisierten Menschen hilft, liegt der Ärztin sehr am Herzen. Sie war oft selbst vor Ort, hat Menschen nach Naturkatastrophen oder Gewalttaten in Kriegsregionen betreut und dort mitgeholfen, ein Netzwerk für psychisch Kranke aufzubauen.
„Eine gesunde Angst schützt den Menschen“
Mittlerweile konzentriert sich Helga Mattheß von Großenbaum aus auf die organisatorische Arbeit bei Trauma Aid, und versorgt natürlich in erster Linie ihre Patienten in der Praxis. Zu ihr kommen häufig Kranke, die unter schweren Angststörungen leiden.
„Eine gesunde Angst ist wichtig. Sie schützt uns“, sagt die Ärztin. Problematisch wird es, wenn Menschen so sehr von ihren Ängsten gefangen sind, dass sie ihr Leben nicht mehr meistern können. Ziel jeder Therapie ist es, Patienten in die Lage zu versetzen, mit ihren Ängsten umzugehen, die Fähigkeit zu entwickeln, die gesunde von der obsessiven Angst zu unterscheiden.
Die Ursache der Angst freilegen
Dazu muss die Ursache für die Ängste freigelegt werden. Ein schwieriger Prozess, der nur funktioniert, wenn ein Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Therapeut besteht. Unter Anleitung der Ärztin durchlebt der Kranke das traumatische Erlebnis erneut und lernt, damit umzugehen. Helga Mattheß versucht, mit den Patienten ein Verhaltensmuster zu entwickeln, das sie in kritischen Situationen abrufen können. Wenn das Muster zuverlässig funktioniert, kann der Mensch seinen Alltag bewältigen. Ein großer Schritt für den Patienten und für die Therapeutin.
Neben der Therapie empfiehlt Helga Mattheß zusätzlich Selbsthilfegruppen: „Dort können Patienten voneinander lernen“. Auch Tiere und jede Form von Bewegung könne gut tun. Das Wichtigste seien allerdings soziale Beziehungen.
Die ersten drei Jahre sind entscheidend
Menschen reagieren höchst unterschiedlich auf dramatische Erlebnisse. Manche ziehen sich zurück, verfallen in eine Depression. Andere verdrängen das Erlebte, stürzen sich in die Arbeit, machen Karriere. Das könne viele Jahre klappen. Aber nicht selten breche das Kartenhaus doch irgendwann zusammen.
Grundsätzlich gilt: „Die ersten drei, vier Jahre sind entscheidend für die seelische Entwicklung“, so die Expertin. Eine emotionale Vernachlässigung in dieser Zeit kann weitreichende Folgen haben, wenn sich das Kind die fehlende emonationale Nähe zu den Eltern nicht woanders holen kann, etwa bei den Großeltern.
Menschen mit psychischen Problemen müssen oft lange auf einen Therapietermin warten. Dennoch sagt die Ärztin: „In Deutschland stehen wir recht gut da“. In asiatischen Ländern zum Beispiel seien psychische Krankheiten gar nicht akzeptiert, in den USA muss der Patient selbst bezahlen.
Sprechende Medizin wird nicht entsprechend honoriert
Ein Problem hierzulande sei allerdings, dass die sprechende Medizin nicht entsprechend honoriert werde. In einem Zwei-Minuten-Gespräch könne ein Hausarzt kein psychisches Problem diagnostizieren.
Eine Warteliste hat Dr. Mattheß schon lange nicht mehr. Sie ist voll ausgelastet. „Bei mir gibt es wenig Fluktuation, die Patienten bleiben oft über 300 Therapiestunden“. Doch mittlerweile ist ein Sohn mit in die Praxis eingestiegen.