Duisburg-Huckingen. . Nach dem Tod eines geliebten Menschen ist nichts mehr wie es war. Trauerbegleiter aus dem Hospizzentrum St. Raphael unterstützen Hinterbliebene.
Innerhalb eines kurzen Augenblicks wurde das Leben von Familie Schröder* komplett auf den Kopf gestellt. Durch einen Unfall haben die Eltern ihren Sohn, die Geschwister ihren Bruder verloren. Seitdem ist das Leben nicht mehr leicht, nicht mehr unbeschwert. In jeder Minute, in jeder Sekunde ist der Verlust des Menschen gegenwärtig. „Mein Gefühlsspektrum hat sich sehr verändert“, beschreibt Melanie Schröder. „Alles was schön ist, ist jetzt auch traurig. Weil mein Bruder nicht mehr da ist. Und was vorher traurig war, ist jetzt nur noch ein Abklatsch von dem, was traurig sein für mich nach seinem Tod bedeutet.“
Zwei Jahre sind seit dem tragischen Unfall des Sohnes vergangen. Zwei Jahre sind es jetzt auch, in denen Mathias Schröder zusammen mit seiner Tochter regelmäßig ins Malteser Hospizzentrum St. Raphael kommt. Zur professionellen Trauerbegleitung. „Wir sind nicht hier hingekommen, um getröstet zu werden“, sagt der Vater. „Trost gibt es nicht. Wir sind hier, weil wir Angst hatten, dass unsere Familie sonst komplett zerbricht.“
Viele Menschen lassen der Trauer keinen Raum
Nao Honekamp-Yamamoto kennt Familie Schröder, war von Beginn an für sie da. Die Trauerbegleiterin hört zu, lässt die Trauernden reden, spiegelt ihre Empfindungen und Gefühle wieder. „Jeder Mensch hat nach dem Verlust eines geliebten Menschen andere Bedürfnisse“, weiß Nao Honekamp-Yamamoto. „Trauer bedeutet auch, dass man alles annehmen muss, was kommt. Beim Trauern gibt es kein richtig oder falsch.“
Das zu verstehen und dann damit zu leben, ist nicht leicht. Viele nehmen sich selbst zurück, lassen der Trauer keinen Raum, um anderen Familienmitgliedern nicht noch mehr weh zu tun. So war und ist es auch bei Melanie Schröder. „Ich spreche meine Mutter kaum auf meinen Bruder an. Wir reden nur selten über seinen Tod oder überhaupt über ihn“, beschreibt sie. „Ich möchte ja nicht, dass es ihr noch schlechter geht.“ Ihrem Vater ergeht es ähnlich. Zuhause ist der Tod des Sohnes zwar allgegenwärtig, aber irgendwie auch unaussprechlich. „Hier ist der Ort, an dem wir über unsere Trauer, über unseren Sohn, über die Lücken, die er hinterlassen hat, sprechen können“, sagt Mathias Schröder.
Und genau so einen Ort brauchen Trauernde. „Die Trauer darf nicht verdrängt werden“, weiß Mechthild Schulten. Die Leiterin des Hospizzentrums ist selbst Trauerbegleiterin. „In unserer Gesellschaft ist für Trauer kein Platz. Das muss sich dringend ändern.“
In der Trauerbegleitung lernen Betroffene, die Trauer gezielt zuzulassen
„Viele Menschen haben das Gefühl, sie müssten Trost spenden. Das geht aber nicht. Der Tod ist untröstlich“, sagt der Vater. Nichts Positives, keine Lehre, kein Licht am Ende des Tunnels. „Der Tod meines Sohnes war einfach sinnlos.“ Aus diesem Grund ist das Gespräch mit dem Trauerbegleiter für ihn so wichtig. „Hier habe ich gelernt, anzunehmen, was kommt.“
Wieder andere sagen gar nichts. Da wird das Thema totgeschwiegen. Und auch das ist für die Betroffenen schlimm. „Ich will ja nicht, das mein Bruder vergessen wird“, sagt Melanie Schröder. „Ich freue mich, wenn mir ein Freund sagt, dass er ein Lied gehört hat, das ihn an meinen Bruder erinnert hat. Auch wenn dann die Traurigkeit schnell wieder präsent ist.“
Aber auch damit hat sie gelernt umzugehen. Durch die Gespräche hat Melanie Schröder eine Art Tür entwickelt, durch die sie die Trauer reinlassen oder auch ausschließen kann. „Vorher kann man das Kommen und Gehen der Traurigkeit wie mit einem Vorhang im Wind vergleichen, der unkontrolliert auf und zu weht.“
„Wir versuchen in den Gesprächen den Menschen den Glauben an die eigenen Kräfte zu geben, mit dem Erlebten, der Trauer zurecht zu kommen“, sagt Mechthild Schulten. Und auch das geht nur Schritt für Schritt. „Und dann kommt die Zeit, in der wir gemeinsam loslassen müssen“, fügt Nao Honekamp-Yamamoto hinzu. Denn irgendwann sollte auch die Zeit der Trauerbegleitung enden – auch wenn die Trauer dann längst nicht überwunden ist.
Sie kommt ständig zurück. Mal unvermittelt, mal gibt es einen Auslöser. „Einen Film mit Happy End oder Liedtexte wie ,Sowieso’ von Mark Foster, kann ich nicht mehr sehen oder hören“, sagt Mathias Schröder. „Egal was kommt, es wird gut, sowieso. Immer geht ‘ne neue Tür auf, irgendwo. Auch wenn’s grad nicht so läuft, wie gewohnt. Egal, es wird gut, sowieso.“
Diese Tür bleibt für Mathias Schröder verschlossen...
(*Namen wurden geändert)