Duisburg-Buchholz. . Der Verein „Zweitzeugen“ war zu Besuch in der Grundschule Böhmer Straße. Die Kinder sind sich einig: „Adolf Hitler war ein böser Mann.“

Es ist ein schweres Thema, sicherlich aber auch ein wichtiges, gerade in den Zeiten des wiedererstarkten Antisemitismus und rassistischer Parteien wie der AfD: der Nationalsozialismus. So früh wie möglich sollen Kinder mit dem Thema vertraut gemacht werden, das haben sich die „Heimatsucher“ auf die Fahnen geschrieben. Die Mitglieder des Vereins haben Überlebende des Holocausts besucht und interviewt. Über ihre Lebensgeschichten sprechen sie mit Schulkindern, die schreiben dann Briefe an die Überlebenden. Am Freitag waren die Heimatsucher in der Klasse 4a der GGS Böhmer Straße zu Gast, um den Kindern das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte nahezubringen.

Die Viertklässler kennen die Nürnberger Rassegesetze

Wer Adolf Hitler war, das wissen die meisten Schüler, aber was genau der eigentlich gemacht hat, da hapert es noch ein wenig. „Das war ein böser Mann“, da sind sich alle einig, und Charlotte Fricke von den Heimatsuchern erklärt ein bisschen mehr; zum Beispiel, wie der Diktator überhaupt an die Macht kam. Mit Klassenlehrerin Angela Ledwig haben sich die Schüler auf das Thema vorbereitet, deshalb kennen sie auch die Nürnberger Rassengesetze. „Der wollte keine Menschen, die anders waren“, weiß Emre, und Charlotte Fricke erklärt, was es mit dem Begriff „Arier“ auf sich hat.

Die Kindern erkennen schnell die Ungerechtigkeit des Dritten Reichs, auf einer ganz kindlichen Basis eben. Wie das denn in der Schule mit dem drannehmen gewesen wäre, will Anna wissen, wo doch alle Juden den Namen Sarah und Israel tragen mussten. „Woher wussten die denn, wer dran war?“ Auch der Genozid wird besprochen, so kindgerecht, wie ein solches Grauen eben verpackt werden kann. Von den massenhaften Verbrennungen in polnischen Ghettos bis zu Erschießungskommandos, die jüdische Menschen massenhaft hinrichteten.

Die Kinder merken: Da liest jemand, der die Hölle gesehen hat

Siegmund Pluznik gibt den Opfern des Nationalsozialismus für
Siegmund Pluznik gibt den Opfern des Nationalsozialismus für © Jörg Schimmel

Dann geht es um Siegmund Pluznik aus Polen, geboren 1924, und mit ihm bekommen die Opfer des Holocausts ein Gesicht. Vor anderthalb Jahren ist Pluznik in Frankfurt gestorben, mit 93 Jahren. Sein Vater war in ein KZ verschleppt worden, Freunde wurden an die Nazis verraten und erschossen. Er selbst wollte mit Freunden nach Istanbul fliehen und gab sich auf dem Weg als Tennis-Nationalspieler des NS-Regimes aus. „Der sieht aber nett aus“, findet Theresa, auf dem Foto sitzt der alte Mann in seinem Altenheim in Frankfurt. Als später ein Film gezeigt wird, in dem Pluznik Briefe anderer Schüler an ihn vorliest, merken die Kinder: Da liest jemand, der die Hölle gesehen hat.

Auch die 4a schreibt später Briefe, an andere Überlebende. Aber noch viel wichtiger ist, dass die Schüler jetzt sogenannte „Zweitzeugen“ sind. Der Schrecken der Nazi-Zeit hat für sie mit Siegmund Pluznik ein Gesicht bekommen, und das Grauen und die Ungerechtigkeit dieser Zeit ist für die Kinder greifbarer geworden. Eine Investition in die Zukunft – und in die Demokratie.