Duisburg-Wedau. . Für 6-Seen-Wedau will die Gebag einen 20-Millionen-Kredit aus einem Programm der NRW-Bank. Das Geld ist für benachteiligte Stadtteile bestimmt.
Was haben Hochfeld und Marxloh mit Wedau zu tun? Diese Frage stellten sich die Bezirksvertreter in ihrer Januar-Sitzung und setzten eine Sondersitzung an für das Projekt 6-Seen-Wedau und dessen Verknüpfung mit den Stadtteilentwicklungskonzepten für die beiden Problemstadtteile. Die Antwort lautet: nichts. Das ist allen Beteiligten klar, der kunstvoll konstruierten Beschlussvorlage der Verwaltung zum Trotz. Die Diskussion am Donnerstagabend machte das deutlich. Trotzdem stimmten die Politiker mehrheitlich mit Ja.
„Dass man dieses Vehikel benutzt hat, um an die Kohle zu kommen – so ist das nun mal“, betrachtet Beate Lieske (SPD) die Sache pragmatisch. Das Vehikel, das ist die Vorlage; das Geld ist der Stadtentwicklungskredit, den die Gebag zur Erschließung des Millionenprojekts von der NRW-Bank haben will. Es geht um etwa 20 Millionen Euro, die „wir brauchen, um die Erschließung finanzieren zu können“, erläuterte Gebag-Geschäftsführer Bernd Wortmeyer den Politikern.
50 Millionen Euro stehen für Stadtteil-Projekte bereit
Das Geld stammt aus einem Fördertopf, der benachteiligten Stadtteilen helfen soll. 50 Millionen Euro stehen dafür bereit. Sie sollen in jene Gebiete fließen, „in denen der Handlungsbedarf am drängendsten ist“, heißt es im Konzept von NRW-Bank und Bauministerium. Weil der Handlungsbedarf in Hochfeld und Marxloh bekannt und schon seit Mitte der 1990er Jahren ausgearbeitet ist, erweitert die Verwaltung die beiden Stadtteilentwicklungskonzepte um das Megaprojekt 6-Seen-Wedau. „Das Papier ist mit der NRW-Bank abgestimmt“, sagt Wortmeyer.
Von dem 50 Millionen Euro ist bislang kein Cent abgerufen worden; die NRW-Bank begründet das mit einer langen Planungsphase – unter anderem, weil Stadtteilentwicklungskonzepte erst einmal erarbeitet werden müssen. Duisburg ist mit seinem Antrag schnell gewesen – eben weil die Verwaltung auf bestehende Konzepte zurückgreift: für Hochfeld und Marxloh. Bekommt die Gebag die beantragten Mittel, sind bis zu 50 Prozent der Gelder schon verplant.
Gebag: „Wir nehmen dem Norden kein Geld weg“
Wortmeyer fasste das Ergebnis dieses Vorgehens am Donnerstagabend so zusammen: „Davon wird ganz Duisburg profitieren. Aber auch Hochfeld und Marxloh.“ Wobei der Hochfelder Verein Zukunftsstadtteil das Ganze kritisch betrachtet. „Mittel, die der Stadtteil dringend bräuchte, werden an anderer Stelle für kurzfristig gewinnträchtigere Neubauprojekte verbraten“, sagt Mitglied Bodo Mörbitz. In Marxloh dürfte man das ähnlich sehen. Wortmeyer bemühte sich in der BV-Sitzung, diesen Vorwurf zu entkräften: „Wir nehmen dem Norden natürlich kein Geld weg.“
So erklärt die Stadt die Verknüpfung mit Marxloh und Hochfeld:
Die Stadt argumentiert in ihrer Vorlage dreifach: 6-Seen-Wedau soll Arbeitsplätze, Bildung und sozialen Wohnraum bringen – und zwar für die Menschen in Hochfeld und Marxloh.
■ Arbeitsplätze: 300 bis 400 Jobs sollen durch 6-Seen-Wedau ab Baubeginn entstehen, und zwar für die nächsten zehn Jahre. Ein Teil davon soll für Arbeitsförderung und Qualifizierung genutzt werden und so Menschen in Arbeit bringen, die schlecht ausgebildet sind. Sie sollen vor allem Aufgaben im Landschaftsbau übernehmen: zum Beispiel bei der Verlagerung der Kleingartenanlage und bei der Bepflanzung von Lärmschutzwall oder öffentlichen Grünanlagen. Die Gebag will dafür mit dem Jobcenter Duisburg und der Gesellschaft für Beschäftigungsförderung (GfB) zusammenarbeiten.
Kitas in Wedau sollen Kindern in Marxloh helfen
■ Bildung: Zwei Kitas und eine Grundschule sollen im neuen Stadtteil gebaut werden. So würden „Bildungs(...)möglichkeiten geschaffen, die über den Stadtteil Wedau hinaus auch die Stadtteile Hochfeld und Marxloh betreffen werden“, argumentiert die Verwaltung.
■ Wohnraum: Neben ihrer Tätigkeit als Bauherrin für Grünanlagen will die Gebag öffentlich geförderten Wohnraum errichten. 300 Sozialwohnungen sollen entstehen. Auch hier impliziert die Verwaltungsvorlage einen Nutzen für die teilweise von Problemimmobilien geprägten Stadtteile Hochfeld und Marxloh, auch wenn sie zugibt: „Durch das Stadtentwicklungsprojekt Wedau-Süd können die wohnungswirtschaftlichen Problemstellungen in Marxloh und Hochfeld sicherlich nicht gelöst werden.“
Bezirksvertretung: dafür, dagegen, und eine interessante Erklärung
Mehrheitlich beschlossen hat die Bezirksvertretung Süd die Vorlage aus der Verwaltung. Dafür stimmten SPD, CDU und Grüne. Junges Duisburg enthielt sich, die Linke votierte dagegen. Ein paar Stimmen aus der Sitzung:
Stimmen zur Sitzung
DER ZUSAMMENHANG IST KONSTRUIERT – KOMMENTAR VON MONIQUE DE CLEUR
Hochfeld, Marxloh, Wedau. Zwei Stadtteile mit Problemen, einer mit einem Luxusproblem: Hier soll binnen weniger Jahre ein neuer Stadtteil auf ausrangierten Gleisen entstehen. Weil die Gebag als Erschließerin der Fläche das 100-Millionen-Euro-Projekt nicht mal eben aus der Portokasse zwischenfinanzieren kann, soll ein Stadtentwicklungskredit her in Höhe von 20 Millionen Euro.
Dumm nur, dass das Geld aus dem Programm der NRW-Bank, das man anzapfen will, für Stadtteile bestimmt ist, denen es schlecht geht. Also eher für Hochfeld und Marxloh als für Wedau. Daher musste ein Zusammenhang her, den die Verwaltung gleich dreifach konstruiert: Die Arbeitsplätze in Wedau, die Kita- und Grundschulplätze und Sozialwohnungen – sie alle kommen, so die Vorlage, auch den Menschen in Hochfeld und Marxloh zugute.
Hochfeld und Marxloh profitieren genau so wenig wie alle anderen Stadtteile Duisburgs
Das „auch“ ist unbestritten. Allerdings gilt dieses „auch“ genauso für alle anderen 43 Stadtteile. Und zwar eher genauso wenig als genau so viel. Jobs können nicht gezielt an Menschen aus Hochfeld oder Marxloh vergeben werden. Kita- und Grundschulplätze auch nicht – und welche Eltern wollen ihr Kind schon täglich vom Duisburger Norden in den Süden kutschieren? Mehr Sozialwohnungen sind bestimmt gut – aber auch sie können nur angeboten werden.
„Gehen Sie verantwortungsvoll mit diesen Informationen um“, sagt einer aus der Entscheidungsebene des Projekts. Er sorgt sich um den Kredit und meint: Schreiben Sie das nicht, sonst machen Sie das Projekt kaputt.
Verantwortungsvoll: Das heißt in meinem Beruf als Journalistin nicht, Tatsachen zu verschweigen. Verantwortungsvoll: Das heißt in einer Zeitungsredaktion, Tatsachen so aufzuschreiben, wie sie sind. Journalisten sind nicht der BEG, der NRW-Bank, der Stadt oder der Gebag verpflichtet. Wir sind ausschließlich einem verpflichtet: der Wahrheit.