Duisburg-Mündelheim. . Eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg wurde am Rheindeich gefunden. Nur 120 Meter entfernt verläuft die CO-Pipeline. Bei Inbetriebnahme droht Gefahr.
- Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg könnten bei Explosion die CO-Pipeline beschädigen
- In unmittelbarer Nähe der Trasse gehen täglich hunderte Kinder zur Schule
- Gutachten: Ein Vollbruch der Leitung gefährdet Leben im Radius von 1500 Metern
Die zweite Weltkriegsbombe binnen eines Monats wurde am Mittwochmorgen am Rheindeich entdeckt. Der englische Fünf-Zentner-Blindgänger wurde noch am Mittag entschärft. Eine andere Gefahr aber könnte in Zukunft Realität werden: Wie die Stadt bestätigt, befindet sich der Fundort der Bombe in der Nähe der CO-Pipeline.
Eine riskante Mischung sieht die Bürgerinitiative Contra Pipeline im Aufeinandertreffen von Weltkriegsüberbleibseln und Kohlenmonoxid. „Im Nahbereich kann das dazu führen, dass die Pipeline beschädigt wird“, skizziert Sprecher Erich Hennen den Fall einer Explosion. Er fürchtet: „Die Säurezünder verselbständigen sich jetzt allmählich“, viele seien außerdem schon beschädigt. „Die Bomben müssen häufig vor Ort gesprengt werden.“
Vor Bau nur per Luftbildauswertung abgesucht
Es ist nicht die erste Bombe, die nahe der Trasse des Bayer-Konzerns gefunden wurde. Nachdem der Bau beendet war, wurde Ende 2009/Anfang 2010 in Duisburg eine sogenannte Kampfmittelüberprüfung durchgeführt. Dabei wurden nach Angaben der Bezirksregierung Düsseldorf gefunden: eine Zehn-Zentner-Bombe, mehrere kleine Brandbomben sowie Überreste einiger Granaten. Vor dem Bau, der 2007 begann, war der Trassenverlauf nur per Luftbildauswertung untersucht worden.
Eine sogenannte Detektion erfolgte laut Erich Hennen in Duisburg nur an einer Stelle zwischen Mündelheim und Serm, nicht entlang der kompletten 17 Kilometer Pipeline auf Duisburger Gebiet. Sich zur Bombenaufklärung entlang des unterirdischen CO-Transports auf die 1500 Luftbilder aus dem Zweiten Weltkrieg zu verlassen, betrachtet Hennen als problematisch. „Die Blindgänger erkennt man nur als kleine, runde Punkte“ – wenn sie nicht von danebenliegenden Bombentrichtern verdeckt würden. Die Bilder des Duisburger Südens dürften viele kleine, runde Punkte zeigen: „Besonders hier gab es eine Menge Notabwürfe.“ Hennens Befürchtung: Es könnten viel mehr Bomben in der Nähe der CO-Pipeline liegen als bekannt.
Bürgerinitiative sorgt sich um Leben der Anwohner
Die Bürgerinitiative sorgt sich um das Leben der Anwohner, sollte eine dieser Bombe bei einer aktiven Trasse detonieren. Bis auf zehn Meter, so Hennen, kommt die CO-Pipeline an Wohngebiet heran, „in Ungelsheim führt sie direkt an einer Schule vorbei, wo 800 Kinder sind.“ Die Westdeutsche Zeitung zitiert aus dem Gisworks-Gutachten zur Pipeline: Ein vier Millimeter großes Leck bedeute Gefahr im Radius von 57 Metern; ein Vollbruch im Radius von 1500 Metern. CO verhindert die Aufnahme von Sauerstoff im Blut und kann deshalb tödlich sein.
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Bayer verweist in seinen Informationen darauf, dass eine Pipeline das sicherste Transportmittel für Kohlenmonoxid sei: Die Rohre liegen mindestens 1,40 Meter tief unter der Erde, die Wände der Stahlrohre seien besonders dick, aber gleichzeitig verformbar, so dass sie nicht so leicht brechen. Außerdem meldeten Sensoren schon kleinste Lecks. Was bei einem großen Loch passieren könnte, etwa durch eine Weltkriegsbombe verursacht, dazu äußert sich Bayer nicht. Die Nachfrage der Südredaktion zum Thema ließ der Konzern bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Im Ernstfall schlimmer als die Loveparade
120 Meter trennen den Fundort der Mündelheimer Bombe von der CO-Pipeline. Laut Stadtsprecher Peter Hilbrands sind Fundorte, die mehr als 100 Meter von erdverlegten Ferngasleitungen liegen, „völlig unbedenklich“. Erst wenn die Distanz weniger als 40 Meter beträgt, wird vor Ort mit den Leitungsbetreibern über Sicherheitsmaßnahmen entschieden.
Hennens Befürchtung bleibt bestehen: Wird die Pipeline in Betrieb genommen – darüber entscheidet das Bundesverfassungsgericht nicht vor 2017 – und liegt die nächste Bombe näher an der Trasse, könnte der Worst Case eintreten. „Wenn die Pipeline hochgeht, wird Duisburg nicht mehr von der Loveparade geprägt – dann wird Duisburg die Stadt der toten Kinder sein.“