Duisburg. Am Samstag startet nach der Corona-Zwangspause wieder der CSD in Duisburg. Ein Gespräch über die Pandemie, die EM und Hass im Netz.
„Unschön“. Es ist dieses eine Wort, das Christian Karus direkt in den Sinn kommt, wenn er an die zurückliegenden eineinhalb Jahre denkt. „Man hat ja gehofft, dass es nur kurzfristige Einschränkungen gibt“, sagt der Vorsitzende des Duisburger Vereins „DuGay“. Wenn am kommenden Samstag der Christopher Street Day endlich wieder in der Innenstadt starten kann, dann ist auch Karus ganz vorne mit dabei. Eine Selbstverständlichkeit, an die im vergangenen Jahr nicht zu denken war. Zeit für ein Gespräch über die Pandemie, die EM und Hasskommentare in Duisburg.
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Die Liste mit Dingen, welche die Corona-Pandemie der LGBTQI-Community verwehrt hat, ist lang. „Jeder Treff, jeder Selbsthilfegruppe, jedes Angebot, bei dem Menschen zusammenkommen, ist so gut wie ausgefallen“, erinnert sich Karus. „Dann noch die simple Tatsache, dass Restaurants und andere Lokalitäten geschlossen waren. Man war verdammt, sich zuhause virtuell zu treffen.“
Digitale Beratung in Duisburg mit gemischten Gefühlen
Karus, selbst auch Vorstandsmitglied bei Shalk NRW, eine Selbsthilfegruppe für suchterkrankte queere Menschen, blickt mit gemischten Gefühlen auf die virtuellen Zeiten zurück. „Für einige waren die digitalen Treffen überhaupt nichts, andere fanden es durchaus praktisch“, sagt er. Dass ein digitaler Austausch ein richtiges Treffen nicht ersetzen kann, steht für ihn außer Frage. Aber: „Wir haben festgestellt, dass die digitale Kontaktaufnahme bei Beratungsangeboten teilweise die Hürden gesenkt hat“, erklärt er. Die Mail oder der Anruf kosten weniger Überwindung als das Klopfen an die Türe. „Ich glaube, das wird die Pandemie überstehen.“
Die Absage des CSD-Straßenfestes im vergangenen Jahr sei eine Erleichterung gewesen. Gedanken über strenge Auflagen und Hygienekonzepte kreisten lange in den Köpfen der ehrenamtlichen Veranstalter. „Was ist, wenn sich jemand infiziert?“ Auf der anderen Seite ging der Blick in andere Bundesländer, in denen andere Regeln galten. Mit der Frage, warum beispielsweise im Osten Deutschlands ein CSD stattfinden kann, in Duisburg aber nicht, wurde der Verein oft konfrontiert. „Rückblickend waren wir froh, dass er abgesagt wurde“, sagt Karus.
Regelmissachtungen in Berlin werfen schlechtes Bild auf den CSD
Mit den Bedingungen, unter denen der CSD nun am Samstag startet, ist er „sehr zufrieden“. Die geplante Abschlusskundgebung vor dem Stadttheater gab es in den vergangenen Jahren in dieser Form nicht, nun hofft der Verein auf viel Gehör. Erst am vergangenen Wochenende gab es einen CSD in Berlin. Anschließen hagelte dort viel Kritik: Videos zeigten, dass Teilnehmer eng aneinander feierten, viele sollen auf Schutzmasken verzichtet haben. „Das wirft ein negatives Bild auf den CSD“, sagt Karus. Er habe sich vorgenommen, am Samstag auf die Corona-Regeln hinzuweisen, der Verein hat bewusst eine Strecke gewählt, die nicht durch enge Gassen geht.
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Enttäuscht zeigt sich Karus von dem Versuch, Geschäfte und Lokalitäten in der Duisburger Innenstadt mit Regenbogenflaggen zu versorgen. Das habe auch mit nach einer Werbeaktion und mit Hilfe der Industrie- und Handelskammer nicht geklappt: Lediglich ein einziger aus der Innenstadt habe darauf reagiert, Gründe der Verweigerer blieben zumeist aus. „Ich finde es beeindruckend, dass namhafte Geschäfte das nicht wollen“, sagt Karus.
CSD in Duisburg: Rathaus und Stadttheater zeigen Flagge
Bunt wird es in Duisburg trotzdem. Die Flagge am Rathaus wird gehisst, ebenso eine am Stadttheater. Und der Stadtwerketurm soll in bunten Farben leuchten. Ein Thema, das zuletzt bei der EM polarisierte. Die Diskussion, ob die Arena in München beim Spiel Deutschland gegen Ungarn in Regenbogenfarben angestrahlt werden kann, schlug hohe Wellen. Die Aktion wurde untersagt. „Ich bin entsetzt, wie die Uefa die Flagge als politisches Zeichen wertete. Das zeigt immer noch, dass Lebenseinstellungen von Menschen in den Hintergrund treten, wenn es um Geld geht“, urteilt Karus.
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Auf der anderen Seite steht die „bemerkenswerte“ Unterstützung, die zeitgleich von vielen Stellen kam. Für Karus war es „wunderbar“ zu sehen, dass das Thema in der breiten Masse angekommen ist. Eine Freude mit Beigeschmack: „Machen die das jetzt, weil sie wirklich dahinter stehen, oder weil sie einfach auf die Welle aufspringen?“, fragt sich Karus – auch mit Blick auf Duisburg. Firmen, die die Regenbogenflagge zu dieser Zeit schwangen, wollten plötzlich nichts mehr davon wissen.
LGTBQI-Community in Duisburg: Noch immer gibt es Hass
Gründe, diese Zeichen der Toleranz zu setzen, gebe es aber auch in Duisburg noch immer genug. Homophobe Kommentare, so bemerkt der Vorsitzende, sind in Sozialen Medien auch heute noch weit verbreitet – auch auf der Seite von DuGay. „Wenn wir versuchen, mit Sinn darauf zu antworten, merken wir schnell: Da kann man nicht gewinnen“, sagt Karus. Einige Vereinsmitglieder hätten versucht, als Privatperson auf die Hasskommentare einzugehen – erfolglos. „Ich bin kein Freund von Online-Zensur“, betont er. Die meisten Kommentare sind noch immer öffentlich. Hin und wieder kommen die Mitglieder aber nicht drumherum, die Löschtaste zu drücken.
Und auch homophobe Äußerungen und kritische Blicke hätten im Alltag zugenommen, berichten Vereinsmitglieder. „Das zeigt umso deutlicher, dass eineinhalb Jahre CSD-Pause nicht sein dürfen“, betont Karus. „Schwule, lesbische, bi- und transsexuelle Menschen gehören zu unserem Alltag.“
Transparenzhinweis: In einer ersten Version dieses Textes hieß es, dass auch die MSV-Arena am Samstag in Regenbogenfarben leuchten soll. Dies war eine Fehlinformation der Stadt Duisburg, die mittlerweile korrigiert wurde.
>>> Polizei Duisburg lobt Zusammenarbeit mit den CSD-Veranstaltern
- Wie viele Straftaten es gegen queere Menschen in Duisburg in der vergangenen Zeit gab, kann die Polizei Duisburg nicht beziffern. „Wir erfassen die Delikte, nicht die Motive“, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage.
- In Hinblick auf den CSD am Samstag erwartet die Polizei keine Probleme. Man kenne den Veranstalter mittlerweile gut, „da lief es immer reibungslos und ohne Probleme“, betont die Sprecherin.