Duisburg-Neumühl. Wer im historischen St. Barbara-Hospital erwischt wird, zahlt Strafe. Verliert der Lost Place in Duisburg so seine Anziehungskraft? Eine Bilanz.

Seit gut einem Monat hängen am Zaun rund ums Areal des ehemaligen Barbara-Hospitals Schilder mit einer eindeutigen Botschaft: Es ist verboten und gefährlich, das Gelände zu betreten. Wer’s trotzdem tut, riskiert eine Strafe von 1000 Euro. Schreckt das die Eindringlinge ab, auf den der Lost Place in den letzten Monaten eine fast magische Anziehungskraft ausgeübt hatte? Eine Bilanz.

Seit Januar hatte es einen regelrechten Barbara-Tourismus gegeben, der sich durch den Leichenfund im August noch gesteigert hatte – sehr zur Verzweiflung der Nachbarn (wir berichteten). Inzwischen sei es deutlich ruhiger geworden, sagen sie. „Es gehen aber immer noch Menschen aufs Gelände“, beobachtet Patricia Mallitzki-Bach.

Lost Place in Duisburg: Strengere Bewachung hat für mehr Ruhe gesorgt

Das beweist schon das von weitem sichtbare, neue Graffiti auf der Fassade des ehemaligen Altersheims. Die Buchstaben ziehen sich über die gesamte Höhe. „Da wollten Leute der Stadt zeigen, dass sie trotz der neuen Maßnahmen reinkommen“, vermutet Thomas Mallitzki.

Die Botschaft der Stadt ist unzweideutig – die Strafandrohung auch. Wer hier aufs Gelände geht, muss zahlen.
Die Botschaft der Stadt ist unzweideutig – die Strafandrohung auch. Wer hier aufs Gelände geht, muss zahlen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Neue Maßnahmen bedeutet, dass das Ordnungsamt mehr Präsenz zeigt und der städtische Sicherheitsdienst Octeo Patrouille läuft. Außerdem lässt die Polizei sich öfter rund ums Gelände blicken – auch ohne Anrufe aus der Nachbarschaft oder vom Sicherheitsdienst. „Proaktiver Aufklärungseinsatz“ nennt sich das im Fachjargon.

Polizei fährt regelmäßig zum Barbara-Areal, ohne dass jemand sie ruft

„In der zweiten Oktoberhälfte hat es am ehemaligen St. Barbara 14 Einsätze gegeben. Vier davon waren proaktive Aufklärungseinsätze“, erklärt Polizeisprecher Daniel Kattenbeck. „In zwei Fällen haben wir Strafanzeige gestellt und einen Platzverweis erteilt sowie die Personalien an die Stadt weitergeleitet“, bilanziert er. Im November hat es bisher fünf Einsätze gegeben. „Allein bei einem haben wir sechs Platzverweise erteilt und die Personalien der Personen aufgenommen“, so Kattenbeck.

Das übliche Prozedere sei, die Personalien der angetroffenen Personen an die Stadt weiterzuleiten. „Dort wird entschieden, ob ein Zwangsgeld erhoben wird“, erklärt der Polizeisprecher. Bei der Stadt fällt die Bilanz etwas magerer aus: „Durch die Polizei wurden dem Bürger- und Ordnungsamt zwischenzeitlich zwei Verstöße gegen das Betretungsverbot gemeldet, wonach Personen dort widerrechtlich angetroffen und identifiziert werden konnten. Gemäß der hierzu erlassenen Allgemeinverfügung wird gegen die angetroffenen Personen nun ein Zwangsgeld in Höhe von 1000 Euro festgesetzt“, sagt Stadtsprecherin Gabi Priem.

Eindringlinge gehen vor allem tagsüber auf das Gelände in Neumühl

Die Nachbarn beobachten, dass sich vor allem tagsüber Eindringlinge auf dem eingezäunten Grundstück herumtreiben. „Abends sehen wir immer noch Autos aus allen möglichen deutschen Städten, den Niederlanden und Belgien ums Gelände herumfahren. Viele Menschen rappeln einmal kurz am Zaun, lesen das Schild, scannen den QR-Code und fahren dann wieder“, berichten sie. „Die Schilder und die abendliche Präsenz des Sicherheitsdienstes bringen auf jeden Fall was“, sagt Thomas Mallitzki.

Das Graffiti am ehemaligen Altersheim der St. Barbara-Klinik ist nach der Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen entstanden.
Das Graffiti am ehemaligen Altersheim der St. Barbara-Klinik ist nach der Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen entstanden. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Immer wieder seien nachts Menschen mit Taschenlampen am Zaun unterwegs. „Die suchen offensichtlich nach Lücken, um reinzukommen.“ Einige schafften es auch – wie das recht neue Graffiti auf dem ehemaligen Altenheim beweist. Hier ist auch der Zaun hinter einem Stromkasten eingedellt. An dieser Stelle sind auch unsportliche Menschen schnell über den Zaun geklettert.

„Wir können endlich wieder schlafen“, sagen die Nachbarn erleichtert

„Aber die Leute machen keinen Krawall mehr. Wir können nachts endlich wieder schlafen“, so Patricia Mallitzki-Bach. Das sei für die Anwohner die Hauptsache. Dass sie immer noch Müll hinterlassen, geschenkt. Dass einem der Eindringlinge mal etwas auf dem Gelände passiere, sei allerdings nur eine Frage der Zeit.

Wann der Sicherheitsdienst am Barbara im Einsatz ist, verrät die Stadt aus „einsatztaktischen Gründen“ nicht. Die Nachbarn sagen: Am Wochenende seien die Kräfte auch schon tagsüber da, ansonsten abends. „Und dann stehen sie sehr präsent da. Das kann gerne so bleiben.“

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Selbst Halloween war alles ruhig: Die Anwohner hatten in der Nacht mit einem großen Besucherandrang gerechnet – die Behörden aber offensichtlich auch. Ordnungsamt und Sicherheitsdienst hatten sich den ganzen Tag über bis weit nach Mitternacht so rund ums Gelände platziert, dass die Mitarbeiter den kompletten Zaun im Blick hatten. Auch an diesem Abend waren auffällig viele Pkw mit auswärtigen Nummernschildern unterwegs: Osnabrück, Witten, Kleve, Berlin. Angesichts der guten Bewachung zogen aber alle schnell wieder ab. „Heute ist extrem ruhig“, sagten auch die Sicherheitsleute.

Erst nach ein Uhr randalierten einige offenbar Frustrierte am Zaun, weil sie es nicht reingeschafft haben. Sowas sei aber seit Mitte Oktober die Ausnahme. Auch danach ist es am Lost Place ruhig geblieben – zur großen Erleichterung der Anwohner am ehemaligen St. Barbara in Neumühl.

>> Auf dem Areal sollten 500 Wohnungen entstehen

  • Das inzwischen insolvente Bauunternehmen Harfid aus Essen wollte auf dem rund 5000 Quadratmeter großen Gelände unter anderem bis zu 500 Wohneinheiten bauen. „Neumühl Quartier“ sollte das neue Viertel heißen. Seine Pläne hat Harfid im April 2022 vorgestellt. Passiert ist seitdem nichts.
  • Im Stadtteil machen Gerüchte die Runde, dass Harfid inzwischen nicht mehr Eigentümer des Grundstücks ist. Offizielle Stellen haben das bislang allerdings noch nicht bestätigt.