Duisburg-Marxloh. Eine Apothekerin schließt ihr Duisburger Geschäft in Marxloh für immer. Was sie an der zunehmenden Bürokratie und den Nachtdiensten genervt hat.
Sie wirkt gefasst. Lange hat sie gekämpft und doch verloren: Annette Freyhoff-Rogalli schließt ihre „Apotheke am Jubiläumshain“ für immer. Damit verliert der Duisburger Norden einen Traditionsbetrieb, der an der Grenze zwischen Marxloh und Röttgersbach ganze 62 Jahre lang existierte. Freitag war der letzte reguläre Öffnungstag an der Kaiser-Friedrich-Straße 123.
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Ihr potenzieller Nachfolger sei abgesprungen, erzählt die 63-Jährige und packt weiter Medikamente zusammen. Eigentlich habe sie ihr Geschäft zum Jahresbeginn abgeben wollen. Als aus der Übergabe nichts wurde, hat sie doch weitergemacht. „Zwei meiner Mitarbeiter haben dann aufgehört. Die Stellen kurzfristig nachzubesetzen, war nicht möglich“, sagt Freyhoff-Rogalli und betont, dass sie die beiden Angestellten vollkommen verstehen kann.
Duisburger Pharmazeutin ist sicher: Nicht Online-Handel sondern Bürokratie fördert Apothekensterben
Obwohl die Behörden grundsätzlich eine Mindestbelegschaft für Apotheken verlangen, ist sich die Chefin sicher, dass man ihr noch mehr Zeit für die Mitarbeitersuche zugestanden hätte. Aber der Markt für qualifiziertes Personal ist leer gefegt. Pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) seien inzwischen rar und außerdem eine Frauendomäne, erläutert Annette Freyhoff-Rogalli. Das verschärft die Situation, denn gerade junge Frauen wollen demnach oft Familien gründen und als Mütter dann lieber in Teilzeit arbeiten.
Mit Sorge blickt sie auf das Apothekensterben, doch der Grund dafür sei nicht der Online-Handel mit Medikamenten. „Die Leute wollen vor Ort eine Apotheke haben. Sie sind froh über eine Anlaufstelle.“ Der persönliche Kontakt, das Menschliche und die Beratung von Angesicht zu Angesicht bleiben weiter stark gefragt. Das zeigen auch die vielen Blumensträuße, die jetzt langjährige Kunden verschenken, und beim Abschied fließen auch mal Tränchen.
Ihren Betrieb hat Annette Freyhoff-Rogalli 1994 übernommen und sich dafür selbstständig gemacht. Seither hat sie viele Familien über Generationen begleitet und ist sehr dankbar für ihre treuen Stammkunden, ohne die heutzutage keine Apotheke mehr überlebt. Und ebenso wenig ohne Angestellte. „Es gibt jetzt so viel an Bürokratie, so viele zusätzliche Aufgaben, das alles ist alleine gar nicht mehr zu schaffen, man braucht einen Kreis an Mitarbeitern um sich herum“, sagt die 63-Jährige, die die gestiegene Bürokratie zunehmend als „Gängelung“ empfindet.
Ob etwa beim Qualitäts- oder Hygienemanagement, es gebe längst so viel Schreibkram zu erledigen, dass jedes Geschäft eine Pharmazeutisch-kaufmännisch Angestellte benötigt, die sich um die Lagerpflege kümmert.
Unschöne Nachtdienste: Kunden klingeln nachts für Nasenspray oder Schnuller
Je weniger kleine Stadtteil-Apotheken überleben, desto größer wird jedoch die Belastung der verbleibenden. In den 90ern habe man in Duisburg alle vier Wochen mal einen Notdienst übernehmen müssen, aktuell sei es bereits alle drei Wochen – und die würden immer anstrengender. Dazu trage ein unschöner Trend bei: Weil es lange dauern kann, bis Familien beim Kinderarzt einen Termin bekommen, gehen viele Eltern lieber zum Krankenhaus und klingeln dann sogar spätnachts bei der Notapotheke für Nasenspray oder Schnuller.
Trotz allem habe ihre Apotheke am Jubiläumshain gute Umsätze gemacht. „Sie hatte Potenzial“, sagt Annette Freyhoff-Rogalli wehmütig. Trotzdem freut sie sich sehr darauf, demnächst nicht mehr Chefin zu sein. Im Großraum Dortmund wird sie künftig auf Honorarbasis Urlaubs- und Krankheitsvertretungen in Apotheken übernehmen. Ihre beiden verbleibenden Mitarbeiterinnen haben schon neue Jobs. „Das ist eine super Lösung“, findet die Pharmazeutin. Doch erstmals stehen fünf freie Tage an – Erholung nach der stressigen Geschäftsaufgabe.