Duisburg-Aldenrade. Ein Duisburger Seniorenzentrum hat für seine Bewohner einen digitalen Tisch angeschafft. Der dient nicht nur der Bespaßung der Senioren.
Mit einem vorgezogenen Weihnachtsgeschenk wurden jetzt die Bewohner im „Pflege Plus“-Seniorenzentrum an der Jupiterstraße überrascht. Lisa Juchheim, die Gesamtleiterin der Sozialen Dienste der Betreiberfirma Stella Vitalis, stellte dem Bewohnerbeirat und der Heimleitung den neuen digitalen Aktivierungstisch „Care Table“ vor. Der soll künftig für frischen Wind in der Betreuung der alten Menschen sorgen.
Das 90 Kilo schwere Gerät auf stabilen Rollen ist schwenkbar und lässt sich waagerecht als Spieltisch und senkrecht als Bildschirm nutzen. Es funktioniert wie ein riesiges Tablet mit Touchscreen und bietet in den vier Bereichen Medien, Spiele, Übungen und Aktivierung viele Möglichkeiten, sich alleine oder in der Gruppe zu beschäftigen. In einer Bottroper Einrichtung wurde der Hightech-Tisch schon getestet.
Die Duisburger Senioren können virtuell durch New York bummeln
„Bei uns hat sich ganz schnell entwickelt, dass die Bewohner den Tisch selber nutzen“, erzählt Anna Sonnenschein vom Sozialen Dienst in Bottrop. Bingo spielen, die Tageszeitung auf dem großen Bildschirm lesen, Sitz-Yoga mit Anleitungsvideos betreiben, virtuell durch Amsterdam oder New York bummeln, sich Märchen vorlesen lassen – der Care Table hat jede Menge drauf.
Den digitalen Tisch für erlebnishungrige Senioren hat ein junges Start-up namens Senexis mit Sitz in Dessau entwickelt. Dort traut man der älteren Zielgruppe einiges zu. Die Pflegekräfte sind zwar oft zunächst skeptisch, ob die Bewohner mit der Technik zurechtkommen, aber der Unterhaltungswert siegt schnell über die Phase des Fremdelns. Dann wird der Tisch schon selbsttätig in Betrieb genommen, noch bevor die Betreuer den letzten Bewohner zur Gruppenstunde abgeholt haben. Dann heißt es: „Komm, wir warten nicht, ich weiß, wie der angeht.“
Der digitale Tisch ergänzt die Betreuung im Seniorenzentrum
Der Care Table soll die Betreuung nicht ersetzen, sondern ergänzen, wie Lisa Juchheim betont. „Man kann zum Beispiel zur Biografiearbeit kleine Filme abspielen, die zeigen, wie es in den 50er-Jahren war. Das weckt eigene Erinnerungen und bringt die Leute zum Erzählen“, sagt sie. Wie der Tisch bestückt wird, wird in enger Abstimmung mit der Herstellerfirma entschieden. Die geht auf Wünsche ein und entwickelt ständig neue Apps.
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„Im nächsten Jahr kommt noch Netflix hinzu. Außerdem soll auch Videotelefonie auf dem großen Bildschirm geben“, sagt Juchheim. Gerade für Bewohner, die an Demenz erkrankt sind, wäre das eine große Hilfe. Sie könnten ihre Angehörigen beim Telefonieren fast in Lebensgröße sehen. Wenn sie vor dem kleinen Handybildschirm sitzen, haben sie oft Schwierigkeiten, einen Bezug zu ihren Gesprächspartnern zu entwickeln.
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Der Aldenrader Einrichtungsleiter André Weinberg darf den Care Table als Erster im Duisburger Norden mit einem Bewegungsspiel testen. Er lässt auf dem Bildschirm Frösche zerplatzen. „Warum geht der Frosch mit der Mütze nicht weg?“, fragt er irritiert. „Den müssen Sie zweimal drücken“, weist Sonnenschein ihn ein. So manchem Mitglied des Heimbeirates juckt es schon beim Zusehen in den Fingern. Vermutlich werden später noch viele Amphibien das Zeitliche segnen.
„Der Tisch ist nicht nur für Bewohner da“, sagt Lisa Juchheim, „auch Pflegekräfte und Angehörige sollen mitmachen und die Möglichkeiten ausprobieren. Die Urenkel gehen viel lieber mit ins Seniorenzentrum, wenn sie wissen, dass da eine Runde Air-Hockey drin ist.“
>> Junges Unternehmen entwickelte den Tisch für Senioren
- Die Stella Vitalis GmbH mit Firmensitz in Dinslaken betreibt 18 Seniorenzentren. Alle werden mit dem Care Table ausgestattet. Ein Gerät kostet laut Internetseite 8690 Euro.
- Die Idee zum Care Table kam den Senexis-Geschäftsführern Tobias Jecht und Christoph Schneeweiß beim Schreiben einer Masterarbeit. Gemeinsam gründeten sie die Firma 2019. Ein junges Team entwickelt den digitalen Betreuungshelfer laufend weiter. Inzwischen gibt es den Care Table schon in über 400 Einrichtungen.