Duisburg-Walsum. Mehr als drei Jahrzehnte lang war die Walsumer Gaststätte „Wacht am Rhein“ Ausflugsziel für die ganze Region. Im Weltkrieg wurde sie zerstört.

Ein Walsumer Sommertag in den 1920er-Jahren: Auf der belebten Terrasse rauchen gut gekleidete Herren Zigarre, nebenan, am grünen Rheinufer, spielen Kinder Fangen. Frauen sitzen klönend bei Kaffee und Kuchen zusammen, während eine Blaskapelle Musik spielt. So könnte es einst zugegangen sein rund um das Restaurant „Wacht am Rhein“, direkt an der Fähre nach Orsoy gelegen. Mehr als drei Jahrzehnte lang war die Wirtschaft beliebtes Ausflugsziel für die Menschen in Walsum und in den angrenzenden Orten.

Mit „schönen Gartenanlagen“ und „herrlichen Grotten“ wirbt eine Anzeige aus dem Jahr 1909 für die Gaststätte von Cornelius Halswick. Regelmäßig schaltete der Inhaber solche Anzeigen in den lokalen Zeitungen. Dabei garantierte ihm allein der Fähranleger eine beträchtliche Stammkundschaft: Mehrere Hundert Fahrgäste setzten damals pro Tag über den Fluss, viele davon verbrachten die Wartezeit in der „Wacht am Rhein“. Allein die 71 Orsoyer, die 1927 im Walsumer Zellstoffwerk arbeiteten und auf die Fähre angewiesen waren, dürften bei Halswick so manches Feierabendbier getrunken haben.

Rheinfähre nach Orsoy garantierte dem Restaurant Kundschaft

Ein Springbrunnen und viel Grün: Terrasse und Gärten der „Wacht am Rhein“ machten aus dem Gasthaus einen idyllischen Ort.    
Ein Springbrunnen und viel Grün: Terrasse und Gärten der „Wacht am Rhein“ machten aus dem Gasthaus einen idyllischen Ort.     © Helmut Schorsch

An traditionellen Ausflugstagen wie Pfingsten, an denen mehrere Tausend Menschen den Fluss entlang zogen, platzte das Restaurant samt Garten aus allen Nähten. Auch für Vereinsfeste war der Ort stark nachgefragt. Im Winter dagegen blieb der Garten nicht nur leer, sondern stand je nach Flusspegel unter Wasser. So wie am Neujahrsmorgen 1926, als das Hochwasser bis in die Wirtschaftsstube drang und dort 50 Zentimeter tief stand.

Das Wasser hinterließ große Schäden am Anwesen von Halswick. Die Zäune sowie Teile des Schuppens wurden zerstört. Als die Stube vom Wasser befreit war, blieb der Boden von einer dicken Schlammschicht bedeckt. Fußböden, Wandbekleidungen, Holztäfelungen und Tapeten musste Halswick erneuern.

Der Gastronom war bei Kollegen geschätzt und Vorstandsmitglied im Wirteverein Walsum. Warum er sein Restaurant 1929 an die Hamborner Stadtverwaltung verkauft hat, ist nicht bekannt. Manche sorgten sich danach, das Restaurant könnte dauerhaft geschlossen bleiben. Gerüchte machten die Runde, die Stadt Hamborn wolle aus der „Wacht am Rhein“ ein Kinder- und Jugendheim machen. 1930 fanden diese Gerüchte ein Ende: Die Gebäude wurden nach Modernisierung an die Brauerei König verpachtet, der Gaststättenbetrieb war gesichert.

In den 50er-Jahren wurde die „Wacht am Rhein“ schmerzlich vermisst

Eine überdachte Terrasse bot auch bei Regen die Gelegenheit, die Aussicht zu genießen.
Eine überdachte Terrasse bot auch bei Regen die Gelegenheit, die Aussicht zu genießen. © Helmut Schorsch

Dass die „Wacht am Rhein“ mit ihrer idyllischen Lage auch für heimatverklärende Folklore geeignet war, erkannten nach der Machtübernahme die Nationalsozialisten. Bis in die späten Kriegsjahre fanden am Gasthaus auch Feste von staatlichen Institutionen statt. Bei einem Polizeifest im Sommer 1944 etwa traten in NS-typischer Weise Kinder bei sportlichen Wettkämpfen gegeneinander an, anschließend sangen die Gäste Heimat- und Soldatenlieder.

Viele Lieder erklangen danach nicht mehr in der „Wacht am Rhein“. Bei einem Bombardement wurde das Anwesen kurz vor Kriegsende zerstört – und nie wieder aufgebaut. Dabei wurde eine Gaststätte wie diese bereits in den 1950er Jahren schmerzlich vermisst: Walsumer klagten zu dieser Zeit, dass ihr Ort wegen des Mangels an attraktiver Gastronomie beim Fremdenverkehr keine Rolle mehr spiele.