Duisburg-Marxloh. Mal Liebeserklärung, mal Sozialkritik – Künstler Norbert Thyssen betrachtet Duisburg-Marxloh in seinem Buch aus verschiedenen Perspektiven.

„Einer ist immer der Dumme“ – das sagt Norbert Thyssen über Humor. Zumindest auf seinen eigenen Humor trifft das zu: Im neuen Buch des Marxloher Künstlers landet der Finger in der Wunde, wird niemand verschont. „Bei jedem Witz muss es etwas geben, worüber man lacht“, meint Thyssen. „Ob das der Muslim ist, der Pfarrer, oder der schäbige deutsche Hausbesitzer.“ 40 teils provokante Grafiken betrachten den Stadtteil im Duisburger Norden aus verschiedenen Perspektiven, sind mal Liebeserklärung, mal Sozialkritik.

Marxloh eine Chance geben – in den Köpfen

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Zwei Ziele verfolgt der 67-Jährige mit seiner Marxloh-Kunst: „Ich will, dass geschmunzelt wird. Und ich will das Image als ‘No-Go-Area’ infrage stellen.“ Die Titelseite verrät, in welche Richtung es gehen soll: Fünf Menschen verschiedenen Alters, verschiedener Religion, Herkunft und sexueller Orientierung halten sich an der Hand und singen: „All we are saying, give Marxloh a chance...“ Thyssen will Marxloh eine Chance geben – in den Köpfen der Menschen.

Norbert Thyssen will Marxloh in den Köpfen der Menschen eine Chance geben – die Titelseite seines Buches drückt das aus.
Norbert Thyssen will Marxloh in den Köpfen der Menschen eine Chance geben – die Titelseite seines Buches drückt das aus. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Eine Selbstbeweihräucherung solle das Buch nicht sein, sagt er. Ist es auch nicht. Immer wieder dienen Thyssen auch die Probleme des Stadtteils als Inspiration, Schrottimmobilien oder Müllberge zum Beispiel. Dennoch zeichnet der Großteil der Motive ein versöhnliches Bild vom Multikulti-Viertel – wie der Baum, an dessen Wurzeln die Staatsflaggen von Ländern wie der Türkei, dem Libanon oder Polen heften.

Thyssens erste Marxloh-Grafik entstand, als er noch gar nicht dort wohnte – sondern in Röttgersbach. „Ich war aber oft Gast in der Marxloher Kneipe ‘Red Rooster’. Für die habe ich das Bild im Marlboro-Stil entworfen. Das ist jetzt zwölf Jahre her“, erinnert er sich. Auf dieser Grafik ist das einprägende Design einer Packung Marlboro-Zigaretten zu sehen – der Markenschriftzug ist durch das Wort „Marxloh“ ersetzt, der Hinweis „Rauchen ist tödlich“ durch den Satz „Hier geboren sein, prägt ein Leben“.

Damit fing alles an: Die Marlboro-Grafik war Thyssens erstes Marxloh-Kunstwerk.
Damit fing alles an: Die Marlboro-Grafik war Thyssens erstes Marxloh-Kunstwerk. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Was als freundschaftliches Geschenk und Kneipendeko gedacht war, rief Reaktionen hervor. „Ich wurde immer wieder von Leuten gefragt, ob ich davon noch mehr auf Lager hätte“, erinnert sich Thyssen. Also entwarf er weitere Bilder. „Am Anfang habe ich aber höchstens daran gedacht, die eine oder andere Grafik mal auf eine Tasse zu drucken oder auf ein T-Shirt. Für ein Buch waren es ohnehin noch viel zu wenig Motive“, sagt Thyssen.

Norbert Thyssen eckt mit seiner Marxloh-Kunst auch an

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Mehr wurden es erst, als er vor gut einem Jahr nach Marxloh zog – aus unerfreulichem Grund: Thyssen verlor krankheitsbedingt ein Bein, musste seine Röttgersbacher Obergeschosswohnung fortan im Rollstuhl bewohnen. „Ich war überhaupt nicht mehr mobil, habe kaum noch die Sonne gesehen.“ Also musste eine barrierefreie Wohnung her, die sich im Nachbarstadtteil fand. „Ich habe mich erst dadurch intensiver mit Marxloh beschäftigt“, so der Künstler.

Thyssens Kunst soll die Menschen zum Schmunzeln bringen – kann aber durchaus auch provozieren.
Thyssens Kunst soll die Menschen zum Schmunzeln bringen – kann aber durchaus auch provozieren. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Dass seine Kunst auch mal aneckt, hat Thyssen bei der Suche nach Autoren für das Grußwort gemerkt. Während etwa der Bundestagsabgeordnete Mahmut Özdemir (SPD) oder Bezirksbürgermeister Marcus Jungbauer (CDU) der Bitte gerne nachkamen, gab es auch einige Absagen, nicht immer mit Begründung.

Dabei kann Thyssen auch über sich selbst lachen. Bevor er von Röttgersbach in die vermeintliche „No-Go-Area“ Marxloh zog, bemerkte er selbstironisch: „Deshalb fahre ich hin.“ Auch diesen Spruch bildet eine Grafik im Buch ab.

Wenn Marxloh eine „No-Go-Area“ ist, einfach dahin fahren – ursprünglich bezog sich diese Idee auf Thyssens Abhängigkeit von seinem Rollstuhl.
Wenn Marxloh eine „No-Go-Area“ ist, einfach dahin fahren – ursprünglich bezog sich diese Idee auf Thyssens Abhängigkeit von seinem Rollstuhl. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Thyssens Bilder sind derzeit in der Kreuzeskirche in Marxloh zu sehen. Die Ausstellung dauert bis zum 24. November. Die Motive sollen außerdem noch im Marxloh-Center und im Hamborner Rathaus ausgestellt werden. Möglicherweise landen sie sogar im Düsseldorfer Landtag.

Das Buch ist zwar fertig, kann aber noch nicht in Masse gedruckt werden – es fehlen weitere Sponsoren. Thyssen: „Ich wollte unbedingt, dass es noch vor Weihnachten zu kaufen ist. Das wird aber wohl nichts mehr.“ Er habe zwar ein paar Geldgeber gefunden. Einzelne seien aber trotz Zusage wieder abgesprungen.

Einige weitere Bilder aus Thyssens Buch:

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