Duisburg. Von den Luftangriffen auf Duisburg 1944 war der Norden der Stadt besonders betroffen. 2500 Menschen starben – auch, weil Alarmsirenen ausfielen.
Sie flogen über den Ärmelkanal und kamen aus Richtung Niederlande auf die Stadt zu. Am Morgen des 14. Oktobers 1944, vor 75 Jahren, starteten die Bomberstaffeln der britischen Royal Airforce unter dem Namen Operation Hurricane eine Serie von Luftangriffen auf Duisburg. Von denen war der Norden der Stadt am schwersten betroffen.
Duisburger waren von dem Angriff überrascht
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Ziel der Operation war es, die große Überlegenheit der alliierten Luftstreitkräfte zu demonstrieren. Die Moral der Zivilbevölkerung sollte geschwächt werden, um so zu einem möglichst raschen Ende des Krieges zu kommen. „Der 14. Oktober war ein schöner Herbsttag, ein Samstag“, sagt der Hamborner Verleger und Hobbyhistoriker Hans-Joachim Meyer, der allerhand Material über den schweren Bombenangriff zusammengetragen hat.
Die Duisburger seien auf den Angriff nicht gefasst gewesen, weil er zu einer ungewöhnlichen Zeit erfolgte, hat Meyer von Zeitzeugen erfahren. Sonst kamen die Bomber oft nachts, weil da das Risiko, abgeschossen zu werden, kleiner war. „Aber im Herbst vierundvierzig gab es in Hamborn und Marxloh gar keine Flugabwehrkanonen (Flak) mehr, die waren alle abgezogen worden“, sagt Meyer.
Der Voralarm heulte gleichzeitig mit dem Vollalarm los, den Menschen blieb ungewöhnlich wenig Zeit. Sie mussten rennen, um es noch in die Bunker zu schaffen. Eine halbe Stunde lang warfen die Flugzeuge ihre Sprengbomben, Luftminen, Stab-und Phosphor-Brandbomben ab. Die Hüttenwerke Ruhrort und Meiderich, die August-Thyssen-Hütte und die Hafenanlagen waren vorrangige Ziele.
Nazis hatten das Fotografieren von Trümmern verboten
In der Werkszeitung der Thyssenhütte vom Dezember 1966 erinnern sich unter anderen Elektromeister Karl Reitz und Vorarbeiter Johan Linsen an den morgendlichen Angriff. Unter den Winderhitzern des Hochofenwerkes und unter den massiven Fundamenten der Großgasmaschinen gab es sehr stabile Bunker für die Belegschaft auf der Samstagsschicht. Aber als die Männer in der Stille nach dem Angriff wieder aus den unterirdischen Schutzräumen hervorkrochen, da sahen sie erschreckt auf eingestürzte Hallen und zerstörte Kamine.
Die Angst um ihre Familien trieb sie heimwärts. Viele bekamen den Rest der Schicht frei. Liesen fuhr mit dem Fahrrad über zerstörte Straßen mühsam nach Meiderich und fand seine hörbehinderte Frau lebend, aber das Haus zerstört. Reitz stellte auf dem Weg zur Mathildenstraße fest, dass der größte Teil der Marxloher Häuser zwischen der Hütte und der Weseler Straße brannten. Er schlug sich bis nach Wesel durch, um seine Frau zu beruhigen, die dort evakuiert war. So entging er der zweiten und dritten Angriffswelle.
Meyer zeigt in einem alten Album Fotos, die der technische Zeichner Franz Heiden am 14. Oktober 1944 auf der Grillostraße aufgenommen hat, wo er wie viele Grillo-Mitarbeiter auch wohnte. „Nicht ganz ohne Risiko, denn das Fotografieren von Trümmern und Zerstörung war von den Nazis bei Strafe verboten worden“, sagt Meyer.
Die Toten kamen auf den Schulhof des Abteigymnasiums
Er kannte Franz Heiden persönlich, der ältere Mann arbeitete mit ihm zusammen bei Grillo in einem Büro. Seine Bilder zeigen abgedeckte, qualmende Häuser und Menschen, die von ihrer Habe rauschleppen, was sie retten können. Gegenüber auf dem unbebauten Straßenrand steht ein wilder Mix von Fahrrädern, Kochtöpfen, Bettzeug und Möbeln. Mittendrin sitzt eine vermutlich alte Dame, die ein Kopftuch trägt und vielleicht einen gesteiften Morgenmantel über ihrer Kleidung. Die Gesichter der Menschen wirken ruhig, fast apathisch, der Schock ging tief. Und ihnen stand noch Schlimmes bevor.
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Die zweite und dritte Welle kamen in der Nacht zum Sonntag, ohne dass die Duisburger gewarnt worden wären. Die Sirenen waren beim ersten Angriff ausgefallen. Nur die Menschen, die Sirenen in einer der Nachbarstädte hören konnten, liefen in die Bunker.
In der Nacht zum Sonntag töteten die abgeworfenen Bomben viele Menschen in ihren Häusern. „Man brachte die Verletzten in Johanneshospital, das inmitten der Trümmer stehengeblieben war“, erzählt Meyer, „die Toten legte man auf den großen Schulhof des Abteigymnasiums.“ Über 2500 Menschen starben in Duisburg bei den drei Angriffswellen.
Bombardierung wurde in Duisburg lange verdängt
Hans-Joachim Meyer selber kam 1944 zur Welt und hat keine eigenen Erinnerungen an diese Zeit. „Aber ich habe schon in den sechziger Jahren als junger Mann angefangen, die Zeitzeugen danach auszufragen.“ Er traf auf eine weit verbreitete Abwehrhaltung. Die Zeiten seien zum Glück vorbei, man wolle das nicht mehr aufrühren, so dachten Viele und schwiegen. „Eine gewisse Beharrlichkeit muss man schon mitbringen, ich habe einfach immer weiter nachgefragt, irgendwann bekam ich dann doch Antworten“, sagt Meyer.
Viel lieber sprachen die Duisburger über ihre Leistungen beim Wiederaufbau der Stadt. „Die brennenden Häuser an der Grillostraße, die wurden alle repariert, die stehen heute noch“, sagt der Heimatkundler noch zum Schluss.