Duisburg. Zeitzeugenbörse zeigt Fotos zur Operation Hurricane auf Duisburg. Warum Künstler Cyrus Overbeck seine Teilnahme an der Ausstellung nun absagte.
In dem Atelierhaus von Cyrus Overbeck riecht es noch nach frischem Putzmittel. Der bildende Künstler und einige Freunde haben die alte Brotfabrik in Beeck kurzerhand auf Vordermann gebracht, damit am Samstagabend seine Ausstellung „The War“ mit dem Untertitel „Das Album der Erinnerung“ gezeigt werden kann. Ursprünglich sollten die Arbeiten Teil einer Ausstellung in der Kirche St. Joseph am Dellplatz sein, die ebenfalls am Samstagabend eröffnet werden sollte. Die Zeitzeugenbörse sollte Fotos zum 75. Jahrestag der Bombardierung Duisburgs zeigen, Cyrus Overbeck Werke, die extra zu diesem Anlass erarbeitete. Doch im Vorfeld kam es zu einem Eklat zwischen den Initiatoren der katholischen Kirche und dem Künstler. Overbeck spricht von „Zensur“ und wirft Mit-Organisatorin Sabine Josten Antisemitismus vor. Im Zentrum des Streits steht eine Debatte darum, wie Erinnerungskultur gestaltet werden soll.
Als 14-Jähriger zum Glauben gekommen
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Der 49-Jährige ist studierter Theologe. Der Sohn eines persischen Vaters und einer deutschen Mutter war 14 Jahre alt, als er in die Beecker St. Laurentiuskirche spazierte, um den Raum auf sich wirken zu lassen. „Damals gab’s noch Pater Adalbert und Schwester Dorothilde, die mich in die Geheimnisse des Rosenkranzbetens einweihte.“ Seine Eltern hatten mit Kirche „nichts am Hut“. Der jugendliche Overbeck radelte indes am Wochenende nach Kevelaer, um sich seine ersten Ikonen zu kaufen. Der Mann, der heute die klösterliche Atmosphäre seiner Brotfabrik schätzt und sich zum Arbeiten gerne zurück zieht, konnte mit der zölibatären Ausrichtung der katholischen Kirche allerdings nichts anfangen. Als 18-Jähriger ließ er sich in der evangelischen Kirche taufen. Später studierte er Theologie. „In Duisburg gab es so wenige Studenten, dass Protestanten und Katholiken gemeinsam Seminare besuchen konnten“, erinnert er sich. Später wurde er immer wieder auch von Kirchen eingeladen, um dort auszustellen. Deshalb sagte er zu, als Sabine Josten ihn bei einem Besuch in seiner Ausstellung in der Cubus Kunsthalle ansprach und ihm von der geplanten Schau in St. Joseph berichtete.
„Das darf sich nie wiederholen“, lautet die Kernaussage von Harald Molder, Vorsitzender der Zeitzeugenbörse, der zusammen mit den anderen Ehrenamtlichen dutzende Fotos herausgesucht hat, die die Bombenangriffe am 14. und 15. Oktober 1944 dokumentieren. „Hurricane“ hieß die Operation und Molder verweist auf die Bibelstelle Hosea 8,7: „Wer Wind sät, wird Sturm ernten.“ Cyrus Overbeck arbeitet hingegen mit einem anderen Ziel: „Ich möchte weg von diesen emotionalen Aussagen hin zu einer sachlichen Debatte mit der Frage: Wo stehen wir als Gesellschaft und wo wollen wir hin?“ Und so will er die Duisburger nicht nur in einer Opferrolle sehen, sondern auch an den Beginn, die Wahl 1933, erinnern und an das Konzentrationslager in Meiderich. Zudem fragt er nach der Aufarbeitung nach dem Krieg. Er stellt das Porträt Willy Brandts in den Zusammenhang mit Hermann Göring und Adolf Hitler, weil sich erst Brandt durch seinen Kniefall der Vergangenheit gestellt habe. „Das war am 7. Dezember 1970, 25 Jahre später.“ Auf drei weiteren Bildern sind Erich Maria Remarque als Holzschnitt, ein bunter Hitler-Attentäter Stauffenberg und Felix Nussbaum auf Afd-Wahlplakaten zu sehen. Nicht nur, dass Overbeck mit dem Helden aus Remarques Buch „Im Westen nichts Neues“ mitfieberte - Remarque wurde auch als Soldat im Duisburger Lazarett im St. Vincenz Hospital, direkt gegenüber der Kirche St. Joseph, versorgt.
Mit Hitler begann der Streit
Als Sabine Josten und die katholische Kirche das Hitler-Bild sahen, begannen die „inhaltlichen Differenzen“ wegen derer sich Cyrus Overbeck zurückzog. In einem Chat-Verlauf, der unserer Redaktion vorliegt, heißt es: „Ist das Hitler? Hitler-Bilder kommen mir nicht in die Kirche.“ Overbeck nennt das „Zensur“, er habe sich nicht mehr frei entfalten können. Der Pfarrer hingegen habe Sorgen gehabt, dass sich Gottesdienstbesucher an den Bildern stören könnten. „Es geht um den Bombenangriff in Duisburg und das wir so etwas nicht mehr haben möchten. Ich will das nicht weiter verdichten. Dafür könnte man dann eher eine weitere Ausstellung machen“, heißt es weiter in der schriftlichen Auseinandersetzung. Overbeck zog sich zurück und sieht sich in seinem Ziel bestätigt. Er freut sich, dass „The war“ eine Debatte auslöst.
Die Foto-Schau der Zeitzeugenbörse ist im letzten Moment übrigens verschoben worden. „Es ist ein komischer Zufall, aber das hat technische Gründe. Die Stellwände, an denen wir die Fotos aufhängen wollten, sind wackelig und könnten umfallen“, sagt Harald Molder. Die Bilder werden nun ab dem 14. Oktober, dem Tag des Bombardements, gezeigt.