Duisburg-Beeckerwerth. . Vor 60 Jahren haben Beeckerwerther Bergleute Jugendliche, Gastarbeiter und Sprachschüler beherbergt. Das wissen heute nur noch wenige Bewohner.

Was das sogenannte Pestalozzidorf in Beeckerwerth war – daran erinnern sich nur noch wenige Bürger. Dabei steht die Siedlung noch. Aber: Diejenigen, die heute dort wohnen, sind nicht mehr die „Ureinwohner“, sondern deren Nachfahren – oder Neuhinzugezogene.

Das ursprüngliche Pestalozzidorf bestand aus 24 Häusern. Keller gab es nicht, wegen des Grundwassers. Dafür gibt es Anbauten als Lagerraum und große Gärten. Errichtet wurde die kleine Siedlung am Koblenzer Ring in den frühen 1950er Jahren. Die Bewohner waren Bergleute, die dort allerdings nicht alleine mit ihrer Familie lebten, sondern auch bis zu sechs Berglehrlinge und später Gastarbeiter aufnahmen. Einer war der Koreaner Ji-Soo Kim. Der heute 79-Jährige saß im ersten Flugzeug, das aus Seoul nach Düsseldorf flog und Bergleute brachte. Kim hatte so als „Kostgänger“ direkt Familienanschluss und blieb – wie berichtet – bis vor wenigen Jahren in Duisburg. Kürzlich war er wieder zu Besuch in seiner Wahlheimat.

Im Dorf gab es sogar Betreuer für die Jugendlichen

Das Dorf war als „sozialpädagogische“ Einrichtung geplant. Ziel war es, jungen Leuten aus armen oder kinderreichen Familien eine günstige Bleibe während der Ausbildung zu bieten. Der Bergbau unterstützte diese Bewohner durch günstige Mieten und Wirtschaftsgeld. Um die Jugendlichen zu betreuen, gab es sogar einen Fachmann im Dorf. Heute würde man ihn wahrscheinlich Streetworker nennen. Später wohnten dort auch Sprachschüler, unter anderem Afrikaner.

Ji-Soo erinnert sich, dass sogar der damalige südkoreanische Präsident Park dort zu Gast war und in der zur Siedlung gehörenden Turn- und Versammlungshalle zu seinen Landsleuten sprach.

In der Kneipe hieß es: Da kommt einer außem Dorf

1966 endete das Projekt, die Häuser wurden nach und nach verkauft. „Mein Vater“, sagt Franz Braun, „hat unser Haus gekauft“. Der 80-Jährige lebt noch heute in der Siedlung und hat ein 700 Quadratmeter großes Grundstück. Er erinnert sich noch genau: „Kaufen durften nur Bergleute, Ehemalige oder deren Angehörige.“ Als junger Mann musste der gelernte Maler und Anstreicher Franz Braun den Bau auf Vordermann bringen, nachdem er in den Familienbesitz übergangen war.

Damals gab es in der Nachbarschaft noch eine Kneipe. „Wenn ich kam“, sagt der 80-Jährige, „dann hieß es immer: Da kommt einer außem Dorf.“

Privatisierung der Siedlung erfolgte in den 1970er Jahren

In den 1970er Jahren war die Privatisierung abgeschlossen, nun begann die Erweiterung. Geblieben sind die relativ großen Gärten und die ruhige Wohnlage.

Der Oberhausener Roland Günter, der sich seit Jahrzehnten mit der Geschichte von Arbeitersiedlungen befasst, hat auch den Pestalozzi-Dörfern einige Zeilen gewidmet. In seinem Werk „Ein halbes Jahrhundert: Wohnen und Bildung im Bergbau“ erinnert er an die aus der Schweiz stammenden Idee, „Kindern aus schlechten Verhältnissen“ den Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen und ihnen Halt zu geben. Dies war insbesondere in den Nachkriegsjahren von besonderer Wichtigkeit, denn es gab damals viele entwurzelte Kinder und Jugendliche.