Beeckerwerth/Walsum/Meiderich. . Der Koreaner Ji-Soo Kim kam mit dem ersten Gastarbeiter-Flugzeug. Er arbeitete 32 Jahre beim Pütt. Jetzt trug er sich ins Goldene Buch ein.
Mit Papa auf den Spuren der eigenen Familiengeschichte wandeln – diesen Traum hat sich Mike Kim erfüllt. Weil der Mitarbeiter der Awo-Integration selbst wieder Vater geworden ist, hat er seinen Papa zum „Baby-Besuch“ nach Duisburg eingeladen. Und so setzte sich Ji-Soo Kim mit inzwischen 79 Jahren in Seoul in den Flieger. Zwei Wochen verbrachte der einstige Bergmann in seiner alten Heimat. Als ganz besondere Ehre empfand der Koreaner, dass er sich mit seiner Frau ins Goldene Buch der Stadt Duisburg eintragen durfte.
Ji-Soo Kim saß 1963 im ersten Flieger, der mit Gastarbeitern aus Korea nach Düsseldorf abgehoben hatte. Am 22. Dezember landete er und kam sofort nach Beeckerwerth. „Damals war Südkorea eines der ärmsten Länder der Erde“, erzählt sein Sohn. Die Bundesrepublik brauchte Bergleute und warb Facharbeiter aus dem ostasiatischen Land an. „Nur die Besten durften ausreisen“, weiß Mike. Sprich: Leute mit Abitur, die Elite des Landes. Korea hatte gehofft, später vom in Deutschland erworbenen Wissen der Gastarbeiter profitieren zu können.
1973 erhielt Kim den deutschen Pass
Doch Ji-Soo, der 1973 die deutsche Staatsangehörigkeit annahm, kehrte erst zurück, als er längst Rentner war. Als Kostgänger lebte der Mann anfangs im Pestalozzidorf in Beeckerwerth. In Korea hatte er zunächst bei der Militärpolizei gedient. Als Aussicht auf Arbeit in Deutschland bestand, absolvierte er in der Heimat eine dreimonatige Schnellausbildung zum Bergmann.
Mit ihm waren einige Dutzend Koreaner nach Duisburg gekommen. Alle waren kräftig und wollten nur eines: Viel Geld verdienen. Genau einen Tag nach seiner Ankunft stand er bei Schacht Friedrich-Thyssen 2/5 auf der Matte. Bis 1975 arbeitete er dort. Anschließend noch 20 Jahre auf Schacht Walsum. Und arbeitete sich hoch. Er drückte die Schulbank und verließ den Pütt als Rentner mit 56 Jahren – im Range eines Diplom-Ingenieurs. „Johnny“, wie ihn alle deutschen Kollegen nannten (weil sie seinen koreanischen Namen nicht aussprechen konnten), war beliebt und bekannt. Nicht nur als Bergmann, sondern auch als Kneipier. Zusammen mit seiner Frau Christa, die er 1968 heiratete, betrieb er „nebenbei“ noch zwei Gaststätten. Die eine an der Westender Straße in Meiderich, die andere in Wanheimerort. Dorthin kamen auch gerne seine Landsleute – es gab legendäre Feiern. Und zwar im feinen Zwirn.
Die Koreaner unternahmen gerne viel gemeinsam
Die Koreaner waren eine eingeschworene Gemeinschaft. Sie unternahmen viel gemeinsam und handelten nach dem Motto: Was einer macht, machen auch die anderen. Mike Kim kennt folgende Geschichte: Bei einer Duisburger Bank tauchte in den 1960er Jahren plötzlich eine große Gruppe Ausländer auf. Die Angestellten sollen furchtbare Angst gehabt haben. Dachten, da wäre was faul. Als er diese Geschichte seinem Vater erzählte, musste der loslachen: „Das waren wir. Wir wollten alle ein Konto eröffnen. Warum soll jeder alleine zur Bank gehen und sagen, was er will. Es reicht doch, wenn das einer für alle macht.“
Die Ehe in Deutschland ging in die Brüche, und Ji-Soo zog es 2006 zurück in die Heimat. Er heiratete eine Koreanerin und lebt nun in der Nähe des Seouler Flughafens – nur 60 Kilometer von der nordkoreanischen Grenze entfernt.
Zwei Wochen kreuz und quer durch Duisburg gereist
Um mehr vom Leben seines Vaters zu erfahren, ist Mike mit ihm zwei Wochen auf Tour kreuz und quer durch Duisburg gefahren. Hat mit ihm die Orte der Erinnerung besucht, sich mit alten Kumpeln getroffen. „Ey, der Johnny ist da“, hörte er immer wieder.
Ganz besonders stolz machte Ji-Soo, dass auch die Stadt Duisburg großes Interesse an seinem Lebensweg zeigte: Zwei Stunden lang wurde ein Gespräch aufgezeichnet, das die Geschichte der Koreaner in Duisburg dokumentiert.