Duisburg-Walsum. . Die richtige Adresse für Schlager und Rock: Drei Musikproduzenten sind in Duisburg Nachbarn und Geschäftspartner. In Walsum entstehen ihre Hits.
„Duisburg ist die Hochburg des Schlagerpop“, sagt Musikproduzent Tobias Bartzsch, „nirgends gibt es so viele Konzerte und Kneipen, die Schlager spielen, wie im Ruhrgebiet.“ Künftig sollen die großen Hits aus Walsum kommen. Denn Bartzsch gehört zusammen mit dem Walsumer Kelly Reischl das Tonstudio Fistline Audio. Vor anderthalb Jahren ist die Firma an die Kurfürstenstraße gezogen und bildet seitdem eine Studiogemeinschaft mit Coal Island Studio, das auf Rock und harte Klänge spezialisiert ist.
Ich wollte eigentlich nie nach Duisburg“, gesteht Bartzsch, der von der Ostsee stammt. „Ich habe ihn gezwungen“, scherzt Reischl und lacht. Bereut haben sie es beide nicht, den Firmensitz von Herne an den Rhein verlegt zu haben. „Es ist schwierig, einen Vermieter zu finden, der mit den ganzen Umbauten für ein Tonstudio einverstanden ist“, sagt Norman Gühnter vom Coal Island Studio, doch in Duisburg waren Bauarbeiten kein Problem.
Viele Auszeichnungen an der Wand
Dass sich die drei Studioinhaber und ihre Mitarbeiter zudem gegenseitig unter die Arme greifen, ist ein zusätzlicher Bonus. Für den Schlagersänger Dirk Florin aus Beeckerwerth hat Günther zum Beispiel ein Gitarrensolo gespielt. „Die Arbeiten sind handwerklich immer gleich, aber man muss sich spezialisieren.“ Denn jede Musikrichtung habe bestimmte Eigenheiten, die man kennen müsse, um einen Hit zu produzieren. Schlagerpop etwa funktioniere nicht gut, wenn sich die E-Gitarren wie bei Heavy Metal anhören. Daher habe auch die Zusammenarbeit der beiden Studios und Produktionsfirmen Grenzen, aber alles in allem mache sie den Beteiligten großen Spaß.
Offensichtlich wissen die Musikproduzenten und ihre Mitarbeiter jedoch sehr genau, was sie tun. Zahlreiche Auszeichnungen hängen an den Wänden und Platten, an denen sie mitgewirkt haben. Darunter „Samba do Brasil“ von Bellini, mit denen Firstline Audio zur Fußball-WM diesen Sommer-Song veröffentlicht haben. Auch für die Kastelruther Spatzen haben sie Lieder geschrieben und arrangiert, ebenso Platten mit Willi Herren, Marc Terenzi, Guilia Siegel, Matze Knop und Markus Krebs gemacht sowie mit den Herman’s Hermits.
Weltklasse-Tennisspielerin Sabine Lisicki zu Besuch
Besonders gerne erinnern sich Kelly Reischl und Tobias Bartzsch aber daran, dass die Weltklasse-Tennisspielerin Sabine Lisicki zu ihnen nach Walsum gekommen ist. Sie hatte ihren damaligen Freund Oliver Pocher zu Musikaufnahmen begleitet. Jedoch der in der Schlagerszene wohl bekannteste Sänger, für den Reischl und Bartzsch bereits Lieder geschrieben haben, ist Olaf Malolepski, der als Olaf der Flipper auftritt.
Die Zeiten, in der man nach einem großen Hit richtig reich wird, seien aber längst vorbei. „Musik hat sehr an Wert verloren“, sagt Tobias Bartzsch. So habe er kürzlich an einem Lied gearbeitet, das im Internet 4000 abgerufen wurde und dem Studio dadurch 70 Cent Gewinn gebracht hätte. „Das Radio bricht auch für den Schlager weg, weil WDR 4 ihn nicht mehr spielt“, ergänzt Reischl. Doch gerade die älteren Fans seien ein Lichtblick, denn sie kaufen noch Alben.
Ska-Punker schaffen mit Aufnahmen den Durchbruch
„Das Geilste ist aber immer, wenn Du ein Talent entdeckst und die eigene Produktion erfolgreich wird“, findet Kelly Reischl. Dafür mache man ja den Job und nicht für Auftragsarbeiten. Deshalb sucht auch Norman Günther neben Arbeiten für Radio- und Fernsehwerbung in Duisburg und Umgebung immer nach vielversprechenden Künstlern und Bands. Die Awesome Scampis könnten vielleicht eine seiner erfolgreichen Entdeckung werden. „Norman hat aus uns und unseren Songs das Beste rausgeholt“, sagt Sänger Björn Dargel. „Er hat dabei aber die Seele unserer Musik erhalten.“
Zum Album namens Sondervorstellung gibt es inzwischen zwei Musikvideos und die Ska-Punker treten nun etwa 300 Mal pro Jahr auf. „Das Album war unser Durchbruch, und ohne Norman wären wir jetzt nicht bei einem Label.“
Auch wenn die Awesome Scampis jetzt durchstarten könnten: Das Revier wird auch künftig eine Hochburg für Schlagerpop bleiben, glaubt Kelly Reischl: „Zickezacke, bumm, bumm – das hast du so nur im Ruhrgebiet.“
>> Debütalbum ist eine echte Herzensangelegenheit
Für Norman Günther ist ein aktuelles Projekt, das Debütalbum der Duisburger Rockband Intrepid, eine Herzensangelegenheit. Schon als er den ersten ihrer Songs hörte, wollte er ein Album mit der 2013 in Beeck gegründeten Band machen. Doch in einer frühen Projektphase starb der Bassist Pascal Hirt. „Das war für uns ein harter Schlag, wir waren danach an einem Tiefpunkt“, sagt Sängerin Marisa Weiß. „Aber wir wollen die Band und das Album für ihn weitermachen.“
Fast alle Songs seien mit Hirt entstanden, doch das wichtigste Lied ist noch nicht geschrieben. Es soll ihrem Freund gewidmet sein, ebenso wie die Platte. Percy soll sie heißen, das war sein Spitzname. Die Suche nach einem neuen Bassisten ist den vier Musikern schwer gefallen, doch wieder vollzählig ist Intrepid jetzt im Parkhaus Meiderich aufgetreten. „Das Publikum hat total gerissen, das war unser genialster Gig“, sagt Gitarrist Majdi Ben Said. Daraus habe Intrepid neue Kraft geschöpft, um nach dem Schicksalsschlag wieder am Album zu arbeiten. Es soll 2018 erscheinen. „Unsere Lieder und sind sehr emotional“, sagt Marisa Weiß. „Alles, worüber ich singe, habe ich selbst erlebt. Es geht um Liebe, Liebeskummer, Freundschaften – einfach um das Leben.“ Und um den Tod und den Abschied von einem Freund.