Duisburg-Hamborn. Im Vergleich zu den Bürgern anderer Städte nutzen die Duisburger den öffentlichen Nahverkehr wenig. Jetzt gibt es Diskussionen um die Zukunft.

Einen völligen Umbau des Busliniennetzes im Norden der Stadt sieht der Entwurf für den neuen Nahverkehrsplan für Duisburg vor. Danach soll das Schwergewicht des Busverkehrs künftig bei Ringbuslinien liegen, die die Stadtteilzentren und DB-Bahnhöfe anfahren. Zeit dafür, die Auswirkungen dieser Vorschläge für den Bezirk Hamborn zu diskutieren, hatten die Bezirksvertreter jetzt praktisch nicht.

Zwar ist der Nahverkehrsplan schon seit 2008 in Arbeit. Dennoch muss er schon am 3. Juli vom Stadtrat abgesegnet werden. Sonst würde eine zehnjährige Übergangsfrist der Europäischen Union versäumt. Bis zum Herbst muss im Amtsblatt veröffentlicht sein, dass allein die Duisburger Verkehrs-Gesellschaft (DVG) mit der Erbringung der Leistungen beauftragt wird. Ansonsten müssten Verkehrsleistungen europaweit ausgeschrieben werden. Dann aber wären Arbeitsplätze bei der DVG gefährdet.

Keine Entscheidung unter dem extremen Zeitdruck

Die DVG soll aauch künftig die Bürger transportieren.
Die DVG soll aauch künftig die Bürger transportieren. © Fabian Strauch

Weil die Entscheidung so unter Zeitdruck steht, bekamen die Bezirksvertreter nur eine 15-seitige Kurzfassung des über 184 Seiten starken Dokuments vorgelegt. Auch dafür hatten sie nur knapp 14 Tage Zeit. In anderthalbstündiger Beratung kamen von Linken/Grünen und CDU aber so viele Fragen dazu auf, dass sich auch die SPD nach einer Sitzungspause davon überzeugen ließ, das Thema zu vertagen. Noch vor der Ratsentscheidung Anfang Juli soll auf einer Sondersitzung erneut beraten werden. Ob an dem Konzept überhaupt noch viel zu ändern ist, ist dennoch fraglich.

Es sieht wie folgt aus: Künftig übernehmen die Straßenbahnen die Hauptverbindung von den Stadtteilzentren zur Innenstadt. Die Verbindung von den Neben- zu den Stadtteilzentren oder zu S-Bahn-Stationen stellen sogenannte Direktbusse her. Kommen sie von außerhalb Duisburgs und fahren hier Haupt- oder Nebenzentren an, nennen sie sich Schnellbusse. Die Versorgung der einzelnen Wohnquartiere übernehmen von den Nebenzentren aus Quartiersbusse. Davon sind im Norden künftig zwei Ringbuslinien vorgesehen: a) zwischen Walsum und Marxloh und b) zwischen Hamborn und Meiderich. Hinzu kommen zwei Ost-West-Verbindungen: c) zwischen Beeckerwerth, Ruhrort und Homberg-Baerl und d) zwischen Beeckerwerth, Hamborn und Oberhausen-Holten.

Keine großen Busse in verkehrsschwachen Zeiten einsetzen

Dadurch soll häufiges Umsteigen für die Fahrgäste vermieden werden. Um in verkehrsschwachen Zeiten keine großen, leeren Busse einsetzen zu müssen, soll es zudem erstmals in Duisburg ein Taxibusangebot geben. Das sind Kleinbusse, die zwar auf einem festen Linienweg fahren, jedoch nur, wenn sie vorher telefonisch vom Fahrgast - zum normalen VRR-Fahrpreis - bestellt werden.

Der beauftragte Gutachter stellt dem bisherigen Bus- und Straßenbahnverkehr in Duisburg ein miserables Zeugnis aus. Mit einer Betriebsleistung von 26 Kilometern je Einwohner im Jahr bilde Duisburg das Schlusslicht. Städte wie Essen, Dortmund und Bochum würden es immerhin auf 35 Kilometer bringen.

Uneinheitliche Betriebszeiten machen ÖPNV unkalkulierbar

Völlig uneinheitliche Betriebszeiten auf den verschiedenen Linien machten die öffentlichen Verkehrsmittel für Kunden unkalkulierbar und damit unattraktiv. Allein eine Vereinheitlichung dabei würde zwei Prozent mehr Fahrgäste erbringen. Das Netz und seine Takte wiesen auch keine klare Gliederung nach Funktionen auf.

Es sei das Ergebnis von rein unter Sparzwängen seit 1999 durchgeführten Verschlechterungen des Angebots. Trotzdem gebe es noch schwach nachgefragte Linien, während andere Linien völlig überlastet seien. Schließlich fehle ein ganzwöchiges Nachtliniennetz wie in anderen Städten.

Die DVG soll durch gute Angebote neue Kunden gewinnen

All das soll künftig anders werden. Und damit soll ausschließlich die DVG für die nächsten Jahrzehnte beauftragt werden, damit sie Planungssicherheit hat. Ziel ist, dass 95 Prozent der Bevölkerung eine Haltestelle in zumutbarer Entfernung erreichen.

Das Angebot soll mindestens erhalten, dabei jedoch so verbessert werden, dass es dem Bedarf angepasst wird und, etwa durch das durchgängige Nachtliniennetz, neue Kunden gewonnen werden.

So äußerten sich die Politiker in der Bezirksvertretung Hamborn

Herbert Fürmann klagt über die schlechte 903.
Herbert Fürmann klagt über die schlechte 903. © Udo Milbret

Während die SPD nur Verständnisfragen vortrug, so zur Einstellung der Buslinie 908 (Bruckhausen - Sterkrade), kamen von Linken/Grünen und CDU erhebliche Bedenken am Entwurf des neuen Nahverkehrsplans auf.

Herbert Fürmann (Linke) begrüßte zwar wie die SPD die Neuauflage, auf die man lange gewartet habe. Er meldete aber noch Beratungsbedarf an. „Duisburg schließt damit endlich zum hinteren Feld im Öffentlichen Nahverkehr auf“, erklärte er. Aber andere Städte hätten den Fahrgastverband Pro Bahn vorab mit einbezogen. Hier sei das erst nachträglich vorgesehen. Auch überzeugten ihn die geplanten Ringlinien nicht. „Ge­genüber Direktverbindungen ergeben sich teilweise doppelte Fahrzeiten“, erklärte er. Und das Rückgrat im Norden, die Straßenbahnlinie 903, funktioniere ja schon heute nicht.

Sechs von acht Buslinien sollen künftig wegfallen

Von acht Buslinien hier sechs fortfallen zu lassen, sollte noch einmal überdacht werden, riet er. Die Anbindung an die Bahn in Holten sei positiv, besser noch wäre eine Durchbindung bis Sterkrade. Und dann fehle immer noch eine gute Verbindung von Neumühl nach Oberhausen. Dinslaken sei da viel besser angebunden.

Hendrik Trappmann, der verantwortliche Amtsleiter, konnte nur zusagen, all diese Aspekte für den Ratsbeschluss Anfang Juli noch aufzubereiten.

Frank Heidenreich: Falsche Parameter zugrunde gelegt

Aber dann machte CDU-Verkehrsexperte Frank Heidenreich deutlich, dass bis dahin die Schwachpunkte kaum zu beheben seien. „Hier liegen falsche Parameter zugrunde, ÖV-Wege statt gefahrene Leistungskilometer“, kritisierte er. ÖV-Wege seien rein theoretische Annahmen darüber, wie die Verkehrsmittel in Anspruch genommen würden. Auch fehle die Zukunftsperspektive. „Es gibt keine Nachsteuerungsmöglichkeiten“, warnte er, wenn die Leistungen einmal bei der DVG bestellt seien.

Man habe nicht mal mit den Behindertenverbänden über deren Bedürfnisse gesprochen. Themen wie die Sicherheit der Fahrgäste und des Personals fehlten in dem Konzept völlig, ebenso der Aspekt der Elek­tromobilität, also des Einsatzes von Elektrobussen. Andererseits stünden die Arbeitsplätze bei der DVG auf dem Spiel, wenn man jetzt nicht entscheide.