Meiderich. . Dieter und Christine Brings aus Duisburg-Meiderich sind Bodybuilder. Seit über 20 Jahren engagieren sie sich zudem als ehrenamtliche Kampfrichter.

Routiniert stemmen sie im Fitnessstudio die schweren Eisenhanteln. Ihr Schweiß fließt. Dieter und Christine Brings sind Bodybuilder, haben bereits zahlreiche Trophäen gesammelt. In ihrer Meidericher Wohnung stehen jedoch nur noch die beiden Pokale ihrer größten Triumphe, zu Blumenkübeln umfunktioniert. „Alle Siege sind in unseren Herzen gespeichert“, sagt Christine Brings, die meist nur Tini genannt wird. Sie wurde 2002 Schwergewichtsweltmeisterin. Ihr 59-jähriger Ehemann gewann als Superschwergewicht über 100 Kilo die norddeutsche Seniorenmeisterschaft, besiegte dafür 2006 sogar einen amtierenden Europameister.

Christine Brings WM-Sieg im Schwergewicht war 2002. Sie hat seitdem jedoch weitertrainiert und immer noch wuchtige Oberarme.
Christine Brings WM-Sieg im Schwergewicht war 2002. Sie hat seitdem jedoch weitertrainiert und immer noch wuchtige Oberarme. © Kai Kitschenberg

Inzwischen tritt das Paar nicht mehr zu Wettkämpfen an, er überstand zwei Herzoperationen und ihre Wettkampfklasse wurde abgeschafft. Doch beide sind dem Bodybuilding treu geblieben, auch ihrem Verband DBFV. Als Kampfrichter entscheiden sie seit über 20 Jahren, wer Wettbewerbe gewinnt.

„Früher habe ich mich bei Wettkämpfen kaum getraut, die Kampfrichter anzugucken“, sagt die 50-jährige Kraftsportlerin. Dann habe sie es aber doch getan und erkannt: „Das sind ja alles Männer mit Halbglatzen und dicken Bäuchen.“ Wie sollte solch eine Jury fair bewerten? „Jeder Athlet, ich auch, hat schon mal gedacht, dass er von allen beschissen wurde“, ergänzt ihr Gatte, der seit 1980 Gewichte stemmt – zehn Jahre länger als Tini. Daher wollten sie als aktive Bodybuilder im Kampfgericht sitzen, denn sie wissen, wie viele Jahre harte Arbeit hinter einem gestählten Körper stecken und wie hart die Wettkampfvorbereitung ist. Also büffelten sie für die theoretische und praktische Prüfung und zogen 1994 erstmals die dunkelblauen Juryblazer an – lange vor dem Ende ihrer aktiven Karrieren. Seitdem besuchen sie jährliche Schulungen und verbringen gut zehn Wochenenden pro Jahr auf Meisterschaften und Verbandstreffen. Und aktive Bodybuilder sind in der Jury jetzt längst nicht mehr selten.

Wertung bleibt Geschmacksfrage

„Wir sind mit Herzblut dabei“, sagt Dieter Brings. Doch Kampfrichter ist ein undankbares Ehrenamt. Wer nicht gewinnt, fühlt sich oft von der Jury betrogen. Dabei gibt der Weltverband IFBB die Richtlinien vor, bestimmt in welcher Wettkampfklasse Muskelmasse, Körpersymmetrie, die Kür oder Ausstrahlung wie zu gewichten sind. „Wir richten uns nach den Regeln. Damit machen wir uns oft unbeliebt, aber niemals angreifbar“, sagt Tini. Die Verbandsregeln sehen außerdem vor, dass die höchste und niedrigste Wertung der siebenköpfigen Jury ignoriert wird.

Frauen bei der NRW-Meisterschaft im Bodybuilding

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    Trotzdem bleibt es oft eine Geschmacksfrage, wer gewinnt. Damit kommt das Duisburger Paar aber gut klar. „Ich bin brutal ehrlich, und auf der Bühne haben die Athleten für mich keinen Kopf“, sagt Dieter Brings. Tatsächlich könne Ausstrahlung den Ausschlag geben, ergänzt Tini, ein Lächeln oder Lampenfieber über Sieg und Niederlage entscheiden.

    Allen Sportlern gerecht werden

    Natürlich möchte man als Jury lieber Sportler sehen, bei denen man die Bestpunktzahl vergeben darf oder ist enttäuscht, wenn ein Favorit nicht seine Form aus dem Vorjahr erreicht. Leicht nehmen sich die Duisburger Kampfrichter ihre Entscheidungen aber nicht, sie wollen allen Sportlern gerecht werden: „Ich konzentriere mich dabei so sehr, dass ich abends mit Kopfschmerzen ins Bett falle“, sagt Dieter Brings. Wehe aber, der Chemikant erkennt Anzeichen für Steroide, etwa Akne, die nicht von der Pubertät kommt oder Gynäkomastie, wenn also die Männerbrust zum Speckbusen wird. Dann stellt er im Gespräch klar, dass der Betroffene ohne Siegchance bleibt.

    Bodybuilderin Christine Brings hat Muskeln aus Stahl

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      Meist haben die beiden aber Freude daran, gestählte Körper auf der Bühne zu sehen. „Mein Herz schlägt für massive Muskeln – bei Männern und Frauen“, sagt Tini. Der Trend geht jedoch weg von wuchtigen Kraftpaketen. Bei den Frauen ist diese Klasse abgeschafft, bei den Männern schwinden die Teilnehmer. Angesagt sind dagegen die leichtgewichtigen Klassen Bikini und Men’s Physique. Dort fehlt die Kür, und pralle Muskeln werden abgestraft. „Eine Bikinifrau ist nicht muskulös, egal wie viele Muskeln sie hat“, findet die Schwergewichtsweltmeisterin.

      Deutsche Meisterschaft in Wiesloch

      Am Samstag ist das Ehepaar Brings, Urgesteine ihres Sports, bei der Deutschen Meisterschaft in Wiesloch (Baden-Württemberg). Egal, wer den Titel holt, es wird Bodybuilder geben, die sich von der Jury ungerecht behandelt fühlen. Ohne das Engagement von Kampfrichtern wie Christine und Dieter Brings wären jedoch keine Wettkämpfe möglich. Deshalb wollen sie weitermachen, solange es ihnen Spaß macht. „Dass wir ein dickes Fell haben, hilft natürlich dabei.“