Marxloh. Die Bezirkspolitik ließ sich umfassend über das Konzept informieren, mit dem die Probleme im Stadtteil Marxloh behoben werden sollen.

Mit einem Kraftakt stemmt sich die Stadt Duisburg gegen die befürchtete Zuspitzung der sozialen Konflikte in Marxloh (wir berichteten). Anlass ist der anhaltende Zustrom von Zuwanderern aus Rumänien und Bulgarien. Er hat erst vor etwa zwei Jahren eingesetzt.

Schon heute machen die Südosteuropäer rund 3000 der 19 000 Einwohner aus, rund 16 Prozent. Allein aus Mitteln der Stadterneuerung sollen über 18 Millionen Euro nach Marxloh fließen. Etliche andere Fördertöpfe sollen angezapft werden, um vor allem die Betreuung der Zuwanderer zu verbessern. In der Bezirksvertretung Hamborn wurde das Konzept jetzt vorgestellt.

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Im Mittelpunkt steht dabei der Ausbau der Herbert-Grillo-Gesamtschule zur so genannten Stadtteilschule. Alleine dafür sind Baukosten von 11,7 Millionen Euro vorgesehen. „Wir brauchen Bildung, Bildung und nochmals Bildung“, brachte Edeltraud Klabuhn von der Entwicklungsgesellschaft Duisburg (EG DU) die Zielrichtung auf den Punkt. 40 Prozent der Zuwanderer sind Kinder und Jugendliche. Ihre gesellschaftliche Eingliederung soll Vorrang haben.

Wieder Stadtteilbüro in Marxloh

Klabuhn kündigte an, dass die EG DU ab September wieder mit einem Stadtteilbüro in Marxloh vertreten sein wird. Sie bezieht die Räume der Duisburger Verkehrsgesellschaft im Brahm-Center. Dort sollen die Hilfsangebote koordiniert werden.

Seit 1985 sind Gelder zur Stadterneuerung nach Marxloh geflossen. Damit ist es gelungen, den Niedergang des Stadtteils zu stoppen. Ab 2010 liefen diese Mittel aus. Jetzt werden sie neu aufgelegt. Das Erreichte soll un­ter dem Einfluss der neuen Problemlage zumindest erhalten bleiben.

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Elf verschiedene Projekte könnten bis 2020 gestartet werden, um Marxloh städtebaulich aufzuwerten. Eines davon ist das Projekt Stadtteilschule. Bereits in diesem Jahr wird aber der Platz an der abgerissenen katholischen Paulskirche für knapp 300 000 Euro zum sozialen Außenraum umgestaltet. Daneben wird für 130 000 Euro eine Machbarkeitsstudie durchgeführt. Sie soll aufzeigen, wie Marxloh zu einem Bildungsstandort für seine Bewohner werden kann. 500 000 Euro könnten ab 2016 zur Verfügung stehen, um auch die anderen Schulen, das Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium und die drei Grundschulen, baulich zu stärken.

Für 280 000 Euro sollen ab 2017 vor allem jungen Leuten in einem Outdoor-Fitnesspark Möglichkeiten geschaffen werden, sich im Freien körperlich zu betätigen. Gleichzeitig können mit ähnlich hohen Mitteln die geschaffenen Begegnungsplätze durch einen Pfad verbunden werden.

Neues Fassadenprogramm

Für die Wiederbelebung von Kaiser-Wilhelm- und der Kaiser-Friedrich-Straße sind 146 000 Euro vorgesehen. Mit 130 000 Euro soll der August-Bebel-Platz modernisiert werden. Schließlich sollen für zwei Millionen Euro Schrottimmobilien angekauft, abgerissen und ihre Grundstücke in Grünflächen umgestaltet werden. Für 750 000 Euro wird ein neues Fassadenprogramm aufgelegt.

Die verschiedenen Projekte 

Eine Vielzahl von Einzelprojekten soll in den nächsten Jahren dazu beitragen, die Zuwanderer in den Stadtteil zu integrieren. Sie haben verschiedene Träger und werden aus verschiedenen Quellen finanziert. Nachfolgend das Bündel von Maßnahmen.

Gegen Vorurteile angehen

  • Das Projekt „Inclusion - Chance und Perspektiven“ des Jugendamtes. Es schult Interkulturelle Berater und bietet Gruppen für Eltern und Kinder von Zuwanderern.
  • Das Projekt „klarkommen!“ der Polizei. Es versucht, straffällig gewordene Jugendliche und ihre Familien zu fördern.
  • Das Projekt „Angekommen!“ des Vereins Via. Es fördert junge Zuwanderer und will Vorurteile gegen sie abbauen.

Begleiten und beraten

  • Das Projekt „Sportmobil“ des Stadtsportbundes. Es fördert Sport- und Spielaktionen junger Zuwanderer.
  • Das Projekt „Integrationslotsen“ von Stadt und EG DU. Es stellt Zuwanderern Begleiter zu allen Anlaufstellen und Beratung zur Verfügung.
  • Das Projekt „Interkulturelle Beratung in der Elternarbeit“ des Vereins Sprachförderung. Es versteht sich als Brücke zwischen den Elternhäusern und den Kitas.

Die Sprache lernen

  • Das Projekt „Niederschwellige Seminarmaßnahmen zur Integration ausländischer Frauen“ der EG DU. Es bietet Frauen erste Sprachkurse an.
  • Das Projekt „Qualifizierung von Lehrern“ der Stadt. Es bereitet Lehrer auf die Arbeit in Seiteneinsteigerklassen vor.
  • Das Projekt „Bibliothek als Heimat - Heimat als Bibliothek“ der Stadtbibliothek. Es verfolgt den Aufbau eines themenbezogenen Informations- und Mediennetzwerks.

Arbeit suchen und aufnehmen

  • Das Projekt „Unser Haus Europa“ von Stadt und Volkshochschule. Es führt Zuwanderer an den Einstieg in die Arbeitswelt heran.
  • Das Projekt „Praktika-Offensive“ der EG DU. Es vermittelt Zuwanderer in Unternehmen.
  • Das Projekt „Netzwerk ,Aktiv für Arbeit im Stadtteil’“ der EG DU. Es führt alle Stellen im Stadtteil zusammen, die sich um die Integration in den Arbeitsmarkt kümmern.
  • Das Projekt „Viele Wege - ein Ziel“ der Gesellschaft für Beschäftigungsförderung. Es unterstützt Personen, die es besonders schwer haben, auf dem Arbeitsmarkt Tritt zu fassen.

Sich selbstständig machen

  • Das Projekt „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier“ der Duisburger Werkkiste. Es bereitet Interessierte auf den Einstieg in die Berufsfelder Baugewerbe, Kindertagespflege, Alltagsbetreuung und haushaltsnahe Dienste vor.
  • Das Projekt „Förderung der Existenzgründung“ der EG DU. Es hilft Zuwanderern dabei, sich selbstständig zu machen.
  • Das Projekt „Jugend stärken im Quartier“ des Jugendamtes. Es führt junge Leute an die schulische und berufliche Ausbildung heran.
  • Das Projekt „Berufliche Integration von Neuzuwanderern“ des Vereins MUT. Es bereitet Jugendliche auf Helfertätigkeiten im Handwerk vor.
Haben wir die Zeit? 

In der Bezirksvertretung Hamborn wurde zwar begrüßt, dass die Stadtverwaltung binnen weniger Wochen eine Konzeption zur Bewältigung der Probleme erarbeitet hat. Gleichzeitig überwog die Sorge, dass die Hilfen zu spät kommen könnten.

„Die Entwicklung überholt uns“, befürchtete SPD-Sprecher Sebastian Haak. „Wir können die Probleme nur lösen, wenn wir alle an einem Strang ziehen.“ Außerdem sollten Stadt und EG DU für weitere Ideen offen sein. SPD-Ratsherr Manfred Slykers äußerte die Sorge, der Ausbau zur Stadtteilschule bis 2021 dauere zu lange. „Haben wir die Zeit?“, fragte er. „Der soziale Frieden ist massiv gefährdet. Die Leute organisieren sich. Der soziale Sprengstoff ist überall Thema.“ Slykers riet, die finanziellen Mittel flexibel einzusetzen.

Das unterstützte auch Marcus Jungbauer (CDU). „Die Verängstigung ist überall spürbar“, erklärte er.

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Volker Thierfeld (SPD) bemängelte, das Konzept stelle noch zu viel Handlungsbedarf fest und zeige zu wenige Lösungsmöglichkeiten auf. Er zeigte sich vor allem durch die beschriebene Lebenssituation alarmiert, die Armut und die schlechte medizinische Betreuung vieler Zuwanderer. „Es wird zu viel festgestellt und zu wenig gehandelt.“

„Wir erarbeiten zur Zeit, was wir überhaupt leisten können“, erwiderte ihm Edeltraud Klabuhn von der EG DU. Wenn irgend möglich, würden Finanzmittel, die eigentlich erst ab 2016 zur Verfügung stehen, vorgezogen. Aber für die Antragstellung sei die Beschreibung des Ist-Zustandes sehr wichtig. In der Tat bereite die Gesundheitsfürsorge noch große Bauchschmerzen. „Sie kann nicht, wie zur Zeit noch, ein Ehrenamt sein.“

Alle weiteren Einzelschritte bei der Umsetzung des Projekts werden künftig in der Bezirksvertretung vorgestellt.

Gesamtschule als Dreh- und Angelpunkt 

Dreh- und Angelpunkt des neuen Konzepts für Marxloh ist der Ausbau der Herbert-Grillo-Gesamtschule zur so genannten Stadtteilschule. Vor allem ihr kommt die Aufgabe zu, der jungen Generation mit einem Bildungsabschluss den Einstieg in ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Die Schule soll mehr Platz bekommen, etwa, um Seiteneinsteigerklassen unterzubringen. Darin werden Kinder von Zuwanderern für den Besuch einer normalen deutschsprachigen Schulkasse fit gemacht. Sie soll auch außerhalb der Unterrichtszeiten zur Begegnungsstätte der Menschen werden. Projektgruppen sollen sich hier treffen. Die Außenanlagen sollen auch zur sportlichen Betätigung genutzt werden können. Das entsprechende Konzept für die Stadtteilschule wird noch erstellt.

Die Ziele des Konzepts 

Drei Ziele verfolgt das neue Konzept zur Stärkung Marxlohs.

Die Bildungsmöglichkeiten im Stadtteil sollen gestärkt werden. Dazu gehört nicht nur die schulische Bildung. Auch in anderen Lebensbereichen sollen Wissen und Talente gefördert werden.

  • Die Lebensbedingungen im Stadtteil sollen verbessert werden. Dazu gehören die Wohnbedingungen und das Angebot an Arbeitsplätzen und Versorgungsmöglichkeiten für die Bewohner.

  • Dem zunehmenden Negativ-Image Marxlohs soll entgegengewirkt werden. Der Stadtteil soll ein ganz neues Profil bekommen. Ein soziales Problem wie die Zuwanderung soll zum Anlass genommen werden, ein anderes großes Zukunftsproblem mit Hilfe der Zuwanderer zu lösen: das Fehlen junger, qualifizierter Menschen in einer überalterten Gesellschaft.