Walsum. . Die Flüchtlingshilfe hatte zur neuen Unterkunft eingeladen. Die 90 Bewohner nutzten die Gelegenheit, ihren Lebensgeschichten zu erzählen.
Rund 50 Bürger aus Walsum haben am Mittwoch die Gelegenheit genutzt, die Flüchtlinge im kurz vor Ostern fertiggestellten Asylbewerberheim an der Königstraße kennen zu lernen. Eingeladen hatte die Walsumer Flüchtlingshilfe.
Die Gruppe setzt sich aus Mitgliedern der beiden christlichen Kirchen, Vertretern der Schulen und engagierten Bürgern zusammen. Sie alle wollen den Menschen in der inzwischen mit 90 Personen voll belegten Einrichtung helfen – bei Behördengängen, beim Erlernen der Sprache, beim Besuch von Ärzten, um nur einige Beispiele zu nennen.
Völlig ungezwungen sollte der Nachmittag verlaufen – und genau das war der Fall. Die Flüchtlinge – Männer, Frauen, Kinder – nahmen mit den „Gastgebern“ an den vorm Haus aufgebauten Biertischen Platz – und schon begannen die Gespräche bei Kaffee und von den Besucherinnen des kirchlichen Begegnungszentrum in Vierlinden gebackenem Kuchen.
Die Lebensgeschichten erzählt
Der 27-jährige Burmese Azisullah etwa erzählt, dass er seine südostasiatische Heimat verließ, weil er Muslim ist und kein sicheres Leben hatte. Er ist Koch, hofft, dass er eine Arbeitserlaubnis bekommt und schnell auf eigenen Füßen stehen kann. Bei dem Treffen, das an ein gemütliches Nachbarschaftsfest unter Freunden erinnerte, gab er den Kellner: Er versorgte Kinder mit Naschereien und die Erwachsenen mit Getränken.
Die 34 Jahre alte, schwangere Nazlija aus Serbien kocht gerade ihr verspätetes Mittagessen bei offenen Fenster in einer der Gemeinschaftsküchen. Es duftet verlockend. „Kommen Sie, möchten Sie mitessen?“, fragt sie. Und klärt auf: „Es gibt Tomaten mit Paprika und Hackfleisch.“
Franz Tews übte leise Kritik an seinen Politik-Kollegen
Der 27-jährige Aju aus Algerien berichtet, dass er seine Heimat verlassen hat, um in Europa ein besseres Leben beginnen zu können. Er ist hungrig auf Bildung, liest viel, möchte irgendetwas in Richtung Ingenieurwesen studieren. Nur herumzusitzen, zu essen und darauf zu warten, dass der Tag herum geht – das mag er nicht. Ihm gefallen deutsche Tugenden wie Fleiß, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit.
Franz Tews, Stellvertretender Bezirksbürgermeister in Walsum und einer der engagierten Flüchtlingshelfer, zog Bilanz. „Der Tag ist wirklich gut gelaufen. Alle waren zufrieden, obwohl viel improvisiert werden musste.“ Ganz ohne Kritik kam er aber nicht aus: „Ich hätte mir mehr Zulauf aus der Bezirkspolitik gewünscht.“ Immerhin: Oberbürgermeister Sören Link „schaute vorbei und ließ sich auch durchs Haus führen“.
Ein Kommentar von Gregor Herberhold
In Walsum gibt es seit Jahrzehnten ein unkompliziertes Verhältnis zu Flüchtlingen. So war es kein Wunder, dass auch dieser Kennenlern-Nachmittag sehr harmonisch verlief. Überraschend für die meisten Gäste: Wie aufgeschlossen die neuen Flüchtlinge sind. Man merkte den Menschen an: Sie warten geradezu darauf, dass man sie anspricht. Von Scheu keine Spur.
Die Walsumer können stolz auf sich sein: Wieder einmal haben sie bewiesen, dass sie ihren Worten Taten folgen lassen. Sie haben den Flüchtlingen zweifelsfrei vermittelt: Bei uns sind Sie willkommen. Gregor Herberhold