Duisburg/Düsseldorf. Fehler der Polizei haben mutmaßlich zur Massenpanik bei der Loveparade geführt. Diesen Vorwurf äußerte der ehemalige Duisburger Ordnungsdezernent Rabe.
Für den Einsatzleiter der Duisburger Feuerwehr war wohl schon kurz nach dem Unglück klar, welche verhängnisvollen Umstände mutmaßlich zur Massenpanik bei der Duisburger Loveparade geführt haben: Die Polizeiketten, Fehler an den Vereinzelungsanlagen und die Tatsache, dass Polizeifahrzeuge dort standen, wo sie nicht hingehörten, nämlich auf der Unglücksrampe. Das sagte der ehemalige Duisburger Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe am zweiten Tag seiner Vernehmung im Loveparade-Strafverfahren.
Sonntagsmorgens um 6 Uhr, 12 Stunden nach dem Unglück, habe der heutige Feuerwehrchef Oliver Tittmann dies im Gepräch mit Sauerland und Rabe in dessen Büro gesagt. Öffentlich geäußert hat Rabe diesen Vorwurf nun zum ersten Mal: „Ich wollte nicht mit dem Finger auf die Polizei zeigen und in die Ermittlungen eingreifen.“ Bislang hatte es von Seiten der Stadt Duisburg keinerlei Schuldzuweisungen gegeben, was die Verantwortung für das Unglück mit 21 Toten und mehreren hundert Verletzten angeht.
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Bereits im Vorfeld des Prozesses war die Rolle der Polizei am Unglückstag Thema in der öffentlichen Diskussion. Doch letztlich wurde kein Vertreter der Polizei in diesem Strafverfahren angeklagt. Ein Umstand, der schon zu Beginn des Mammutverfahrens unter anderem von den Verteidigern der zehn Angeklagten kritisiert worden war.
Immer wieder fällt der Name Schreckenberg
Nachdem am ersten Tag seiner Vernehmung die Planungen im Vorfeld der Loveparade im Mittelpunkt standen, sollte Rabe nun noch einmal die Ereignisse am Unglückstag selbst skizzieren. Er selbst hatte an diesem Tag den Krisenstab geleitet, den die Stadt für das Großereignis installiert hatte. Ein durchaus normales Procedere, erklärt Rabe, auch um das „Funktionieren des Staatsapparates“ und die Zusammenarbeit der Behörden bei solch einer Großlage auf die Probe zu stellen.
Kurz nach 17 Uhr sei dann der erste Notruf eingegangen, dass es einen Todesfall bei der Loveparade gebe. Zu diesem Zeitpunkt war Rabe selbst kurz auf dem Gelände, um sich selbst ein Bild von der Loveparade zu machen. Nachdem ihn die Nachricht eines Stadtsprechers erreicht hatte, machte sich Rabe direkt auf den Weg zur Feuerwache in Duissern, in der Krisenstab und Feuerwehreinsatzleitung tagten. Ein Feuerwehrmann habe ihn sofort mit Blaulicht dorthin gebracht, erinnert sich der 64-Jährige.
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Nur kurze Zeit später stiegen die Zahlen der Toten und Verletzten. Der Krisenstab schaltete Bezirksregierung und Innenministerium ein. Alles, was dort entschieden wurde, ist in einem Tagebuch vermerkt und wurde Punkt für Punkt verlesen. Auch, dass im Laufe des Abends Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Innenminister Ralf Jäger den Krisenstab aufsuchten und sich informieren ließen.
Auch an diesem Verhandlungstag kam immer wieder der Name Schreckenberg ins Spiel. Zu viele offene Fragen gab es noch bei Staatsanwaltschaft und Nebenklägern, was die Auftragsvergabe an den Physik-Professor angeht. Schreckenberg hatte für die Stadt die Event-Planungen überprüfen sollen, „Herr Professor Schreckenberg hat uns in seiner Aussage aber etwas anderes gesagt“, erinnerte Richter Mario Plein an die Aussage des Stauforschers eine Woche zuvor. Dieser will nur auf Zuruf zu einzelnen Aspekten Stellung genommen haben. Mit dem Veranstaltungsgelände selbst habe er sich nicht befassen sollen. Dem widerspricht Rabe. Für ihn sei klar gewesen, dass Schreckenberg das komplette Veranstaltungsgelände betrachte.
Warum die Polizei keine gesendeten E-Mails auf Rabes Dienstrechner fand
Und noch eine Frage beschäftigte das Gericht: Warum fand die Polizei auf dem Dienstrechner von Wolfgang Rabe eigentlich keine E-Mails zur Loveparade? Wurden sie etwa gelöscht, um etwas zu vertuschen, wie ein Fachmann der Kölner Polizei vermutete? Wissentlich sei dies zumindest nicht geschehen, sagt Rabe und gewährt einen Einblick in seine Arbeitsweise, die er über Jahrzehnte pflegte – sei es als Kreisdirektor in Wesel oder auch noch als Dezernent im Duisburger Rathaus.
Seine elektronische Post ließ er entweder von seinem Vorzimmer oder seinem persönlichen Referenten beantworten. Auf seinem Dienstrechner habe er, wenn überhaupt irgendwas, die Textverarbeitung genutzt. Für den Schriftverkehr nutzte er immer den Schreibcomputer oder das Diktiergerät. Computer, das seien nicht so ganz seine Welt, war daraus zu hören. Auch heute noch,wo seine „bessere Hälfte“ für ihn versendet. Er sei in dieser Angelegenheit ein „Fossil“.
Am nächsten Verhandlungstag (10. August) wird sich Rabe noch den Fragen der Verteidigung stellen müssen. Vom 14. Bis 16. August sagen dann ein Feuerwehrmann aus, der mit den Loveparade-Planungen beschäftigt war, und der Gesamteinsatzleiter der Feuerwehr am Unglückstag selbst.